Institutionelle Anleger auf der ganzen Welt blicken dem Jahr 2023 mit gemischten Gefühlen entgegen und rechnen mit noch höheren Zinsen, Inflation und Volatilität als 2022. Dies geht aus einer Umfrage von Natixis Investment Managers (Natixis IM) unter 500 institutionellen Anlegern aus 29 Ländern hervor. Die überwiegende Mehrheit (85%) hält eine Rezession für unvermeidlich, wobei 54% glauben, dass diese notwendig ist, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen.
Die Investoren sehen in möglichen Fehlern der Zentralbankpolitik eine der größten Bedrohungen für die Wirtschaft. Die meisten (65%) sind der Meinung, dass eine Rezession gegenüber einer Stagflation, also einer Periode mit negativem BIP-Wachstum, verfestigter Inflation und steigender Arbeitslosigkeit, das kleinere Übel wäre.
Gleichwohl: Institutionelle Anleger sind auch 2023 gezwungen, tief zu graben; traditionelle 60/40-Portfolios gelten als nicht mehr ausreichend – und das, obwohl festverzinsliche Anlagen nach der Meinung von 72% der Investoren vor einem Comeback stehen und 56% allgemein optimistisch auf die Anleihemärkte blicken. Die Hoffnungen gerade der auf Anleihen angewiesenen Versicherer sind hoch: Rund die Hälfte (46%) von ihnen rechnet jetzt mit durchschnittlich 6,7% Rendite. Insgesamt wollen 77% der Befragten ihre durchschnittliche Renditeerwartung von 7,9% entweder beibehalten oder noch erhöhen.
„Trotz des starken wirtschaftlichen Gegenwinds sind die institutionellen Investoren bemerkenswert optimistisch für die meisten Anlageklassen und sehen inmitten der anhaltenden Marktverwerfungen opportunistische Wachstumschancen für aktive Manager“, sagt Sebastian Römer, Leiter DACH-Region und Osteuropa bei Natixis IM.
„Nach einem Jahrzehnt steigender Aktienkurse, die durch niedrige Zinsen angeheizt wurden, wird 2023 das Jahr sein, in dem der Markt wieder erkennt, dass Bewertungen wichtig sind und in dem die Argumente auch für traditionelle festverzinsliche Wertpapiere überzeugend sind.“
Marktausblick 2023
Während Inflation und steigende Zinsen für institutionelle Anleger die beiden Hauptrisikofaktoren für ihr Portfolio darstellen, nennen 57% der Befragten den Krieg als eine der größten Bedrohungen für die Weltwirtschaft – eine Einschätzung, die in Europa am stärksten ausgeprägt ist (68%). Eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China zählt ebenfalls zu den größten Bedrohungen: Eine Sorge, die von 47% der Investoren in Asien und nach den Zwischenwahlen sogar von 53% der Befragten in den USA geäußert wurde (25% vor den Zwischenwahlen). Letztlich glauben 65% der institutionellen Anleger weltweit, dass Chinas geopolitische Ambitionen zu einer Zweiteilung der Weltwirtschaft in eine Zwei-Welten-Ordnung führen werden, in der China und die USA die größten Einflusssphären darstellen.
Die Befragten sind geteilter Meinung darüber, wie sich die Politik auf die Wirtschaftsleistung auswirken wird: 53% rechnen mit einer sanften Landung und 47% mit einer Bruchlandung. 69% sind der Meinung, dass die Bewertungen der Unternehmen noch nicht die Fundamentaldaten widerspiegeln, aber 72% erwarten, dass die Märkte sich 2023 endlich mit der Erkenntnis abfinden werden, dass Bewertungen wichtig sind.
Mit Blick auf die Aktienmärkte sind 60% der Meinung, dass Large-Cap-Aktien besser abschneiden werden als Small-Caps, und dass die Outperformance am ehesten von den Sektoren Gesundheitswesen, Energie und Finanzen kommen wird. Die Sektoren zyklische Konsumgüter (42%) und Immobilien (47%) dürften sich wiederum schlechter entwickeln, da 2023 steigende Zinsen und sinkende Immobilienpreise zu erwarten sind.
