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Gastbeitrag: Misstrauen gegenüber Bankanalysten!

Warum Bankensterben meist unvorhersehbar ist und falsch eingeschätzt wird.

Jérémie Boudinet

Banken sind der bei weitem größte Sektor auf den Unternehmensanleihemärkten¹. Dennoch bleibt er ein Nischensegment, in dem Analysten nur Meteorologen sind, die nie wirklich vorhersagen können, wie, wann oder warum eine Bank sterben könnte.

Im Gegensatz zu Nicht-Finanzunternehmen gehen Banken nicht wirklich pleite
Banken „sterben“ nie wirklich oder machen Konkurs. Sie sind wirtschaftlich zu relevant und zu anfällig für Ansteckungsrisiken, um wirklich in Konkurs zu gehen, wie es bei einem normalen Nicht-Finanzunternehmen der Fall wäre. Banken können „abgewickelt“, „unter Aufsicht der Zentralbank“ gestellt, „verstaatlicht“ oder zu einem symbolischen Preis an eine andere Bank verkauft werden. Es gibt zahlreiche Gesetze und Regularien, die das geordnete Sterben von Banken regeln. Diese wurden jedoch oft umgangen (z. B. bei mehreren deutschen Banken in den letzten Jahren) oder die Gesetze wurden über Nacht geändert, um den Regulierungsbehörden entgegenzukommen (z. B. bei der Credit Suisse).

Bankabwicklungen ähneln sich nie, und zwar aus einem Grund, der von Analysten und Investoren immer unterschätzt wurde: Es handelt sich in erster Linie um politische Entscheidungen, die auf die Erhaltung der Finanzstabilität abzielen. Für Anleiheinvestoren hat dies jedoch Folgen: Je nachdem, in welche Anleiheklasse man investiert ist (klassifiziert nach Nachrangigkeit, d. h. wie wahrscheinlich es ist, dass Verluste entstehen), ist das Abwicklungsergebnis weder immer logisch noch leicht abzuschätzen.

Warum sterben Banken und wie können wir es vorhersagen oder uns zumindest davor schützen?
Banco Popular und Credit Suisse zeigen, dass Bankenzusammenbrüche relativ schnell eintreten und viele Investoren überraschen können, da sie keinen klassischen „Unternehmensumstrukturierungsprozess“ durchlaufen können. Es lässt sich außerdem ein Muster erkennen: Banken sterben immer aufgrund von Bank-Runs (d. h. Einlagenflucht) und nicht aufgrund von Solvenz- oder Profitabilitätsproblemen.


Quelle: La Française AM

Woher weiß man jedoch, ob eine Bank aufgrund einer Liquiditätskrise zusammenbrechen wird oder nicht? Wie verlässlich sind all die Zahlen, die von Bankanalysten zu Solvenz- und Liquiditätskennzahlen angegeben werden, wenn eine Bank doch innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen kann? Diese Fragen lassen sich in mehrere Kategorien unterteilen:

- Profitabilitätsfragen und Risiken bei Vermögenswerten: Die Erzielung von Nettogewinnen ist der gängigste Weg, um höhere Eigenkapitalquoten zu erreichen, die es den Banken wiederum ermöglichen, schwerere makroökonomische oder idiosynkratische Schocks zu überstehen. Natürlich ist dies für die Aktionäre viel wichtiger als für die Anleiheinhaber, die lediglich Interesse daran haben, dass die Bank auch in Zukunft liquide bleibt. Manche Banken können über mehrere Jahre hinweg negative Nettogewinne verzeichnen und trotzdem überleben (Natwest, die frühere Royal Bank of Scotland, hat acht Jahre lang in Folge Verluste gemacht, ohne dass es zu einer Liquiditätskrise kam).

- Kontroversen und rechtliche Probleme: Mehrere Banken waren in den letzten 15 Jahren in verschiedene Betrugsfälle verwickelt. Die Deutsche Bank war bekannt für ihre Verwicklung in die meisten dieser Skandale, was sie 2016 sogar kurz vor den Zusammenbruch brachte. Auch die BNP Paribas erhielt 2013 von den US-Behörden eine saftige Strafe von 9 Mrd. US-Dollar, konnte diese aber verkraften. Diese Fälle belasten nicht nur die Profitabilität: Sie zeigen, dass es an einer guten Unternehmensführung mangelt und das Vertrauen möglicherweise nicht wiederhergestellt werden kann, wenn nicht entschlossene Maßnahmen ergriffen werden.

