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Gastbeitrag: Der vergessene CO2-Hebel – Deutsche Senioren wollen ihre Häuser nicht sanieren

Die große Mehrheit deutscher Senioren wohnt in alten Häusern mit schlechter energetischer Bilanz. Eine Sanierung kommt für den Großteil von ihnen nicht infrage. Einigen fehlt das Geld, viele lehnen solche Maßnahmen generell ab. Nicht nur für die finanzielle Situation älterer Menschen in diesem Land, sondern auch für die inzwischen unumgänglich gewordene Energiewende ist das ein unhaltbarer Zustand. Wenn das energetische Potenzial deutscher Eigenheime gehoben werden soll, muss etwas geschehen.

Dr. Henryk Seeger

Deutsche Senioren sind sanierungsmüde – das ist das Kernergebnis einer repräsentativen YouGov-Umfrage unter Menschen ab 60 Jahren. Demnach wohnen 73% der älteren Menschen in Deutschland mit selbst genutztem Wohneigentum in Immobilien, die vor 1989 gebaut wurden – 39% der Häuser sind mit einem Erbauungsjahr vor 1969 sogar noch deutlich älter. Trotz des schlechten energetischen Zustands solch alter Gebäude haben nur 9% der Umfrageteilnehmer vor, ihre Immobilie sanieren zu lassen. Während 28% der Befragten aus finanziellen Gründen auf solche Maßnahmen verzichten, lehnen 55% diese generell ab.

Auch ein Umzug in ein energieeffizienteres Haus kommt nur für die wenigsten infrage: Lediglich 14% beantworteten diese Frage mit einem „Ja“. Für zwei Drittel der Befragten ist das kein Grund, um umzuziehen. Immerhin wäre ein gutes Drittel bereit, für eine Immobilie nach neuesten energetischen Standards mehr Geld auszugeben. Die Bereitschaft, in die energetische Qualität der Immobilie zu investieren, ist also bestenfalls überschaubar.

Und während alle Welt über die Solarpflicht auf Gewerbeobjekten diskutiert oder im Neubau den Energieeffizienzstandard KfW 55 oder gleich 40 vorschreiben möchte, fällt eine der größten CO2-Senken Deutschlands komplett durchs Raster: das Einfamilienhaus. Diese sind aufgrund der größeren Außenflächen im Verhältnis zur Wohnfläche meist eine Energieschleuder. In Deutschland gibt es 16,1 Millionen Einfamilienhäuser, die grob überschlagen mehr als 64,4 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Das ist knapp ein Zehntel der jährlichen deutschen Gesamtemissionen.

Zwischen acht und zehn Millionen der meist älteren Häuser befinden sich in den Händen von Senioren. Einer der größten Hebel im Klimaschutz besteht in der Sanierung von Einfamilienhäusern, nicht von großen Bürogebäuden oder Mehrfamilienhäusern. Ein wichtiges Puzzleteil für den Klimaschutz ist größtenteils im Besitz von Privatpersonen, oft höheren Alters, die sich eine energetische Sanierung nicht leisten können oder wollen – und das ist verständlich, sie ist alles andere als billig.

Aber allein über einen Sprung der Effizienzklasse von E auf D, also bei der Sanierung eines vergleichsweise energieeffizienten Einfamilienhauses, lassen sich zwischen 20% und 30% der Emissionen einsparen. Hochgerechnet sind das auf einen Schlag zwischen zwei und drei Prozent der deutschen Gesamtemissionen. Natürlich ist der Hebel größer, je schlechter die energetische Ausgangslage der Immobilie ist. Es lohnt sich daher besonders, Angebote für Seniorenhaushalte und Eigentümerhaushalte zu schaffen, die einer Sanierung bisher aus Kostengründen skeptisch gegenüberstanden.

Gelder für die Klimawende mobilisieren
Doch um diesen Hebel zu nutzen, bedarf es gigantischer Investitionen. Zwischen 5.000 und 50.000 Euro können pro Objekt mit Sicherheit fällig werden. Bei 25.000 Euro würden allein 402,5 Mrd. Euro benötigt, um den Einfamilienhausbestand energetisch auf Vordermann zu bringen. Würde man in jedem Einfamilienhaus lediglich die oberste Geschossdecke dämmen oder einige Fenster austauschen, wären es immer noch 80,5 Mrd. Euro. Weder staatliche Fördermittel noch die Brieftasche der Hauseigentümer und der Senioren geben das her. Es braucht privates Geld.

Wie das gehen kann, sehen wir in Ansätzen in den USA. Dort kaufen institutionelle Investoren Einfamilienhäuser und vermieten sie weiter. In Deutschland fließt hingegen kaum institutionelles Geld in den Einfamilienhausmarkt und dessen energetische Ertüchtigung. Das liegt zum einen daran, dass der Markt sehr fragmentiert und wenig einheitlich ist. Zum anderen scheuen viele Investoren den vermeintlichen Verwaltungsaufwand – dabei ist es eine gute Gelegenheit, das Portfolio, um ein Impact-Investment zu erweitern, welches diesen Namen verdient. Als Vehikel können dabei entweder Fremdkapitalkonstruktionen in Form von Minikrediten oder verschiedene Arten der Immobilienverzehrprodukte dienen, bei denen eine Immobilie zwar verkauft, aber weiter bewohnt wird. Die Möglichkeiten, die CO2-Senke Einfamilienhaus zu nutzen, sind längst da – es gilt, die Gelegenheit zu ergreifen.

Einfamilienhäuser sind seit Jahren der Hidden Champion des Immobilienmarktes
Laut Statista gab es 2021 16,1 Millionen Einfamilienhäuser in Deutschland, der durchschnittliche Quadratmeterpreis liegt nach Zahlen von immoverkauf24 bei etwa 2.736 Euro und die Durchschnittsgröße bei 135 Quadratmetern. Somit ergibt sich rein rechnerisch ein durchschnittlicher Verkaufspreis von 370.000 Euro pro Einfamilienhaus und ein potenzieller Markt von sechs Billionen Euro. Wenn nur eine Million Einfamilienhäuser auf den Markt kämen, entspräche das einem Volumen von 370 Mrd. Euro.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben sich die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser bundesweit zwischen 2010 und 2021 um etwa 84% verteuert. Gleichzeitig ist der Bestand an Einfamilienhäusern in Deutschland stark begrenzt: Viele Kommunen erteilen keine Baugenehmigungen mehr, das Bauland ist ohnehin knapp und die Preise hoch – und sie werden noch steigen. Auch die Mieten liegen verglichen mit Mietwohnungen deutlich höher, so sind es immowelt zufolge bei Häusern in der Größe zwischen 90 und 150 Quadratmetern 10,20 Euro bis 10,70 Euro pro Quadratmeter, bei Wohnungen sind es gemäß dem Statistischen Bundesamt selbst in Großstädten lediglich 8,30 Euro.

Wer sich als Investor an diesem schnell wachsenden Markt beteiligt, sollte das jetzt tun, wo nur wenige Profis in den Markt reinschnuppern.

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*) Dr. Henryk Seeger ist Geschäftsführer der GNIW Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft.