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Standpunkt: Bürovermietungen - Schlüsselfaktoren sind Individualität und Flächenverzahnung

Viele Büros in Deutschland wirken aktuell wie ausgestorben. Entsprechend einer vom ifo-Institut durchgeführten Personalleiterbefragung waren zuletzt 60% aller Arbeitnehmer größtenteils im Homeoffice tätig. Für Immobilieninvestoren steht daher die Frage im Raum, ob dieser Zustand auch über Covid-19 hinweg anhält und Büroflächen dauerhaft weniger stark nachgefragt werden.

Holger Matheis

Zwar wird das Büro keinesfalls zum Auslaufmodell, sofern es sich an die sich verändernden Bedürfnisse und Wünsche der Arbeitnehmer anpasst. Dennoch könnte es passieren, dass Unternehmen zumindest einen Teil ihrer Flächen einsparen wollen. Wie kann also sichergestellt werden, dass die Investments in dieser Assetklasse von heute auch in zehn oder zwanzig Jahren vermietbar bleiben?

Individualität als Alleinstellungsmerkmal
Arbeitnehmer mit attraktiven Arbeitswelten zu überzeugen, ist wichtiger denn je. Auf einem Markt, in dem unter qualifizierten Arbeitnehmern nahezu Vollbeschäftigung herrscht, können sich Unternehmen nur die besten Fachkräfte sichern, indem sie auf deren Bedürfnisse und Anforderungen eingehen.

Auch die 2020 von Savills Deutschland durchgeführte Studie „Das perfekte Büro – Was Mitarbeiter wollen“ ergab, dass Arbeitnehmer viel Wert auf einen ansprechenden Arbeitsplatz legen. Insbesondere junge, gut ausgebildete Talente entscheiden sich oftmals für einen Arbeitgeber, der mit Angeboten jenseits des Mainstreams begeistern kann. Heutzutage geht es darum, Mehrwerte zu schaffen. Die Bedeutung der Bürofläche hat sich gewandelt: weg vom reinen Arbeiten, hin zu einem Ort des Austauschs und der Kooperation. Dies abzubilden und Konzepte entsprechend anzupassen, ist künftig essenzieller Faktor für gelingende Büroprodukte.

Standard war gestern
Qualität wird also zum Schlüsselfaktor für die Vermietbarkeit von Büroflächen. Eng damit verbunden ist jedoch ein weiterer Aspekt: die Individualität einer Immobilie. Objekte, die architektonisch hervorstechen, schaffen Identifikationspotenziale. Dies kann selbstverständlich in Form einer Neubauimmobilie mit hochmodernem Design geschehen. Doch auch zeitgemäße, durchdachte Konzepte können vor der Herausforderung stehen, dass sich der Zeitgeist wandelt oder sie nicht von den tatsächlichen Nutzern akzeptiert werden. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Frage, ob die Architektur nur einen bestimmten Baustil imitiert oder ob sie auch konzeptionell nachhaltig ist. Es darf also nicht nur um den reinen Design-Gedanken gehen, sondern gemäß der Leitlinie „form follows function“ muss stets auch ein flexibles Nutzungskonzept im Mittelpunkt stehen.

Viele historische Areale hingegen haben sich in diesem Sinn bereits durchgesetzt und sind wichtige Landmarken, die den jeweiligen Stadtteil prägen. Dazu können beispielsweise ehemalige Werksgelände oder Fabriken gehören, die jahrzehntelang die zentrale Arbeitsstätte im Viertel oder sogar in der gesamten Stadt waren. Werden diese Areale gezielt und unter Berücksichtigung der Historie zu modernen Bürolofts revitalisiert, profitieren diese von einer etablierten Infrastruktur und obendrein von der gewachsenen Standortidentität. Hinzu kommt, dass viele dieser Objekte in der früheren Peripherie gelegen sind – die heute oftmals organisch in die Stadt hineingewachsen ist. Sie sind innerhalb der heutigen Szeneviertel insbesondere bei jungen Arbeitnehmern beliebt, die nicht täglich ins Zentrum pendeln wollen.

Vielseitige Flächentypen…
Ein weiteres Sicherheitsmerkmal für Investoren kann darin bestehen, sich auf Büroflächen zu fokussieren, die eng mit anderen Flächentypen verzahnt sind. Diese Strategie verfolgen aktuell zahlreiche Anleger und Projektentwickler, die moderne Gewerbe- oder Mischnutzungsquartiere von Grund auf entwickeln.

Doch auch dort gibt es die Variante des historisch Bewährten: Ein Beispiel dafür bieten revitalisierte Gewerbeparks und andere Unternehmensimmobilien, die gleichzeitig über Büro-, Produktions- und Logistikflächen verfügen. Gerade für Arbeitnehmer, die sowohl Computerarbeit verrichten als auch in Produktions- oder Testprozesse involviert sind, ist eine enge Verzahnung der Räumlichkeiten von Vorteil. Mitarbeiter, deren Tätigkeit die Präsenz in verschiedenen Abteilungen erfordert, können diese so in ein und demselben Gebäude verrichten, anstatt zwischen verschiedenen Standorten zu pendeln.

In einigen Fällen können durch das aktive Asset-Management auch Mieter angesiedelt werden, die nicht dem klassischen Nutzermix von Gewerbeparks oder Unternehmensimmobilien entsprechen. Dazu können sowohl Gastronomie- und Freizeitnutzungen gehören als auch beispielsweise Kultureinrichtungen wie ein Theater. Diese Mieter stiften zusätzliche Identifikationspotenziale, sind belebendes sowie verbindendes Element und können somit den Standort weiter stärken. Wie das funktionieren kann, zeigen beispielsweise die Projekte der GSG, die den Gedanken der alten Berliner Gewerbehöfe aufgreifen. Zu den Mietern dort gehören nicht nur klassische Unternehmen aus den Bereichen Produktion sowie Forschung und Entwicklung, sondern beispielsweise auch die bekannte Tanzgruppe „Flying Steps“.

…und unterschiedliche Branchen
In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Nachfrageprofile solcher Unternehmensimmobilien deutlich gewandelt: Während sich in der Vergangenheit vor allem Mieter aus Bereichen wie dem verarbeitenden Gewerbe, der Leichtindustrie und Automobilbranche für entsprechende Immobilien interessierten, nutzen inzwischen vordergründig Unternehmen aus den Bereichen Logistik und Dienstleistung das Potenzial. Diese Branchen stellen etwa 44% der Mieter von Gewerbeparks dar. Gerade zu den Dienstleistern zählen häufig digital-affine Start-ups und Unternehmen aus der Kreativwirtschaft, die beispielsweise von einer branchenimmanenten Krise aus dem produzierenden Gewerbe nur wenig betroffen wären.

Flächenknappheit als Sicherheitsfaktor
Aktuell besteht jedoch wesentlich mehr Interesse an Unternehmensimmobilien als Mietkapazitäten am Markt zur Verfügung stehen. Der weiter steigende Nachfrageüberhang und die damit zunehmende Vermietungswahrscheinlichkeit der Objekte senken das Risiko für Projektentwickler und Investoren enorm.

Doch auch diejenigen Bestandshalter, die bereits über reine Büroobjekte verfügen, können sich an den Merkmalen revitalisierter Gewerbecampus und Unternehmensimmobilien orientieren – sei es in Form einer architektonisch ungewöhnlichen Sanierung mit Rohbau-Charme und freigelegten Ziegelsteinen oder auch durch Food-Trucks auf dem Vorplatz, die zum neuen Versammlungspunkt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden.

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*) Holger Matheis, Vorstandssprecher BEOS AG