Die globale Finanzkrise hat einen erheblichen Anteil am Private Credit-Boom, da eine strengere Bankenregulierung, höhere Kapitalanforderungen und Änderungen in der Kreditbuchhaltung dazu führten, dass sich viele regulierte Kapitalgeber aus dem Spezialkreditgeschäft zurückzogen.
Seither hat jede weitere Krise die Anlageklasse nur noch attraktiver gemacht. Die europäische Staatsschuldenkrise, das „Taper Tantrum“ in den USA – als die US-Notenbank mit der Ankündigung, ihre ultraexpansive Geldpolitik zurückzunehmen, eine Schockwelle an den Finanzmärkten auslöste – und die Coronakrise gaben dem Private Credit-Markt zusätzlichen Anschub. Angetrieben durch das fundamentale Ungleichgewicht zwischen Kreditangebot und -nachfrage auf beiden Seiten des Atlantiks boten private Kreditgeber höhere Kapazitäten, mehr Effizienz und Unabhängigkeit von externen Ratingagenturen.
Jüngste Entwicklungen bestätigen Wachstumstrend
Die jüngsten makroökonomischen Herausforderungen – der Inflationsdruck und der Krieg in der Ukraine – haben diesen Trend erneut bestätigt. Zudem sollte die Private Credit-Story im Kontext eines großen übergreifenden Trends betrachtet werden – der anhaltenden Outperformance der privaten Märkte gegenüber den öffentlichen Märkten. Dabei sticht Private Credit auch in diesem Kontext heraus: Das in dieser Anlageklasse verwaltete Vermögen ist seit 2000 um den Faktor 38,4 gestiegen, verglichen mit nur 3,3 für die öffentlichen Märkte insgesamt. Mit dem deutlichen Rückgang der Aktivität an den liquiden Märkten eröffnete sich die Möglichkeit für private Kreditgeber einzuspringen.
Deutlich günstigeres Risiko-Rendite-Profil als liquide Märkte
Auch in dieser neuen Phase der „Substitution liquider Märkte“ bietet Private Credit Investoren immer noch ein deutlich günstigeres Risiko-Rendite-Profil als liquide Märkte, vor allem in dreierlei Hinsicht.
Erstens: Wenn die Basiszinssätze steigen, stellt die variable Verzinsung von Direktkrediten (die den größten Teil der Anlageklasse Private Credit ausmachen) eine wesentliche Absicherung dar. Im Gegensatz dazu verlieren die meisten festverzinslichen Anleihen an Wert, wenn die Zinsen steigen. Zweitens: In einem Umfeld sinkender Zinsen profitieren Direktkredite von Zinsuntergrenzen, die eine Mindestverzinsung gewährleisten. Sowohl in Europa als auch in den USA sind die Private Credit-Margen mit einem Aufschlag von 200 bis 300 Basispunkten gegenüber den liquiden Märkten weiterhin sehr hoch. Drittens: Gegenüber den liquiden Märkten profitiert Private Credit in beiden Regionen ganz überwiegend von einem umfangreichen Gläubigerschutz (Covenants). Das ist ein grundlegender Vorteil, da Gläubigerschutzklauseln Private Credit Managern das Recht geben einzugreifen und Maßnahmen einzuleiten, wenn die Performance nicht stimmt. Zudem sind Private-Credit-Manager häufig in der Lage, bessere Konditionen und Preise auszuhandeln, und das bei umfassenderen Prüfungen als an den liquiden Märkten.
Aus Anlegersicht halten wir das mittlere bis obere Segment des Private Credit-Marktes für am attraktivsten – hier bieten sich in der Regel bessere Anlageopportunitäten bei einem geringeren Wettbewerb. Kurzfristig sehen wir bedeutende Opportunitäten durch ein Volumen von 370 Mrd. US-Dollar an fällig werdenden Darlehen an den öffentlichen Kreditmärkten, die in den nächsten Jahren refinanziert werden müssen.
Die Branche steht zweifellos vor Herausforderungen. Der makroökonomische Gegenwind hat zwar etwas nachgelassen. Über den Berg ist die Weltwirtschaft deshalb aber noch nicht. So ist klar, dass die Zinsen noch mindestens ein bis zwei Jahre erhöht bleiben könnten, und der plötzliche Anstieg der Zinskosten macht den Kreditnehmern zu schaffen. Kreditgeber und Kreditnehmer werden schwierige Gespräche über eine nachhaltige Gestaltung der Kapitalstruktur führen müssen.
