Foundation | Welcome

Menu


Invesco-Studie zum Anlageverhalten von Anleiheinvestoren signalisiert neue Herausforderungen in der Ära des „New Normal“

Viele Investoren sind überzeugt, dass die lange Phase der Ruhe an den Zinsmärkten im Nachgang der Finanzkrise auf ihr Ende zusteuert, jetzt, da die Zentralbanken beginnen, ihre Stimulusmaßnahmen zurückzufahren.

Nick Tolchard

Anleiheinvestoren sehen den globalen Wachstumsausblick zumeist positiv, stellen sich aber auf neue Herausforderungen wie den demografischen Wandel und eine strengere Regulierung ein. Das Interesse an alternativen Kreditinstrumenten, einem zunehmend wichtigen Segment des Zinsuniversums, ist unverändert hoch. Die Investoren rechnen jedoch mit einer Rotation hin zu bonitätsstarken Anleihen, den sogenannten Kernanleihen. So lauten einige der wichtigsten Ergebnisse der ersten Global Fixed Income Studie von Invesco, einer umfassenden Analyse des Anlageverhaltens von Anleiheinvestoren.

Wie die Studie zeigt, erwarten die Investoren eine Phase der ‚neuen Normalisierung‘ an den Zinsmärkten mit niedrigeren Renditen, einer schwachen Inflation und erneuten Zentralbankinterventionen. Eine bedeutende Minderheit erwartet dagegen eine gänzlich andere Entwicklung mit einem deflationären Schock, der durch das Ende des zyklischen Abschwungs in immer noch fragilen Volkswirtschaften verursacht wird. Ungeachtet der implizit inflationären Fiskalpolitik der Trump-Regierung in den USA rechnen nur wenige mit einer starken, spätzyklischen Beschleunigung der Inflation.

Die Studie, die auf persönlichen Interviews mit 79 Anleihenprofis und CIOs im asiatisch-pazifischen Raum, der EMEA-Region und Nordamerika basiert, zeigt, dass mehr als die Hälfte (58%) der befragten Anleiheinvestoren die Weltwirtschaft zwar auf dem Weg der Erholung sehen, nicht aber die typische Normalisierung nach einem Abschwung. Die meisten rechnen mit einer nur langsamen Verbesserung der wichtigsten wirtschaftlichen Messgrößen. Erwartet werden moderate Wachstumsraten und schrittweise Leitzinserhöhungen, wodurch die Zinsen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve schneller steigen dürften als am langen Ende. Ein Inflationsrisiko sehen die wenigsten.

Neue Herausforderungen
Nachdem die Renditen jedes Jahr weiter gesunken sind, war die Renditesuche im Niedrigzinsumfeld in den letzten Jahren die größte Herausforderung für Anleiheinvestoren. Bis auf weiteres bleiben die niedrigen Zinsen auch der aus ihrer Sicht wichtigste Einzelfaktor für ihre Anlageentscheidungen. Gleichzeitig bilden sich aber auch neue Herausforderungen heraus, die sich in der Ausrichtung der Anleihenportfolios niederschlagen werden:

*Alternde Bevölkerungen sind ein wesentlicher Sorgenfaktor für die Pensionskassen. Die größten negativen Auswirkungen hat der demografische Wandel für Pensionspläne mit leistungsorientierten Zusagen, deren ohnehin bereits hohe Finanzierungsdefizite und Asset-Liability-Mismatches – die fehlende Übereinstimmung der versicherungstechnischen Verpflichtungen mit den zu ihrer Deckung dienenden Aktivposten – noch weiter zunehmen könnten. Beitragsorientierte Vorsorgepläne finanzieren zwar gewöhnlich keine Garantiezusagen, müssen aber den zunehmenden Anforderungen der unterschiedlichen Leistungsempfänger gerecht werden – von denjenigen, die sich dem Rentenalter nähern, bis zu denjenigen, die gerade in ihr Berufsleben starten. Die unterschiedlichen Bedürfnisse dieser Investoren erhöhten die Komplexität der beitragsorientierten Altersversorgungspläne.

*Für die Versicherungsgesellschaften ist die strengere Regulierung der größte Sorgenfaktor. In Europa wie auch in Asien sollen neue Regelungen – Solvency II bzw. Risk-Based Capital und C-Ross – für mehr Transparenz und ein besseres Risikomanagement sorgen. Das stellt insbesondere Versicherungsgesellschaften mit vielen Garantiezinsverträgen und entsprechend hohen Renditeanforderungen vor neue Herausforderungen.

*Angesichts der Erfolge populistischer politischer Bewegungen, des Risikos eines Zerfalls der Eurozone und der Unberechenbarkeit der Trump-Regierung sind viele Anleiheinvestoren wachsam bezüglich höherer geopolitischer Unsicherheiten. Bislang haben sich die Märkte von den geopolitischen Ereignissen zwar weitgehend unbeeindruckt gezeigt. 70% der befragten Investoren meinen aber, dass sich das in den nächsten drei Jahren ändern wird, verglichen mit aktuell 55%.