Die Anleger sind überwiegend optimistisch in Bezug auf Private Equity (62%) und Anleihen (56%) und teilen sich in Bullen und Bären in Bezug auf Aktien und Private Debt auf. Bei Gewerbeimmobilien sind sie überwiegend pessimistisch (82%), wobei 61% der Meinung sind, dass die anhaltende Verbreitung von mobiler Arbeit und Homeoffice zu einem starken Wertverlust bei Gewerbeimmobilien führen wird.
Mit dem erneuten Interesse an Anleihen und dem Auslaufen der Ankaufsprogramme der Zentralbanken spielt Liquidität wieder eine wichtigere Rolle. Die Zahl der institutionellen Anleger, die Liquidität als eines der größten Portfoliorisiken im nächsten Jahr nennen, hat sich von 13% im Jahr 2021 auf 36% bei der diesjährigen Befragung fast verdreifacht.
Rendite im Jahr 2023: Anleger setzen auf ESG und Alternative Anlagen
Auch wenn die makroökonomischen Aussichten keine umfassenden Änderungen der Allokationsstrategien erwarten lassen, ergab die Umfrage, dass 53% der weltweit größten und erfahrensten Anleger ihre Portfolios aktiv durch taktische Allokationsmaßnahmen risikoärmer gestalten. Dabei ist eine Verlagerung auf Qualität bei festverzinslichen Wertpapieren und alternativen Strategien zu erkennen, um damit höhere Renditen, stabile Erträge und eine Absicherung gegen Abwärtsrisiken zu erzielen.
Die Allokation von alternativen Anlagen ist auch eine Taktik zur Risikominderung, denn zwei Drittel der Institutionen geben an, dass ein Portfolio, das sich aus 60% Aktien, 20% festverzinslichen Wertpapieren und 20% alternativen Anlagen zusammensetzt, wahrscheinlich besser abschneidet als traditionelle 60/40-Portfolios. Im Zuge dieser Verlagerung sind 62% der Meinung, dass ESG-Anlagen ein Alpha bieten, und 59% planen eine Erhöhung ihrer grünen Investitionen.
Die Hälfte der institutionellen Anleger, die weltweit Green Bonds besitzen, plant, ihre Investitionen zu erhöhen, während fast die gleiche Anzahl sagt, dass sie ihre derzeitige Allokation beibehalten wird. 68% der Investoren in Asien, die derzeit in Green Bonds investiert sind, geben an, dass sie ihre Allokationen erhöhen werden. Das Gleiche gilt für 54% in der EMEA-Region. Nur 4% planen, ihre Bestände zu reduzieren.
Auch wenn die Zinsen steigen, dürfte die jahrzehntelange Suche nach Rendite die Investmentteams noch immer verfolgen: Sechs von zehn (61%) geben an, dass sich ihre Organisation alternativen Anlagen zuwendet, um Rendite zu erzielen. Die meisten (44%) planen für 2023 eine Erhöhung der Allokationen in Infrastruktur, 43% planen eine Erhöhung der Allokationen in Private Equity und 36% in Private Debt.
60% geben an, dass ihre aktiven Anlagen in den letzten 12 Monaten besser abgeschnitten haben als ihre Benchmark und erkennen die Grenzen passiver Anlagen in Zeiten der Volatilität an. Angesichts der Aussichten glauben 74%, dass die Märkte im Jahr 2023 aktive Manager bevorzugen werden.
Die Anleger werden wahrscheinlich nach privaten Vermögenswerten Ausschau halten, um die Aktienseite der Portfolios zu entlasten, da etwa die Hälfte (48%) glaubt, dass die privaten Märkte in einer Rezession einen sicheren Hafen bieten werden. Das Vertrauen in die Fähigkeit der Anlageklasse, diese Rolle zu erfüllen, ist stetig gestiegen: Lag es in der Umfrage von Natixis IM im Jahr 2021 bei noch 35%, so waren in diesem Jahr bereits mehr als 45% der Befragten dieser Ansicht.
Bei den Aktien ist es am wahrscheinlichsten, dass die institutionellen Anleger ihre Allokation in US-Aktien (41%) erhöhen, gefolgt von Asien-Pazifik (33%) und Schwellenländern (33%).
Bei den Schwellenländern sehen die Investoren die besten Wachstumschancen in Asien, China ausgenommen. Zwei Drittel (66%) sind der Meinung, dass die Schwellenländer zu sehr von China abhängig sind, und 74% denken, dass Chinas geopolitische Ambitionen seine Attraktivität als Anlageziel verringert haben.