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Kommentar: Die große Kunst des aktiven Immobilien Asset Managements in der Krise

Bereits mehr als zwölf Monate Covid-19-Pandemie waren und sind auch für das Asset Management von Immobilien eine echte Herausforderung. Viele Nutzungsarten leiden unverändert unter behördlich angeordneten Schließungen oder zurückhaltendem Verbraucherverhalten, allen voran Gastronomie, Hotellerie und Non-Food-Einzelhandel.

Dr. Pamela Hoerr

Anders als in anderen Krisen sprechen wir diesmal nicht von konjunkturbedingten langsamen Umsatzrückgängen, sondern von plötzlichen und zum Teil kompletten Umsatzausfällen. Für viele Gastronomen, Hotelbetreiber und Einzelhändler bedeutet dies, dass nach dem Aufbrauchen der Reserven keine Mieten und Gehälter mehr gezahlt werden können, sofern staatliche Hilfsleistungen ausbleiben oder nicht ausreichen.

Der Asset Manager verwaltet treuhänderisch das Vermögen seiner Investoren. Das könnte bedeuten, dass er auf der Bedienung seiner Mietforderungen besteht, und zwar wenn nötig bis zur letzten Konsequenz: Auszug oder Geschäftsaufgabe seines Mieters. Doch ganz so einfach ist es nicht. In vielen Fällen würde er mit so viel Unflexibilität der Immobilie und seinen Investoren mehr schaden als nutzen. Stattdessen gilt es, bei Zahlungsproblemen jeden einzelnen Fall individuell zu analysieren und zu bewerten, den Dialog mit allen Beteiligten – Mietern, Investoren, Finanzierungsgebern – aufzunehmen und im Idealfall einen für alle Seiten tragbaren Kompromiss herbeizuführen. Ein solcher Ernstfall ist der Lackmustest für gutes aktives Asset Management. Um ihn erfolgreich zu bestehen, bedarf es einiger Voraussetzungen.

Grundsätzlich gilt: Breite Diversifikation über Regionen und Assetklassen hinweg hat schon bei jeder Krise geholfen, die Auswirkungen auf das eigene Portfolio zu verringern und den Cashflow zu glätten. In dieser Krise sind bestimmte Nutzungsarten besonders betroffen. Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel wurden bereits genannt. In anderen Sektoren wie Wohnen und Logistik oder auch Büro zeigten sich dagegen bislang keine oder kaum erhöhte Mietausfälle. Ein weiterer Faktor ist jetzt das Liquiditätsmanagement, denn trotz vereinzelter Ausfälle und Leerstände müssen laufende Kosten, vor allem für das Fremdkapital, weiter bedient und sollten idealerweise auch Ausschüttungen prospektkonform geleistet werden.

Präsenz vor Ort ist für ein aktives Asset Management immer von Vorteil, während der Corona-Sondersituation jedoch teilweise unverzichtbar. Erinnern wir uns an den März vergangenen Jahres: Plötzlich gab es in Europa wieder geschlossene Grenzen, und zum Teil gilt das immer noch. Von weit entfernten Märkten wie zum Beispiel Australien ganz zu schweigen. Niederlassungen vor Ort sind unter Corona-Bedingungen wichtiger denn je. Es hilft auch, sich ein grundsätzliches Bild der aktuellen Lage an Ort und Stelle zu machen.

Denn die Kenntnis von der aktuellen und konkreten Corona-bedingten Situation des betreffenden Unternehmens und seiner Branche stellt eine fundamentale Entscheidungsgrundlage dar: Wie sieht die Situation aktuell vor Ort aus, für die Branche, für das Land oder die Region, für die Mikrolage, für das Unternehmen? Und vor allem: Wohin geht die Reise? Stehen beispielsweise kurzfristig Lockerungen des Lockdowns bevor, die die wirtschaftliche Situation wieder entspannen könnten? Hierbei gibt es mitunter erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern, zum Teil zwischen Bundesländern und Provinzen bis hinunter auf kommunale Ebene. Probleme müssen auch nicht notwendigerweise nur direkte behördliche Auflagen bereiten. Sinkt die Frequenz der Besucher einer Fußgängerzone oder einer Shopping-Mall, weil die Geschäfte schließen müssen, verzeichnet auch der geöffnete Schnellimbiss empfindliche Umsatzrückgänge.

