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Kommentar: „Build to Rent“ – Weshalb Institutionelle in die boomende britische Wohnungsbau-Branche investieren

Lange Jahrzehnte war es für Briten die normalste Sache der Welt, Wohneigentum zu besitzen. Die Regierung Thatcher hatte privates Wohneigentum zum Prinzip erklärt, städtischer Wohnraum („Council Housing“) wurde systematisch privatisiert. Am Ende lebten 1991 nur noch 9% der Haushalte in Mietwohnungen (Quelle: CBRE). Doch ungefähr seit 2001 geht es wieder aufwärts mit der scheinbar aussterbenden Rasse der Wohnungsmieter. Sie werden mehr, sie sind jünger, wohlhabender, haben immer öfter auch Familie und wollen länger in ihren Wohnungen leben als der übliche britische Mietvertrag es erlaubt.

Reiner Beckers

Was ist geschehen? Zum Ersten ist Wohneigentum in Großbritannien so teuer geworden, dass selbst die verdienende Mittelschicht es kaum bezahlen kann, zweitens gibt es eine wachsende regionale Mobilität der jungen Generation Berufstätiger und drittens ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum. Der Immobilienberater Knight Frank hat die unterschiedlichen Mietertypen und ihre Bedürfnisse heruntergebrochen: Zum Beispiel wären Mieter im Alter von 50 bis 64 Jahren oft durchaus bereit, für einen geschützten Fahrradstellplatz in der Wohnanlage zu bezahlen.

Leben auf gepackten Kartons
Ein erstaunliches Problem ist die Kurzfristigkeit der britischen Mietverträge. 80% der Wohnungsmietverträge laufen als „Assured Shorthold Tenancies“ mit einer Vertragslaufzeit von 6 bis 12 Monaten. Solche Laufzeiten sind für die Lebenssituationen von jungen Familien oder Senioren ungeeignet. Zudem haben die vorhandenen Mietwohnungen – zu 73% von Privatpersonen angeboten – oft eine geringe Bauqualität. Einfachverglasung ist durchaus üblich. Strukturell ist dieses Umfeld seit Jahren nicht in der Lage, den wachsenden Wohnraumbedarf der Nation zu decken.

Bauen im großen Stil
Seit wenigen Jahren rückt die konservative Regierung vom Dogma des privaten Wohneigentums ab. Im Februar 2017 veröffentlichte die Regierung mit dem „Housing White Paper“ eine ganze Serie politischer Maßnahmen, welche die Spielräume aller beteiligten Akteure deutlich verbessern. Die großen Wohnungsunternehmen haben sich bereits verpflichtet, auch längere Mietlaufzeiten anzubieten, wobei drei Jahre als länger gilt.

Vor diesem Hintergrund haben große internationale Investoren begonnen, sich aktiv am britischen Wohnungsmarkt zu beteiligen. Der kanadische Investor Ivanhoé Cambridge hat in London investiert, der niederländische Asset Manager PGGM in Wohnprojekte in London, Manchester, Leeds, Bristol und Bath. Fast immer geschieht dies in Partnerschaft mit britischen Firmen, meist geht es um „Build to Rent“ Neubauvorhaben, die mehr als 100 Wohneinheiten umfassen und explizit für die Vermietung konzipiert sind.

Die Branche wächst schnell: Vor anderthalb Jahren lag der Wert des Immobilienbestandes in diesem Sektor bei 15 Mrd. GBP, gegenwärtig liegt es nach Schätzung von Knight Frank bei 25 Mrd. GBP (2017). Das Tempo wird sich noch beschleunigen. Bis 2022 dürfte ein Volumen von 70 Mrd. GBP erreicht werden.

Stabile Renditen, geringe Volatilität und wenig Korrelation mit anderen Assetklassen machen Wohnungsinvestitionen für institutionelle Investoren interessant. Bestandskäufe sind kaum möglich, denn größere Wohnungsbestände in professioneller Qualität gibt es wenige. Darum ist Projektentwicklung der einzige Weg.

Cording geht in die Regionen
London bindet den Löwenanteil professioneller Investitionen in den Wohnungsbau, nämlich 65% des Gesamtvolumens, während 35% der professionellen Investitionen in andere Regionen des Landes gehen. Der allgemeine Run professioneller Investoren auf hochwertige Wohninvestments in London ist aber einer der Gründe, warum die Rendite dort niedriger ist als in anderen Großstädten des Landes. Investoren rechnen in den nächsten fünf Jahren mit einer Nettorendite von 3,5% in London, und von 4,1 bis 4,8% in den Regionen.

Die Cording Real Estate Group verfolgt eine andere Strategie. Die Standortwahl bevorzugt das Umland von London und die Regionen. Das Ziel-Portfolio umfasst Wohnungsbauprojekte am Rande von Greater London und in Mittel- und Nordengland in Größen von 190 bis 350 Wohnungen im einfachen bis mittleren Standard. Eine aktuelle Umfrage von Knight Frank und dem Marktforschungsunternehmen YouGov zeigt, dass außerhalb von London Bezahlbarkeit (44%) das bei weitem ausschlaggebende Kriterium für eine Mietentscheidung ist.

UK und der Rest der Welt
Deutsche Immobilieninvestoren haben nach dem Brexit-Referendum in Großbritannien zunächst einmal stark zugekauft. Nach Zahlen des Datenanbieters CoStar lagen die deutschen Investitionen in britische Gewerbeimmobilien im 2. Quartal 2017 beim Vierfachen des Durchschnitts der letzten fünf Jahre. Den weiteren Verlauf der Brexit-Verhandlungen wird man sorgfältig verfolgen.

Der traditionell große deutsche Wohnungsmarkt ist im Vergleich stärker entwickelt. Das durchschnittliche Transaktionsvolumen 2012-2016 lag bei 15,7 Mrd. Euro (Zahlen des Immobilienberaters JLL). Insgesamt gelten ähnliche Faktoren wie in UK: Zunehmende Metropolenbildung und geringe Bautätigkeit über viele Jahre. Der Immobilienberater Savills sieht für Deutschland aber das Problem zunehmender Mietpreisregulierung.

Eine Messlatte für den britischen Wohnungsmarkt könnten die USA sein. Werden in UK erst 3% des Investmentvolumens von Institutionellen Investoren gehalten, so haben diese am gut eingeführten amerikanischen Segment des „Multifamily Housing“ einen Anteil von 25%. Die Auslastung liegt bei 95% (2016) und die Rendite bei 5,4%. Internationale Investoren investieren in New York und Los Angeles, sowie flächendeckend in Metropolregionen wie Atlanta oder Phoenix.

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*) Reiner Beckers ist Head of Business Development der Cording Real Estate Group.