Die meisten denken wahrscheinlich zuerst an Energie und Strom, wenn von Sektoren die Rede ist, die beim Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft eine zentrale Rolle spielen. Ein weiterer wichtiger Bereich in diesem Zusammenhang ist der Transportsektor. Hier ist die Dekarbonisierung in ganz Europa noch kaum vorangekommen. Daher sehen wir Möglichkeiten, dieses Problem durch Investitionen anzugehen – auch in Deutschland.
Finanzierung von Infrastruktur
Beide Seiten können davon profitieren: Private-Debt-Investoren können einerseits maßgeschneiderte Finanzierungslösungen für Kreditnehmer anbieten, die derzeit nicht in der Lage sind, die öffentlichen Märkte zur Kapitalbeschaffung zu nutzen.
Andererseits bietet dies Anlegern die Möglichkeit, ein Risiko-Rendite-Profil aufzubauen, das sich auf den öffentlichen Kapitalmärkten nicht so leicht erschließen lässt. Das Portfolio profitiert potenziell durch eine weitere Diversifizierung und von den mit Private Assets verbundenen Prämien. Auch nicht-finanzielle Ergebnisse, wie beispielsweise die Erreichung von Dekarbonisierungszielen, können durch maßgeschneidertes Reporting gemessen und überwacht werden.
Direktinvestitionen mit Hilfe von Private Debt ermöglichen es zudem, je nach Art des Investors unterschiedliche Anlageprofile anzustreben. So kann beispielsweise Versicherungskapital im Rahmen von Solvency II in langfristige Vermögenswerte mit Investment-Grade-Qualität investiert werden, also in Vermögenswerte mit einer langen Laufzeit und einem soliden Nachfrageprofil. Pensionsfonds hingegen könnten mit ihren Investmententscheidungen auf höhere Renditen abzielen, indem sie ihr Kapital in Vermögenswerten mit einem erhöhten Risikoprofil einsetzen.
Stellschraube Transportwesen
Die Fortschritte bei der Dekarbonisierung des Transportsektors hinken anderen Bereichen in Europa hinterher. Tatsächlich emittiert dieser Sektor heute weitgehend ebenso viel CO2 wie im Jahr 2005¹.
Für die Dekarbonisierung des Verkehrs in Europa werden deshalb erhebliche Investitionen benötigt. BloombergNEF schätzt, dass für den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft bis 2050 allein dieser Sektor Investitionen in Höhe von 76 Billionen US-Dollar benötigt. Zum Vergleich: Für erneuerbare Energien werden 10 Billionen US-Dollar veranschlagt.
In Europa insgesamt ist sicherlich der Straßenverkehr der Bereich mit der größten Dringlichkeit. Sein Anteil an den gesamten CO2-Emissionen² dieses Sektors liegt bei 70-75% – ein Problem, das offenbar nur schwer in den Griff zu bekommen ist. Der Großteil dieser Emissionen stammt von Personenfahrzeugen mit 60-70% der Gesamtemissionen, der Rest entfällt auf den Güterverkehr.
Betrachtet man die vorgeschriebenen Emissionsbudgets speziell für Deutschland im Zeitraum 2020 bis 2030, wird klar, dass vor allem die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs in Angriff genommen werden muss. Diese Aufgabe gilt ebenso für den Schienenverkehr, der mit der zunehmenden Überlastung der Züge zu kämpfen hat und dessen Netz dringend weiter elektrifiziert werden muss. Die Dynamik schafft unserer Meinung nach eine große Chance für Private Debt, das in die Transportinfrastruktur investiert wird.
Die Private-Debt-Chance in Deutschland
Diese Chance wird mit einer Politik und Regulierung, die die CO2-Wende unterstützen, sogar noch größer. Wir sind allerdings der Meinung, dass Infrastruktur-Investments nicht allein von politischen Maßnahmen und Subventionen abhängig sein dürfen. Unserer Beobachtung nach wollen die Regierungen zwar den Wandel hin zu Netto-Null unterstützen, sind aber nicht unbedingt bereit, alles zu finanzieren. Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und privaten Investoren gewinnen somit an Bedeutung.
In Deutschland erwarten wir auf kurze Sicht, dass sowohl die Straßen- als auch die Schieneninfrastruktur das Ziel von Private-Debt-Investitionen sein werden. Im Bereich der Straßeninfrastruktur rechnen wir mit weiteren Finanzierungen von Ladenetzen für Elektrofahrzeuge. Die Unterstützung des Bundes im vergangenen Jahr³ für ein nationales Lkw-Schnellladenetz, das 95% der Bundesstraßen abdeckt, ist ein Beleg dafür.
Für den Schienenverkehr hat die deutsche Regierung den Bedarf an privatem Kapital bereits festgestellt. Nach Einschätzung des Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bahn⁴ werden in den nächsten zehn Jahren schätzungsweise 150 Mrd. Euro benötigt.
Längerfristig könnten sich auch in anderen Bereichen des Transportsektors Anlagemöglichkeiten ergeben. So könnte es sich lohnen, die Entwicklungen bei der Verwendung von nachhaltigem Flugbenzin (SAF) im Auge zu behalten, wobei auch grüner Wasserstoff eine Rolle spielen könnte. Der Langstrecken-Seeverkehr ist ebenfalls ein Bereich mit Potenzial. Hier könnte die Entwicklung von Schiffskraftstoffen auf Ammoniakbasis zukünftig für Investitionen interessant sein. Wie bei jedem neu entstehenden Bereich ist es unserer Meinung nach allerdings wichtig, sich darauf zu konzentrieren, dass neue Technologien skalierbar und für künftige Kunden grundsätzlich erschwinglich sind.
Fazit
Die Schaffung einer sauberen Energieinfrastruktur spielte bislang die Hauptrolle in den europäischen Dekarbonisierungsprojekten. Der Wandel zu einer CO2-armen Wirtschaft erfordert jedoch breit angelegte Investitionen in verschiedene Infrastrukturbereiche. Aus unserer Sicht ist der Transportsektor ein Schlüsselbereich, der angesichts der vergleichsweise geringen Fortschritte angegangen werden muss – insbesondere in Deutschland.
Die Politik wird die Dekarbonisierung des Transportsektors zwar unterstützen, aber nicht in vollem Umfang bezahlen (können). Für Private-Debt-Investoren ist das eine Gelegenheit, eine tragende Rolle bei der CO2-Reduzierung zu spielen.
¹ Quelle: UBA via Clean Energy Wire, Februar 2025
² Quelle: EUA, Oktober 2024
³ Quelle: Reuters, Juli 2024
⁴ Quelle: dpa, Januar 2025
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*) John Carey, Head of Infrastructure Debt Europe, und Miriam Uebel, Deputy Head of Europe – Institutional, im Asset Management bei Legal & General
Gastbeitrag: Private Debt - Chance für einen klimaneutralen Transportsektor

John Carey

Miriam Uebel