Vor mehr als zehn Jahren sind viele offene Immobilienfonds in der Finanzkrise in Schieflage geraten und mussten einen erheblichen Vertrauensverlust hinnehmen. Überraschenderweise waren beispielsweise offene Immobilienfonds im Kern von der Finanzkrise gar nicht betroffen. Im Gegenteil: Bis zur Finanzkrise erzielten offene Immobilienfonds eine durchschnittliche Rendite von 5,1%. Mietverträge mit längeren Laufzeiten waren zudem der Garant, dass die anstehende globale Rezession die Renditen gerade kurz- bis mittelfristig nicht deutlich schmälern würde.
Aus Unsicherheit oder auch, um sich Liquidität zu verschaffen, zogen jedoch vor allem institutionelle Investoren von heute auf morgen Millionenbeträge ab. Die auf Fondsseite vorhandenen Liquiditätsreserven konnten die gesteigerten Rückgabeforderungen oftmals nicht decken. Das hatte zur Folge, dass die Rücknahme der Anteile ausgesetzt werden und Immobilien gewissermaßen im Schnellverfahren verkauft werden mussten, um Rückgabewünsche von Anteilsbesitzern zeitnah erfüllen zu können. Da ein Verkauf illiquider Vermögenswerte wie Immobilien allerdings oft über Jahre hinweg vorbereitet werden muss, ließen sich vielfach nicht die gewünschten Erlöse erzielen. Konnte ein offener Immobilienfonds daraufhin auch nach Aussetzung der Anteilsrücknahme nicht genügend liquide Mittel zur Auszahlung der Anleger auftreiben, so musste der Immobilienfonds geschlossen werden. Damit offenbarte sich ein entscheidender Konstruktionsfehler der Vehikel.
Der Regulator hat mit der Einführung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) im Jahr 2013 – streng genommen bereits kurz zuvor durch das Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (AnsFuG) – den entscheidenden Konstruktionsfehler bei offenen Immobilienfonds behoben. Nunmehr gilt für offene Immobilienfonds eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Eine Flucht aus offenen Immobilienfonds, wie sie während der Finanzkrise zu beobachten war, ist faktisch nicht mehr möglich. Tatsächlich waren dann auch keine Mittelabflüsse in größerem Ausmaß zu verzeichnen (Stand Ende Mai), sodass die Liquidität für offene Immobilienfonds weiterhin gesichert ist. Die Aussetzung von Anteilsrücknahmen gilt nun nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich als „ultima ratio“, womit dem nicht volatilen Charakter der Immobilien Rechnung getragen wird.
Eine weitere regulatorische Folge der Finanzkrise ist die unabhängige quartalsweise Bewertung der Immobilien durch externe Bewerter. Mit der vierteljährlichen Bewertung soll mehr Transparenz geschaffen werden. Denn die enormen Rückgabewünsche in der Finanzkrise waren unter anderem auf die Sorge vieler Anleger zurückzuführen, dass die Immobilien der Fonds nicht den Verkehrswert innehatten, der in den Fondsbüchern ausgewiesen war.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob die quartalsweise Bewertung Immobilienfonds volatiler und damit für Krisen entgegen der gesetzgeberischen Intention anfälliger macht. So könnten sich bereits kurzfristige Mietausfälle während der Corona-Krise – vielfach befördert durch das Ende März verabschiedete Notgesetz, das Mietern Kündigungsschutz auch bei Mietaussetzungen garantiert – negativ in der Immobilienbewertung niederschlagen. Entsprechend müsste sodann der Anteilspreis der offenen Immobilienfonds kurzfristig nach unten korrigiert werden.
Fraglich erscheint, ob ein derartiges Procedere dem Charakter von Immobilieninvestments gerecht wird. Als illiquide Vermögensgegenstände dienen sie zuvörderst der langfristig orientierten Kapitalanlage. Bewertungsansatz und -rhythmus sollten diese grundlegenden Eigenschaften einer Immobilie als Kapitalanlage nicht übermäßig konterkarieren und keine kurzfristigen Schwankungen der Verkehrswerte vorspiegeln, die auf bloßen Momentaufnahmen beruhen.
