Digital Health ist die Übersetzung bewährter medizinischer Ansätze in ein digitales Zeitalter. Mediziner kommen traditionell über eine Reihe von Ja-/Nein-Fragen zu einem bestimmten Ergebnis, etwa einer Diagnose – ein Algorithmus tut nichts anderes. Trotzdem eröffnet die digitale Abbildung medizinischer Kenntnisse und Verfahren großes Potenzial: Digitale Lösungen sind effizienter als der Mensch, sie können medizinische Dienstleistungen stärker personalisieren, sie überbrücken Distanzen, machen Gesundheitsversorgung auch in strukturschwachen Gebieten verfügbar, und sie reagieren individueller auf die Informations- und Kommunikationsbedürfnisse von Patienten. Nicht zuletzt versprechen sie Skaleneffekte und Einsparungen.
Diese Eigenschaften machen Digital Health zu einem Game Changer, und zwar weltweit: In den Industrienationen kann sie Lösungsansätze für Zivilisationskrankheiten oder alternde Gesellschaften bieten, in anderen Regionen der Welt medizinische Grundversorgung für alle verfügbar machen. Die relevantesten Sub-Kategorien sind aktuell analytische Verfahren – einschließlich der Nutzung von Bildanalysetechniken und künstlicher Intelligenz –, biomedizinische Sensoren, personalisierte Gesundheits-Tracking Tools sowie Lösungen zur Optimierung des klinischen Workflows.
Wachsendes Segment
Dabei trifft die Digitalisierung im Gesundheitssektor auf eine Branche, die ohnehin schon zu den am schnellsten wachsenden der Welt gehört. Mit einem Anteil von bis zu zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes der meisten entwickelten Staaten macht das Gesundheitswesen einen enormen Teil der Wirtschaftsleistung einer Industrienation aus. Der Wachstumsprognosebericht von Graphic Research schätzt den Digital-Health-Markt in Europa bis 2025 auf über 173 Mrd. US-Dollar und geht von einer jährlichen Wachstumsrate von 39% aus.
2018 wurden in den USA fast 8,1 Mrd. US-Dollar in den Digital-Health-Sektor investiert – eine Steigerung von rund 40% gegenüber dem Betrag im Jahr 2017, der mit 5,7 Mrd. US-Dollar ebenfalls einen Rekord darstellte. Unter den 368 digitalen Gesundheitsdeals, die in dem Jahr in den USA abgeschlossen wurden, lag die durchschnittliche Runden-Größe bei 21,9 Mio. US-Dollar. Zumindest die Hälfte der Deals war im Bereich der Frühphase, also Seed, Series A, angesiedelt.
Für Europa ist die Datenlage bei Digital-Health-Investments noch nicht so granular wie in den USA. Soweit vergleichbar lag in Europa das im Jahr 2018 in Digital-Health-Unternehmen investierte Kapitalvolumen bei etwa 6,5 Mrd. US-Dollar.
Auch staatliche Gesundheitssysteme setzen große Hoffnungen in digitale Lösungen im Gesundheitssektor. Vor allem aus dem Antrieb heraus, dass die Gesundheitsausgaben in den meisten entwickelten Ländern deutlich stärker steigen als die Inflation. Diese zunehmende Finanzierungslücke lässt sich in den meisten staatlichen Gesundheitssystemen mit traditionellen Produktivitätshebeln nicht mehr schließen, denn vielerorts haben eine Reihe von Reformen dem Gesundheitswesen alle möglichen Einsparungen bereits abgetrotzt. Technologie ist hier der einzige Weg nach vorne, umso mehr, wenn der Staat nicht nur sparen, sondern gleichzeitig die Qualität der Patientenversorgung kontinuierlich verbessern will.
Kein einfacher Zugang für Investoren
Dementsprechend zeigen mittlerweile sowohl private als auch institutionelle Investoren großes Interesse an digitalen Gesundheits-Technologien und versuchen internes Know-how aufzubauen. Doch das gestaltet sich für die meisten Investoren alles andere als einfach. Die „traditionellen“ Innovationssektoren wie Finanztechnologien, Marktplätze, Soziale Medien oder Saas-Modelle (Software as a Service) konnten ganz gut mit den bestehenden Talenten vieler Investmentunternehmen bedient werden. Digital-Health-Investoren aber benötigen Experten, die eine Kombination aus medizinischem und betriebswirtschaftlichem Know-how und dementsprechende Erfahrung mitbringen.
Denn gerade in dem frühen Unternehmens-Entwicklungsstadium, also die „Seed/Series A Phase“, in dem sich viele Anbieter und Dienstleistungen aktuell befinden, ist eine sinnvolle Einschätzung von Erfolgs- und Wachstumsaussichten ohne medizinischen Sachverstand praktisch unmöglich. Bislang geht es in erster Linie um Wagnisfinanzierung, also Venture-Capital-Investments. Die Investitionsvolumina bewegen sich noch nicht auf der Ebene anderer, schon etablierter Unternehmen, wie beispielsweise im Private Equity, und große Tickets sind bislang eher die Ausnahme.
Natürlich gibt es einige Talente, die mit diesen Technologien umgehen können, da sich in den letzten Jahren auch in der Aus- und Weiterbildung viel getan hat, etwa im Bereich der Datenanalyse. Doch auch viele schnell wachsende junge Unternehmen und etablierte Unternehmen der Gesundheitsbranche konkurrieren um diese Spezialisten. Die passenden Experten an Bord zu holen wird eine der größten Herausforderungen für Investoren sein, die sich mit diesem Sektor intensiv auseinandersetzen wollen.
Für Investoren bieten spezialisierte Venture-Capital-Fonds einen effektiven Zugang zur Branche. Das Angebot ist noch sehr überschaubar, dürfte in der Zukunft aber ähnlich schnell wachsen wie die Branche selbst. Als einer der ersten Anbieter hat APEX Ventures gerade einen Fonds aufgelegt, der sich ausschließlich dem Thema Digital Health verschreibt. Der Fonds APEX Digital Health legt einen Schwerpunkt auf junge Unternehmen in Deutschland und Österreich und bildet damit auch einen Beitrag dazu, die Digitalisierung der Gesundheitsbranche in Europa zu etablieren. Solche fokussierten Fonds, wie APEX Digital Health, bieten europäischen, insbesondere DACH-Investoren die Chance, in der noch jungen und vielversprechenden Industrie früh dabei zu sein, Innovationen und Forschung zu fördern. In Europa gibt es im Vergleich zu den USA noch vergleichsweise wenig dediziertes Kapital von institutionellen Finanzinvestoren für den Digital-Health Bereich, obwohl europäische technologische Innovationen hier ausgezeichnete Möglichkeiten bieten. Auch die Höhe der durchschnittlichen frühen Digital-Health Finanzierungsrunden in Europa sind attraktiv, weshalb US-amerikanische Investoren in Europa gerne zugreifen und sich an den Jung-Unternehmen – sowohl im Seed- als auch im Later-Stage-Bereich – erfolgreich beteiligen. Das Wachstumspotenzial ist riesig, die europäische Investorenbasis im Digital-Health-Sektor muss es noch werden.
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*) Dr. Gordon Euller (36) ist Facharzt für Radiologie und gründete schon während seines Studiums erfolgreich Unternehmen im Gesundheitsbereich. Er arbeitete als Unternehmensberater bei McKinsey und ist heute Partner bei APEX Ventures, einem internationalen Venture- Capital-Unternehmen mit Sitz in Wien und Frankfurt. Er leitet den APEX Digital Health Fund.