Was in der Fachdebatte jedoch nicht so präsent war: Das KfW-40-Fördermodell ist damit nicht abgeschlossen. Weiterhin ist eine KfW-Förderung für Neubauimmobilien möglich – nach dem rasanten Ende der ersten Stufe greift ab sofort bereits die zweite. Doch mit der zweiten und ab dem 1. Januar 2023 in Kraft tretenden dritten Stufe verschärfen sich auch die Förderbedingungen. Im laufenden Jahr 2022 ist eine Förderung nur noch für Gebäude mit Nachhaltigkeitsklasse im Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) möglich – ab 2023 spitzen sich die Auflagen weiter zu. Parallel dazu wird außerdem das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das den Mindeststandard festlegt und somit als Richtwert für die KfW-Kriterien gilt, weiter angepasst. Der Run von Investoren und Projektentwickler auf die Fördermittel wird also weiterhin bestehen bleiben. Dabei besteht gleich doppelter Zeitdruck: einerseits durch die Fördermittel und andererseits deshalb, weil die entsprechenden Dienstleister oft lange Wartelisten haben.
QNG-Zertifizierungen bisher nur für Büro- und Wohnimmobilien
Vor Herausforderungen stehen derzeit vor allem Projektentwickler und Investoren, die sich außerhalb des Wohn-, Büro- oder Bildungsbausegments bewegen. Denn derzeit werden die für die weiteren KfW-Förderungsstufen erforderlichen QNG-Zertifikate nur für diese beiden Assetklassen ausgestellt. Was passiert also mit anderen Assetklassen wie dem Hotel- und Retail-Segment, die ohnehin unter der Pandemie bereits gelitten haben?
Die QNG-Zertifizierung für diverse Assetklassen kommt, das „Wann“ ist jedoch unbeantwortet. Doch mit der sich ständig verändernden Förderwelt ist oftmals unklar, wie weit vorausgeplant werden muss. Das löst bei den betroffenen Akteuren oftmals große Unsicherheit aus: Wie soll mit bestehenden Konzepten und zukünftigen Planungen umgegangen werden, um am Ende hohe Umplanungs- und Opportunitätskosten einzusparen – zukünftig könnte ein gewisser finanzieller „Nachhaltigkeitspuffer“ unumgänglich werden. Jedoch sollten solche Überlegungen bereits früh im Projektzyklus und womöglich mit externer Unterstützung entschieden werden.
Über DGNB hinaus: Die letzten zehn Prozent Nachhaltigkeit sind entscheidend
Grundsätzlich lassen sich aktuelle Entwicklungsprojekte grob in zwei verschiedene Kategorien einteilen. Zum einen gibt es diverse Projekte, bei denen eine Nachhaltigkeitszertifizierung direkt in der Erstellung ihres Konzepts eingeplant und angestrebt war – sei es ein DGNB-Gold- oder sogar -Platin-Standard. In diesem Fall muss keine konkrete Umplanung stattfinden, um den Anforderungen gerecht zu werden. Doch im Hinblick auf die neuen Anforderungen sollte beachtet werden: Die reine DGNB- oder alternativ BNB-Zertifizierung ist für die Förderung lediglich eine Grundvoraussetzung – das Objekt muss darüber hinaus auch die QNG-Zertifizierungsstandards aufweisen können.
Das bedeutet also, dass trotz bewilligter DGNB-Zertifizierung erst 90% des Weges geschafft sind. Bei den letzten zehn Prozent müssen vor allem die entsprechenden Ökobilanzen beachtet werden. Bei der CO2-Bilanzierung geht es nicht um die Errichtung sowie den Betrieb, sondern vor allem um den Rückbau des Gebäudes. Dabei sind auch die Emissionen, die durch die Materialien in die Luft abgegeben werden, entscheidend. Es gilt also weiterzudenken und auf eine mögliche QNG-Konformität zu prüfen, um sich die zweite Stufe der KfW-Fördermittel bis Jahresende 2022 zu sichern.
Andererseits: Pre-Check-ups sind unbedingt notwendig
Für die andere Gruppe wird es komplizierter: Nach wie vor gibt es zahlreiche Projekte, bei denen bislang noch keine DBNG- beziehungsweise BNB-Zertifizierung angestrebt war. Dort besteht Handlungsbedarf: Sollten dahingehend noch keine Schritte eingeleitet worden sein, sollte schnellstmöglich ein DNGB-Pre-Check angestrebt und benötigte Maßnahmen eingeleitet werden.
Angesichts des enormen Ansturms auf die enstprechenden Fördermittel und dem damit verbundenen Bedarf an QNG- und DGNB-Zertifizierung entstehen jedoch lange Warteschlangen bei den entsprechenden Auditoren. Denn de facto sind diese nicht in ausreichender Zahl verfügbar, um innerhalb kürzester Zeit die Masse an Prüfungen durchzuführen – besonders bei den QNG-Check-ups werden verfügbare Zeitfenster weiter in die Ferne rücken.
Dennoch sollte sich keine Panik breitmachen, denn sämtliche Förderungen dienen eigentlich nur einem Ziel: Bis spätestens 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Damit dieses große Net-Zero-Ziel erreicht werden kann, muss es bis dahin immer eine Art der Förderung geben. Das bedeutet, auch wenn die erste oder auch die zweite Stufe verpasst wurde, muss die Chance auf Förderung nicht aufgegeben werden. Es kann also sinnvoll sein, gleich auf die dritte KfW-Förderstufe ab 2023 zu setzen, bevor das Gebäude im Nachhinein noch einmal umgeplant werden muss.
Weiterdenken und zukunftsorientiert planen
Für die mittelfristige Förderung in der dritten Stufe muss ein besonderes Augenmerk auf den nachhaltigen Baubetrieb sowie Rückbau des Gebäudes gelegt werden. Hierbei gilt es, die „graue“ Energie zu beachten und Nachhaltigkeitsstandards über den gesamten Lebenszyklus der Immobilie hinweg zu berücksichtigen und einzuplanen. Darüber hinaus gilt es, derzeitige Förderstandards weiterzudenken. Beispielsweise sind auch Cradle-to-Cradle-Konzepte, welche die richtige Trennbarkeit von Materialien voraussetzen, wichtige Schritte in Richtung Zukunft und werden vermehrt Einfluss erhalten.
Wer also auf Nummer sicher gehen und sich zukunftsorientiert aufstellen möchte, der sollte über den GEG-Standard hinausgehen. Es werden KfW-40-Gebäude mit DGNB-Standard und eingeschlossenen QNG-Kriterien benötigt, die bestenfalls die Rückbaubarkeit im Sinne des Cradle-to-Cradle-Gedankens beachten. Es ist schon jetzt eindeutig ratsam, einen derartigen Pre-Check-up zu veranlassen. Denn nur wer vorausschauend plant und baut, kann einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltige Zukunft gehen und von entsprechenden Fördertöpfen profitieren.
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*) Dr. Georg Hellinger, Senior-Planungsleiter, Drees & Sommer