- Solvenzprobleme: Die europäischen Banken wurden in den letzten zehn Jahren von den Aufsichtsbehörden und den Regierungen gezwungen, höhere Eigenkapitalquoten aufzubauen. Diejenigen, die dazu nicht in der Lage waren, mussten mit anderen Instituten fusionieren, was zu einer viel stärkeren Konzentration des Sektors führte. Sollte eine Bank ihre Solvabilitätsanforderungen nicht erfüllen, wird die Aufsichtsbehörde sie zu einer Kapitalerhöhung, zum Verkauf von Geschäftsbereichen oder zur Fusion mit einem anderen Institut zwingen. Eine Bank mit niedrigen Solvabilitätskennzahlen stellt eine Bedrohung für ihre Investoren dar, die möglicherweise zurückhaltender werden, ihr auf den Anleihemärkten Geld zu leihen. Die Zentralbank ist jedoch immer da, um bei Bedarf Liquidität bereitzustellen, es sei denn es gibt…

- Liquiditätsprobleme und Einlagenflucht: Hier können die Dinge sehr schnell aus dem Ruder laufen. Eine Bank kann noch so viel Kapital und Gewinn haben, das Misstrauen ihrer Kunden und Gegenparteien kann sie jedoch nicht verkraften. Einlagenflucht ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung und ein Teufelskreis, bei dem die Kunden so schnell wie möglich abspringen wollen. Eine Zentralbank kann als „Kreditgeber der letzten Instanz“ fungieren, aber sie wird nicht bereit sein, täglich Hunderte von Millionen an Bargeld zu verbrennen, nur um eine Bank über Wasser zu halten. Außerdem wollen Aufsichtsbehörden und Zentralbanken Ansteckungsrisiken so schnell wie möglich eindämmen, um eine Systemkrise zu vermeiden.

Faktoren, die zum Untergang einer Bank führen (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung von links nach rechts)


Quelle: La Française AM

Fazit: Sind wir wirklich so machtlos?
Die Betrachtung von Kreditkennzahlen (Profitabilität, Asset-Qualität, Solvenz- und Liquiditätskennzahlen) reicht nicht aus, um zu beurteilen, ob eine Bank das Risiko eines Liquiditätsengpasses tragen kann. Diese Kennzahlen spielen sicherlich eine Rolle, denn die Ursache eines Zusammenbruchs kann immer auf eine schlechte Unternehmensführung zurückgeführt werden, die zu Bilanzproblemen und/oder Kontroversen führt. Die Stabilität eines Bankensystems ist jedoch zu eng mit der Politik und der Geldpolitik verknüpft, als dass sich die Investoren ausschließlich auf die Quartalszahlen der Finanzinstitute verlassen könnten.

Investoren und Analysten sind aber nicht machtlos. Der Blick über den Tellerrand der Finanzkennzahlen hinaus ist notwendiger denn je, denn Einlagenflucht entsteht aus dem Misstrauen, das sich wiederum aus der Unternehmensführung ergibt. Die Analyse ist zeitaufwendig und mühsam, so dass die Investoren zwei Möglichkeiten haben: Sie können entweder weiterhin auf „gute hochwertige Namen“ setzen oder ihr Glück bei der Suche nach höheren Renditen versuchen und dabei riskieren, etwas oder alles zu verlieren, wenn sie nicht vorsichtig genug sind.

¹Bankanleihen machen 31 % der europäischen Investment-Grade-Märkte aus (Quelle: Bloomberg Euro-Aggregate Corporates Index im August 2023)

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*) Jérémie Boudinet, Head of Investment Grade Credit Portfolio Management, La Française AM

Disclaimer: Nachrangige Anlagestrategien sind nur für professionelle Investoren verfügbar. Nicht-professionelle Kunden (negativer Zielmarkt) sind ausgeschlossen. Diese Strategien sind für nicht-professionelle Investoren nicht zugänglich, es sei denn, sie erhalten eine professionelle Anlageberatung UND die Investition in die Strategie dient ausschließlich dem Zweck der Diversifizierung oder es wurde ein Mandat unterzeichnet.

Die von der La Française Gruppe geäußerten Meinungen beruhen auf den aktuellen Marktbedingungen und können sich ohne Vorankündigung ändern. Diese Meinungen können von denen anderer Anlageexperten abweichen. Herausgegeben von La Française AM Finance Services mit Sitz in 128 Bld Raspail, 75006 Paris, Frankreich, einem von der Autorité de Contrôle Prudentiel als Wertpapierdienstleistungsunternehmen regulierten Unternehmen, Nr. 18673 X, einer Tochtergesellschaft von La Française. La Française Asset Management wurde von der AMF unter der Nr. GP97076 am 1. Juli 1997 zugelassen.