Die Invesco-Experten gehen davon aus, dass umfangreiche Zinssenkungen der meisten Zentralbanken Wirtschaft und Märkte über ihren zwölfmonatigen Prognosezeitraum stützen werden, geben jedoch zu bedenken, dass dies bereits eingepreist sein könnte. Beispielsweise seien die Spreads von Hochzinsanleihen enger, als es in dieser Phase des Zyklus zu erwarten sei. Auch seien die Aktienkurse in einigen Märkten nicht mehr weit von neuen Allzeithochs entfernt.
„Angesichts der Kursgewinne der letzten drei Monate und der niedrigeren Anleiherenditen rechnen wir auf Sicht der nächsten zwölf Monate auch mit niedrigeren Anlageerträgen und reduzieren das Risiko unserer Modell-Asset-Allokation weiter“, sagt Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research, Global Thought Leadership. „Wir glauben nicht, dass sich das Eingehen von Risiken in den nächsten zwölf Monaten auszahlen wird. Wir halten die Bewertungen inzwischen teilweise für überreizt und den Spielraum für weitere Zugewinne entsprechend begrenzt. Außerdem könnte es mit der weltweiten Wachstumsabschwächung kurzfristig zu einer höheren Marktvolatilität kommen. Auf der anderen Seite dürfte der erwartete rasche Rückgang der Zentralbankzinsen in den nächsten zwölf Monaten die Abwärtsrisiken begrenzen. Auch geopolitische Risiken und die bevorstehenden Wahlen werden unserer Ansicht nach keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben.“
Die GMS-Prognosen für die nächsten zwölf Monate gründen auf der Annahme, dass sich das weltweite BIP-Wachstum verlangsamt und anschließend erholt, während die globale Inflation weiter nachlässt und sich den Zielwerten der Zentralbanken nähert. Die Invesco-Experten gehen davon aus, dass die großen Zentralbanken mit Ausnahme der Bank of Japan ihre Geldpolitik lockern, wobei die Zinsstrukturkurven durch den Rückgang der kurzfristigen Zinsen steiler werden dürften.
Für entscheidend hält Jackson Tempo und Umfang der Zinssenkungen der US-Notenbank (Fed), die am 18. September mit einem 50-Basispunkte-Schritt die Zinswende eingeläutet hat. Die Märkte gehen davon aus, dass die Fed die Zinsen schneller und aggressiver lockern werde als die meisten anderen großen Notenbanken. Da die Fed die Zinsen in den ersten sechs Monaten ihrer Zinssenkungszyklen seit Mitte der 1990er Jahre um durchschnittlich etwa 180 Basispunkte gesenkt und sie im jüngsten Straffungszyklus stärker als viele andere Zentralbanken angehoben hat, hält Jackson diese Erwartung für realistisch. In der Folge rechnet er mit einer Abschwächung des US-Dollars, insbesondere gegenüber dem Yen. Dies könne den Wertverfall des seiner Ansicht nach aktuell sehr hohen Goldpreises auf ein vernünftigeres Niveau abfedern und auch anderen Rohstoffen sowie Schwellenländeranlagen zugutekommen.
Das Global Market Strategy Office von Invesco wendet einen Optimierungsprozess an, um Risiko und Ertrag auszubalancieren. Das Ergebnis dieser Optimierung spreche aktuell für Geldmarktanlagen, Staatsanleihen, Investment Grade-Anleihen und Bank Loans und gegen zyklische Anlagewerte und Gold. Das Team hält an einer relativ defensiven Modell-Asset-Allokation fest, indem es die Rohstoff- und Immobilienallokationen reduziert und stärker auf Staatsanleihen und Investment Grade-Anleihen setzt.
Die Invesco-Experten gehen zwar davon aus, dass die langfristigen Zinsen in zwölf Monaten (nach einem kurzfristigen Rückgang) geringfügig höher sein werden. Trotzdem meinen sie, dass Staatsanleihen bessere risikobereinigte Renditen bieten werden als zyklische Anlagewerte – auch, weil Staatsanleihen in Phasen steiler werdender Zinskurven in der Regel besser abschneiden als Aktien. Dabei haben sie eine Präferenz für Staatsanleihen von Schwellenländern sowie britische Gilts und US Treasuries, was vor allem am Renditeniveau in diesen Märkten liegt.