Alternative Kreditinstrumente gefragt
In den letzten Jahrzehnten haben sich immer wieder neue Teilsegmente der Zinsmärkte herausgebildet. Dadurch können Investoren jetzt aus einem sehr breiten Angebot an unterschiedlichen Schuldinstrumenten auswählen. In vielen Anleihenportfolios spielen traditionelle Kernanleihen weiter eine wesentliche Rolle. Alternative Schuldinstrumente haben sich aber zunehmend etabliert.

Alternative Kreditinstrumente ermöglichen eine breitere Portfoliodiversifikation. Traditionelle Ertragstreiber wie Zins und Laufzeit werden durch alternative Faktoren wie Illiquidität und Managerkompetenz ergänzt. Absolute-Return-Strategien, die unabhängig von traditionellen Benchmark-Indizes gemanagt werden, gewinnen an Bedeutung [Abb. 1]. Für Investoren ergeben sich dadurch mehrere Vorteile. Als wichtigsten Grund für die Anlage in alternative Kreditinstrumente nennen sie das höhere Alpha-Potenzial, dicht gefolgt von einer größeren Portfoliodiversifikation und potenziell höheren laufenden Erträgen durch Abschöpfung zusätzlicher Risikoprämien.

Im Schnitt haben die befragten Investoren 19% ihrer Anleihenportfolios in alternative Credit-Strategien investiert. Am gefragtesten sind diese Strategien in Nordamerika mit einem durchschnittlichen Portfolioanteil von 26%. Größere Investoren (AUM>15 Mrd. US-Dollar) haben zumeist höhere Allokationen in alternativen Credit-Anlagen. Kleinere Investoren (AUM<15 Mrd. US-Dollar), die gewöhnlich weniger interne Ressourcen und kleinere Anforderungen an die Ordergröße haben, können nicht im gleichen Maße von alternativen Credit-Strategien profitieren wie größere Investoren.

Verschiebung der Anlageschwerpunkte
Die Investoren haben ihre Allokationen in Kernanleihen in den letzten drei Jahren zurückgefahren und vermehrt auf alternative Credit-Anlagen gesetzt. Die Mehrheit der befragten Investoren (63%) rechnet auf Sicht der nächsten drei Jahre aber mit einer erneuten Rotation in Kernanleihen, die hauptsächlich aus den Aktienportfolios finanziert werden soll. Die Investoren wollen weiter in alternative Credit-Strategien investieren, angesichts der höheren Kurse und dünner gesäten Anlagechancen aber nicht mehr so stark wie zuvor.

Dahinter steht auch die Überzeugung, dass bestimmte alternative Credit-Teilmärkte inzwischen teuer sind. Nach Ansicht der befragten Investoren gilt das insbesondere für Hochzinsanleihen, strukturierte Kreditinstrumente und – in geringerem Maße – Direct Lending. Gedämpft wird das Anlegerinteresse an diesen Anlagewerten auch durch Sorgen über stärkere Auswirkungen negativer wirtschaftlicher Schocks auf diese Anlageklassen. Immer mehr Investoren sind davon überzeugt, dass sich der globale Konjunkturzyklus seinem Ende nähert. Einige Investoren zeigen sich besorgt, dass Hochzinsanleihen und strukturierte Kreditinstrumente im nächsten Abschwung am härtesten getroffen sein könnten.

Weiter sehr gefragt sind dagegen Schwellenländeranleihen. Aktuell beträgt die durchschnittliche Allokation in diese alternative Credit-Anlageklasse 3%. 29% der Befragten rechnen in den nächsten drei Jahren mit einer Ausweitung dieser Allokation. Aus Sicht der Investoren eröffnen bessere wirtschaftliche Fundamentaldaten, schrumpfende Leistungsbilanzdefizite und geringere direkte Auswirkungen der steigenden Zinsen in den USA hier interessante Anlagemöglichkeiten.

Nick Tolchard, Head of EMEA bei Invesco Fixed Income, kommentiert: „Die Weltwirtschaft erholt sich und die Zentralbanken kehren allmählich zu einer konventionelleren Geldpolitik zurück. Vor diesem Hintergrund rechnen die Anleiheinvestoren mit einem baldigen Ende des ausgedehnten Rückgangs der Anleiherenditen, sind aber unsicher, wie es weitergeht. Unabhängig davon, ob die erwartete ‚neue Normalisierung‘ oder ein anderes Szenario eintritt, stehen die Anleiheinvestoren weiter unter Performancedruck. Dabei steht ihnen inzwischen ein deutlich größeres Instrumentarium zur Verfügung, das auch zunehmend genutzt wird – entweder durch die eigenen Teams oder – häufiger – in Zusammenarbeit mit externen Asset Managern.“