Kreditnehmer v.a. aus defensiven Branchen
Vor diesem Hintergrund werten wir es als positiv, dass der Anteil der Kreditnehmer aus defensiven Branchen im Private Credit-Segment deutlich größer ist als auf Gesamtmarktebene, dass die Anlageklasse stärkere strukturelle Absicherungen aufweist als die liquiden Märkte und dass Private Credit-Manager häufig entschlossener durchgreifen können, als es für ein großes Konsortium unterschiedlicher Kreditgeber jemals möglich wäre. Private Credit betraf in der Vergangenheit vor allem nichtzyklische Branchen wie Unternehmensdienstleistungen, Technologie und Gesundheit betraf. An den liquiden Märkten dagegen entfällt ein größerer Anteil der Kreditvergabe auf Unternehmen aus den Bereichen Konsumgüter, Freizeit und Einzelhandel, die in der Regel stärkeren zyklischen Schwankungen unterliegen.
Der US-amerikanische und der europäische Markt weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten in Bezug auf ihre Struktur und ihren Ausblick auf. Es gibt aber auch Unterschiede. Beispielsweise hat Europa, im Gegensatz zu den USA, kein weitgehend homogenes Rechtssystem, sondern unterschiedliche Rechtsordnungen. Um an diesem Markt erfolgreich zu agieren, müssen sich Manager daher gut mit den Eigenheiten der verschiedenen Rechtssysteme auskennen. In den USA ist die Disintermediation – die Substitution regulierter Banken durch Kreditgeber außerhalb des Bankensektors – bereits weiter fortgeschritten als in Europa. Dadurch ist das verwaltete Vermögen von Private Credit-Strategien in Europa seit 2012 schneller gewachsen als in Nordamerika: um 21% gegenüber 13% pro Jahr.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen USA und Europa
Bis zur Entwicklung der neuen Anlageklasse Private Credit nach der globalen Finanzkrise hatten Unternehmen in Europa keine Alternative zu Bankkrediten. In den USA dagegen können sich größere mittelständische Unternehmen (aus dem sogenannten „Upper Middle Market“) bereits seit langem über Anleihen, Privatplatzierungen und Business Development Company (BDC) Kredite finanzieren. Der vorherrschende Trend in diesem Zeitraum war eine Substitution der Banken durch andere institutionelle Investoren wie Private Credit-Manager. Die relative Marktanteilsverteilung hat sich seit 2008 komplett gedreht – in Europa und den USA entfallen mittlerweile weniger als 25% aller Finanzierungen auf Banken.
Die Höhe der Kapitalaufnahme ist in beiden Regionen im Schnitt deutlich gestiegen. In Europa lagen die durchschnittlichen eingeworbenen Mittel im Jahr 2022 um das 1,7-Fache über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. In Nordamerika war es das 1,6-Fache und in der Betrachtung seit Jahresanfang 2023 sogar das 2,4-Fache.
Viel Potenzial für weiteres Wachstum
Im Zuge des Reifungsprozesses der Private Credit-Märkte sehen wir noch viel Potenzial für weiteres Wachstum. Was das verwaltete Vermögen angeht, klafft immer noch eine große Lücke zwischen Private Credit und Private Equity. Dass sich Private Credit als Finanzierungsbaustein einer großen Mehrheit der Private Equity-Transaktionen etablieren könnte, ist durchaus denkbar. Geht man von einer Beleihungsquote (LTV) von 50% aus, dürften die AUM von Private Credit daher mit denen von Private Equity gleichziehen.
Da Private Equity-Firmen im Vergleich zu Private Credit-Fonds über rund das Sechsfache an nicht investiertem Kapital (Dry Powder) verfügen, sollte die Nachfrage nach Private Credit-Lösungen ungebrochen hoch bleiben. Laut einer Preqin-Prognose wird das Private Credit-Volumen von 2022 bis 2028 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 11,1% auf ein Allzeithoch von 2,8 Bio. US-Dollar ansteigen und sich damit gegenüber dem Wert von 1,5 Bio. US-Dollar im Jahr 2022 fast verdoppeln.
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*) Randy Schwimmer, Co-Head of Senior Lending bei Churchill Asset Management, und Mattis Poetter, Partner und Co-CIO bei Arcmont Asset Management, beide Teil von Nuveen Private Credit