Obwohl man mit einer leichten Spreadausweitung rechnet, hält es die Renditen von Investment Grade-Anleihen unter Berücksichtigung der geringen Volatilität der Anlageklasse für ausreichend hoch, um attraktive Erträge zu erzielen. Anders als die Investment Grade-Spreads, die der historischen Norm entsprechen oder knapp darunter liegen, sind die High Yield-Spreads weiterhin ungewöhnlich eng. Das signalisiere, dass die Hochzinsmärkte eine wirtschaftliche Erholung eingepreist haben, die möglicherweise nicht eintreten wird, und erkläre die Präferenz der Investmentexperten für Investment Grade-Anleihen. Sie erwarten, dass sich die Spreads in den nächsten zwölf Monaten ausweiten und die Zahlungsausfälle zunehmen werden, wenn auch nicht dramatisch.
In der GMS-Modell-Allokation sind Geldmarktanlagen und Bank Loans weiterhin übergewichtet. Die Investmentexperten halten Geldmarktanlagen weiterhin für gut verzinst, zumal sie zur Portfoliodiversifikation beitragen. Bank Loans böten eine höhere Rendite als andere Vermögenswerte, wobei ihre Volatilität mit der von Investment Grade-Anleihen vergleichbar sei. Mit der Lockerung der Geldpolitik würden die laufenden Renditen der Anlageklasse jedoch sinken, sodass Bank Loans vermutlich an Attraktivität verlieren würden.
Aktien sind in der Modell-Asset-Allokation des GMS-Teams weiterhin untergewichtet. Als größten Sorgenfaktor nennt Jackson hier die starke Konzentration und die hohen Bewertungen am US-Markt. Wie er anmerkt, hat sich der Bewertungsabstand zwischen US-Aktien und chinesischen Aktien in den vergangenen Monaten weiter vergrößert. Mit 13,1 (Stand: 30. August 2024) liege das zyklusbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE) chinesischer Aktien derzeit nahe an seinem historischen Tiefstand (12,4) und auch nicht mehr weit vom US-Tiefstand vom März 2009 entfernt (12,2). Im Gegensatz dazu nähere sich das durchschnittliche CAPE des US-Marktes mit 40,2 dem Höchststand von 48,8 auf dem Höhepunkt der TMT-Blase im März 2000.
„Wir achten sehr stark auf die Bewertungen als wichtiger Determinante langfristiger Anlagerenditen“, erklärt Jackson. „Auf dem aktuellen Bewertungsniveau sehen wir nur noch wenig Spielraum für positive Renditen aus US-Aktien und halten Rückschläge für möglich. Dagegen könnten chinesische Aktien attraktive langfristige Renditen liefern.“ Wie er hinzufügt, entspricht der Abstand zwischen den Dividendenrenditen von Aktien und den Staatsanleiherenditen weltweit in etwa dem historischen Durchschnitt, während er in China, Japan und Großbritannien ungewöhnlich attraktiv ist.
Obwohl Jackson Immobilien weiterhin für attraktiv hält, ist ein Teil der Überrenditen aus dieser Anlageklasse, die er in der letzten Ausgabe der Quartalspublikation Big Picture prognostiziert hatte, inzwischen realisiert worden. „Dies hat die Renditen gedrückt und stimmt uns etwas vorsichtiger, insbesondere da wir Immobilien als zyklische Anlageklasse betrachten“, so der Invesco-Experte.
Aus regionaler Sicht bevorzugen die Investmentexperten Großbritannien und die Schwellenmärkte; am US-Markt und in US-Dollar sind sie untergewichtet. Gleichzeitig halten sie eine Teilabsicherung des US-Dollars gegenüber dem japanischen Yen aufrecht, da sie davon ausgehen, dass sich der Yen weiter erholen wird, wenn die Fed die Zinsen lockert und die Bank of Japan zu einer normaleren Geldpolitik übergeht.
Über einen längeren Prognosezeitraum von zehn Jahren (auf der Grundlage der langfristigen Kapitalmarktausblicke von Invesco Solutions mit Stand 30. Juni 2024) stehen Hochzinsanleihen und Bank Loans in Jacksons optimaler Modell-Asset-Allokation über verschiedene Basiswährungen und Anlageziele hinweg an erster Stelle. Über diesen Anlagehorizont wird Gold durchweg mit null gewichtet, während Aktien und Rohstoffe fast durchweg untergewichtet sind. Die Allokationen in Geldmarktanlagen, Staatsanleihen, Investment Grade-Anleihen und Immobilien sind gemischt, wobei Investment Grade-Anleihen und Immobilien bevorzugt werden, wenn die Rendite maximiert werden soll, und Geldmarktanlagen/Staatsanleihen, wenn die Maximierung der Sharpe Ratio im Vordergrund steht.