Taxonomie – Instrument mit Hebelwirkung
Die Speerspitze des Gesetzgebers im Kampf gegen Greenwashing ist die europäische Taxonomie. Diese Klassifizierung der Wirtschaftsaktivitäten ermöglicht die auf wissenschaftlichen Daten beruhende Identifikation von Tätigkeiten, die wirklich „grün“ sind. Damit wird die Einstufung, wie umweltfreundlich der sogenannte Impact von Produkten und Dienstleistungen ist, nicht mehr nur der Interpretation von Unternehmen und Investoren überlassen – wodurch die Gefahr irreführender Informationen stark reduziert wird. Dieser einheitliche Klassifizierungsrahmen dient der Flankierung und Beschleunigung notwendiger Investitionen, damit Kohlenstoffneutralität in Europa bis 2050 erreicht werden kann.
Grün, grüner, dunkelgrün?
Die europäische Taxonomie beinhaltet auch zahlreiche Anforderungen an die Verwaltungsgesellschaften. Mit Blick auf die Einhaltung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden¹ und – längerfristig – auf ein mögliches EU-Label wird die nachweislich hohe Kohärenz mit der Taxonomie ein Weg sein, um Anlegerkapital in nachhaltige Wirtschaftsbereiche zu lenken. Der zeitliche Abstand zwischen den Ergebnisvorlagen der Unternehmen und der Investoren sowie die gewaltige Vielfalt der von den Ratingagenturen erstellten Daten werfen Fragen hinsichtlich der Zuverlässigkeit der künftigen Berichte auf. Ehrliche oder überzogene PR-Kommunikation: Die Frage des Greenwashing schwebt wie ein Damoklesschwert über den Verwaltungsgesellschaften. Man kann nur hoffen, dass die meisten Unternehmen Vorkehrungen treffen und die Taxonomie sinnvoll als Indikator für ihr Klimaschutzengagement nutzen.
Heikle Umsetzung mit hohem Preis
Aber auch an der Unternehmensfront weckt der mögliche Zugang zu Finanzierungen allerhand Begehrlichkeiten, doch zu welchem Preis? Angesichts der Komplexität der Regeln und Vorschriften und der zahlreichen Auslegungsmöglichkeiten stellen sich viele Fragen hinsichtlich der Qualität der von den Unternehmen vorgelegten Berichte. Welchen Preis zahlen Unternehmen, die die Kohärenz ihrer Wirtschaftsaktivitäten in Bezug auf die EU-Taxonomie weniger marketingorientiert darstellen und kommunizieren als ihre Wettbewerber? Und was ist von der umstrittenen Einordnung von Atomkraft und Gas als ‚nachhaltige‘ Energiequellen zu halten, für die jeglicher wissenschaftlicher Konsens fehlt, und die zudem die Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit dieses ambitionierten Regelwerks in Frage stellt?
Als verantwortungsbewusste und engagierte Investoren müssen wir mehr tun, als nur Gesetze und Vorschriften einzuhalten. Es ist unsere Pflicht, unsere Kunden und Stakeholder auf die Komplexität der Umsetzung dieses Regelwerks aufmerksam zu machen und sie über die Grenzen der aktuellen Verfahren zu informieren. Diese Aufklärungsarbeit ist für die Unterstützung einer erfolgreichen Umsetzung dieser Vorschriften von entscheidender Bedeutung. Zumal deren Ziel mit unserer Anfang 2021 eingeführten Klimaschutzstrategie im Einklang steht.
¹ Im Rahmen der Änderung der MiFID II-Verordnung über Produkte, die die Nachhaltigkeitspräferenzen – Umwelt, Soziales, Unternehmensführung – der Kunden erfüllen.
---
*) Coline Pavot leitet das Research-Team für verantwortliches Investieren bei dem französischen Vermögensverwalter La Financière de l'Echiquier (LFDE)