Bislang haben sich derartige Befürchtungen allerdings nicht bewahrheitet, wie während der Corona-Krise erstellte Bewertungen belegen. Nur temporäre Ertragsstörungen entfalten zunächst keinen wesentlichen Einfluss auf die Parameter zur Ermittlung des Verkehrswertes. Vielmehr gilt weiterhin der Grundsatz, diesen auf Basis eines durchschnittlichen Preises von vielen Marktteilnehmern und Objekten zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestimmen, ohne kurzfristige individuelle Entwicklungen wie einzelne Mietausfälle oder -stundungen über Gebühr zu berücksichtigen. Insofern sollte das Notgesetz zunächst keine größeren Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilien haben.
Ändern kann sich das, wenn Dauer und Ausmaß der Mietausfälle höher ausfallen als bislang erwartet – etwa in Folge neuerlicher Verschärfungen der Corona-Regeln oder anhaltender Unsicherheit über den Fortgang der Krise. Mittel- bis langfristige Mietausfälle, insbesondere aber auch dauerhafte Reduzierungen der Mieten schlagen unweigerlich auf den Ertragswert von Immobilien durch. Und das wirkt sich zwangsläufig auf die Bewertungen und damit auf den Anteilspreis offener Immobilienfonds aus.
Gerade bei Gewerbeimmobilen, vor allem im Einzelhandels- und im Hotelsegment, kommt es bereits vermehrt zu Verhandlungen über die Stundung oder Reduzierung der Miete. Auch in diesem Fall spielen regulatorische Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. So sind die Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) bei Verhandlungen über Mietreduzierungen im Sinne eines „ordentlichen Geschäftsmanns“ verpflichtet, die Interessen der Anleger bestmöglich zu vertreten, sprich den Schaden so gering wie möglich zu halten. Hier ist auf Seiten der KVGen eine sorgfältige Abwägung gefordert: Inwieweit sind vorübergehende Mietausfälle, -stundungen oder gar dauerhafte Reduzierungen auch nach Auslaufen der gesetzlichen Sonderregeln zu akzeptieren, um Mietern untragbare finanzielle Belastungen zu ersparen und damit den langfristigen Investmenterfolg sicherzustellen? Zwar steht den KVGen hier in aller Regel ein großzügiger Verhandlungsspielraum zu. Allerdings sind alle Entscheidungen sorgfältig zu begründen und zu dokumentieren. Im Zweifelsfall hat in diesem regulatorischen Spannungsverhältnis zudem auch die finanzierende Bank ein Wort mitzureden, wenn es entsprechende Vertragsklauseln gibt.
In welchem Ausmaß es hier zu Anpassungen kommen wird, hängt im Wesentlichen vom Fortgang der Corona-Krise ab. Ein neuerlicher Lock-down träfe etliche Mieter mit Sicherheit hart. Bislang aber bleibt positiv festzuhalten, dass die Pandemie dank der in großen Teilen umsichtigen Regulierung anders als zu Zeiten der Finanzkrise keine Panikverkäufe zur Folge hatte und offene Immobilienfonds wieder die Stabilität bieten, für die sie bei Anlegern vor der Finanzkrise lange Zeit standen.
Klar ist dabei, dass auch eine starke Regulierung nicht gänzlich vor den Folgen einer Krise schützen kann. Sie kann aber für Rahmenbedingungen sorgen, die einen angemessenen Schutz vor Überreaktionen der Investoren bieten. Wird sie wie aktuell flankiert von einem sensiblen Handeln der Aufsichtsbehörde – kurzfristig hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht das aus massiven Aktienverlusten resultierende Überschreiten der vorgegebenen Immobilienquote von 25% auf Seiten vieler institutioneller Investoren nicht moniert –, so leistet sie einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Immobilienfonds ihrem Anspruch als langfristig orientierte und krisenfeste Anlagelösungen neuerlich gerecht werden.
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*) Robert Guzialowski, Leiter Real Assets Deutschland, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers AG