Um erfolgreich durch die Krise zu steuern und im Zweifelsfall richtig zu entscheiden, genügt es nicht, die Immobilie und ihre Lage genau zu kennen und die aktuelle Corona-Situation gut einschätzen zu können. Ein Asset Manager muss – und das ist vielleicht der herausforderndste Punkt – auch die Geschäftsmodelle seiner Mieter kennen und verstehen. Er muss ihre Bonität beurteilen können. Nur so kann er die elementaren Fragen treffsicher beantworten: Handelt es sich um eine ausschließlich Corona-bedingte vorübergehende Schwäche? Hat das Unternehmen ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell, das vor Corona funktionierte und auch danach funktionieren wird? Haben die Eigentümer nachhaltig gewirtschaftet, oder war schon alles auf Kante genäht? Im Extremfall beschleunigt die Pandemie fällige Sanierungsmaßnahmen bis hin zur Geschäftsaufgabe.

Erst wenn der Asset Manager diese Voraussetzungen erfüllt und sich zu den einzelnen Fragen ein aussagekräftiges Bild gemacht hat, sollte er im Falle drohender oder von seinen Mietern geforderter Mieterlasse, -reduzierungen oder -stundungen in konkrete Verhandlungen gehen. Dabei gilt es, die eigenen Chancen und Risiken im konkreten Fall abzuwägen: War der Mieter bislang ein treuer Zahler? Ist sein Geschäftsmodell nachhaltig und zukunftsträchtig? Wie groß ist die Gefahr eines längeren Leerstands nach einem Auszug? Wie groß ist die Relevanz dieses konkreten Falls für das Objekt oder das Gesamtportfolio? Wie schnell kommt der Mieter nach Beendigung der Pandemie wieder auf die Beine? Wie ist die Rechtslage und der Corona-Status-quo? Auch an Reputationsrisiken sollte gedacht werden. Und welche Chance bietet dagegen langfristig eine partnerschaftliche Einigung für eine dauerhafte Mieterbindung?

Der Königsweg ist in der Regel die partnerschaftliche Einigung. Auch der Vermieter hat im Gegenzug eine gewisse Verhandlungsmasse: Er kann einen Ausgleich der Zugeständnisse durch eine spätere Mieterhöhung in die Waagschale werfen, eine spätere Nachzahlung der gestundeten Miete, eine Laufzeitverlängerung des Mietvertrags, eine Erhöhung der Umsatzmiete und vieles mehr. Zwei einigungswillige Verhandlungspartner haben genügend Möglichkeiten, auch eine Einigung herbeizuführen – wobei allerdings als Dritter im Bunde regelmäßig der Finanzierungsgeber einzubeziehen ist, dessen Zustimmung zu vielen Vertragsanpassungen erforderlich ist.

Vor diesem Hintergrund gibt es noch eine weitere Kompetenz, die ein aktiver Asset Manager derzeit unbedingt besitzen sollte: Empathie für die Betroffenen mit der gleichzeitigen Fähigkeit, auch in Stresssituationen einen kühlen Kopf zu behalten. Standfestigkeit unter diesen besonderen Arbeitsbedingungen zu bewahren, ist keine leichte Anforderung. Denn eines darf man nicht vergessen: Viele betroffene Mieter sind kleinere Unternehmen und inhabergeführte Geschäfte. Da geht es oftmals um die nackte Existenz. Diesen psychischen Stress auszuhalten und gleichzeitig diplomatisch geschickt eine tragfähige und partnerschaftliche Lösung auszuhandeln, die die Interessen von Mietern, Investoren und Finanzierern angemessen berücksichtigt – das ist die ganz große Kunst des aktiven Asset Managements in der Krise.

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*) Dr. Pamela Hoerr, Mitglied des Vorstands, Real I.S.