Es lohnt sich, genau hinzuschauen: der deutsche Büroimmobilienmarkt gestaltet sich deutlich heterogener als beispielsweise der britische oder französische, die zentral auf eine Hauptstadt ausgerichtet sind. Als Investor ist es in jedem Fall unerlässlich, selbst die Mikrolagen der Immobilien gut analysieren zu können. In der Vergangenheit war dies ausschließlich Aufgabe von Experten, die sich direkt vor Ort ein konkretes Bild der Lage machen konnten. Die Digitalisierung bringt auch hier Neuerungen mit sich: Heute schon unterstützen digitale Analyse-Tools die Bewertung von Mikrolagen. Eine Technologie, die viel Potenzial birgt und in die Zukunft noch optimiert werden kann.
Entscheidend ist die Mikrolage
Warum ist die Mikrolage so entscheidend? Bei allen Objekten sowie Projekten – egal ob Büro, Wohnen oder Einzelhandel – müssen die speziellen Potenziale der jeweiligen Lage eingeschätzt werden können. Je nach Nutzungsart kann so genau die Fläche gefunden werden, die perfekt auf die Bedürfnisse der potenziellen Mieter zugeschnitten ist. Denn Lagequalität, Verkehrsanbindung und Umfeld lassen sich kaum im Sinne eigener Interessen abwandeln. Stattdessen ist man auf das bereits vorhandene Umfeld angewiesen.
Gerade für Büroflächen ist es wichtig, die konkrete Mikrolage zu analysieren. Anforderungen an die Immobilie können je nach Mieterbranche und Mitarbeiterpräferenz stark variieren. Ein Coworking-Projekt beispielsweise erfordert andere Maßgaben an die unmittelbare Umgebung als traditionelle Büroflächen. Die Kernfragen im Hinblick auf die Mikrolage bei Büroimmobilien sind in jedem Fall die Erreichbarkeit, die Anbindung an die städtische Verkehrsinfrastruktur, verfügbare Parkplätze und, ob es sich um ein eher funktionales oder ein lebendiges Viertel handelt. Diese Faktoren beeinflussen das Standing eines Unternehmens hinsichtlich der Innen- sowie der Außenwirkung.
Im Zuge der Pandemie sind Home-Office, hybride Arbeitsmodelle und Remote-Work die Regel geworden. Nach und nach kehren die Menschen mit zunehmendem Impffortschritt sukzessive zurück an ihre Büroarbeitsplätze. Um diesen Prozess zu unterstützen, müssen Arbeitgeber mit ihren Büroflächen entsprechende Anreize liefern. Das Büro muss gut zu erreichen, die umliegende Umgebung ansprechend sein und der Arbeitsplatz modern gestaltet werden. Eine attraktive Mikrolage spielt also eine entscheidende Rolle.
Digitale Analyse-Tools als Entscheidungshilfen
Unternehmen arbeiten daran, mit Hilfe von modernen Analyse-Tools Abläufe innerhalb der Immobilienwirtschaft effizienter zu gestalten. Neben Nutzung und Verkauf zählt dazu auch die Analyse der Mikrostandorte. Schnell, unkompliziert und verlässlich sollen die Informationen sein, die diese Analyse-Tools liefern. Aber werden sie diesen Anforderungen auch gerecht?
Derzeit existiert ein breit gefächertes Angebot solcher Analyse-Tools. Ein Beispiel ist das „KGAL Location Rating“. Basierend auf immer weiter verbesserten Algorithmen arbeiten diese mit standardisierten Ratings. Auf diese Weise liefert das jeweilige Analyse-Tool alle relevanten Informationen auf einen Blick. Ein großer Vorteil gegenüber der herkömmlichen Analyse: die Vergleichbarkeit. Verschiedene Faktoren wie Anbindung an den ÖPNV, Gastronomie, Einkaufsmöglichkeiten oder Nähe zu öffentlichen Einrichtungen werden in das System eingespeist, gewichtet und zu einem Score aggregiert. Zusätzlich werden sozioökonomische Kennzahlen dem Nutzer für deutsche Städte zur Verfügung gestellt.
Mit dieser einheitlichen Funktionsweise schaffen die Ratings Transparenz und gewährleisten eine optimale Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Damit ermöglichen sie den Investoren Unabhängigkeit. Auch ohne lokale Expertise oder Anlageberater verfügen sie so über einen Zugang zu validen Informationen über den Mikrostandort der jeweiligen Immobilie. Diese technologische Lösung birgt daher großes Potenzial. Mit den Analysen lässt sich ein sehr differenziertes und zugleich detailliertes Bild der Städte zeichnen. Objektiv messbare Daten verhindern Fehlentscheidungen im Vorhinein, weshalb sich das digitale Analyse-Tool hervorragend dazu eignet, Investoren von Objektlagen zu überzeugen.
Ganz ohne den Experten aus Fleisch und Blut geht es nicht
Trotz all dieser positiven Effekte bergen Mikrostandort-Ratings jedoch Fehlerquellen, die es zu eliminieren gilt. So können die Algorithmen nur mit aktuellen Daten gefüttert werden, bei langfristigen Entwicklungen bleibt Unsicherheit. Sie bieten nur eine Momentaufnahme, die aktuelle Trends erst verzögert berücksichtigen kann. Daneben arbeiten einige Anbieter mit einem System, das sich auf den jeweiligen Radius rund um die Immobilie beschränkt, ohne die exakte fußläufige Erreichbarkeit miteinzubeziehen. Das kann unter Umständen zu Fehleinschätzungen führen. Die Informationen, die der Algorithmus liefert, müssen also zuverlässig und praktikabel sein. In jedem Fall können Analyse-Tools zum Verständnis der jeweiligen Mikrolage beitragen und helfen, eine Vorauswahl zu treffen. Als Investor spart man sich somit einen Teil der Arbeit. Dennoch führt am Ende kein Weg an einer persönlichen Begutachtung der Mikrolage und der Immobilie selbst vorbei – unter Berücksichtigung weiterer immobilienrelevanter Aspekte wie etwa der Stadtplanung.
Ratings zur Analyse von Mikrostandorten können den informierten Gutachter zwar nicht vollends ersetzen, schaffen als zusätzliches Bewertungskriterium jedoch Transparenz. Innovative, digitale Analyse-Tools werden parallel zu den Expertisen vor Ort eingesetzt. Angesichts der enormen Geschwindigkeit bei der Entwicklung digitaler Lösungen verfügen die Analyse-Tools ein enormes Potenzial zur Weiterentwicklung. Bis dahin werden hybride Mikrolage-Ratings herkömmlicher sowie digitaler Natur die Regel sein.
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*) Helge Vahlenkamp, Portfolio Manager Real Estate, KGAL Investment Management GmbH & Co. KG