Gegen Ende der 2010er-Jahre hatte dieses Modell jedoch an Relevanz verloren: Die Multiplikatoren hatten in der Zwischenzeit Bewertungsniveaus erreicht, bei denen vor allem große europäische institutionelle Investoren wie Versicherer oder auch Immobilienfonds auf Käuferseite im Markt blieben. Diese Investoren waren nur selten auf Joint-Venture-Partner angewiesen. Die Joint-Venture-affineren internationalen Investoren, vor allem diejenigen aus dem Private-Equity-Bereich, kamen hier oft nicht zum Zuge. Für sie war Deutschland schlicht und ergreifend zu teuer geworden.
Viel Kapital aus dem angelsächsischen Raum steht bereit
Seit dem Jahreswechsel 2022/2023 jedoch zeigen sich teilweise deutliche Preisrückgänge auf den Wohn- und Gewerbeimmobilienmärkten – vor allem an denjenigen Standorten, die vorher starke Überhitzungstendenzen aufwiesen, aber auch in B- und C-Städten, die ebenfalls eine durch die Zinswende ausgelöste Preiskorrektur erfuhren. Gleichzeitig sind viele institutionelle Investoren nach wie vor in einer Warteposition, unter anderem aufgrund der schwierigeren Finanzierungssituation, aber auch deshalb, weil es in der aktuellen Marktphase nur sehr wenige Comparables gibt, die für Orientierung und Transparenz sorgen könnten.
Mit den gesunkenen Preisen und der wenig aktiven Konkurrenz stehen den eingangs erwähnten internationalen Investoren aus dem PE-Segment wiederum mehr Möglichkeiten für einen Markteintritt zur Verfügung. Gerade in einem bestehenden Käufermarkt, in dem diese Akteure aus einem größer werdenden Angebotspool gezielt Immobilien und Portfolios heraussuchen und Cherry-Picking betreiben können, sind jetzt Strategien mit klarem Fokus auf Wertsteigerungen möglich. Zudem kommen jetzt Portfolios auf den Markt, die die Anforderungen von PE-Investoren bezüglich der jeweiligen Investmentsummen erfüllen. Anders als vor zehn Jahren stehen diesmal jedoch vor allem potenzielle Käufer mit Kapitalquellen aus dem angelsächsischen Raum im Mittelpunkt.
Dies hat gleich mehrere Gründe. Erstens ist die Lage an den relevanten US-Immobilienmärkten genau wie im Vereinigten Königreich herausfordernd. In den USA wirken sich sowohl die Zinswende als auch marktbezogene Herausforderungen bremsend auf das Transaktionsgeschehen aus – während in London vor allem die Folgen des Brexits den Markt abkühlen. Zweitens sorgt der vergleichsweise schwache Euro dafür, dass vor allem Dollar-Anleger positive Währungseffekte erzielen können. Drittens schließlich gilt Deutschland aufgrund der Rechtssicherheit und der robusten Wirtschaft weiterhin als sicherer Anlagehafen für internationale Investoren. Zahlreiche angelsächsische Akteure, die bereits vor einigen Jahren einen Markteintritt vollzogen haben, wollen nun die Chance nutzen, ihr Engagement auszuweiten.
Auch die Erfahrenen gehen Joint Ventures ein
Wieso aber sollten auch diejenigen Investoren Joint Ventures eingehen, die bereits in Deutschland aktiv sind und über gute Marktkenntnisse verfügen? Auch hier sind die möglichen Hintergründe vielfältig. Unter anderem sorgen die immer zahlreicher werdenden Vorgaben der EU-Taxonomie sowie das deutsche Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Verbindung mit weiteren ESG-bezogenen Regulierungen dafür, dass bei der Auswahl der Investmentobjekte zahlreiche neue Kriterien beachtet werden müssen. Selbst für weniger regulierte Investorentypen ist dies wichtig, damit später ein Exit ohne Preisabschläge möglich ist.
Mindestens genauso relevant sind jedoch die dezentralen deutschen Wirtschaftsstrukturen – und die Tatsache, dass nicht unbedingt die größten Städte auch die stärksten Potenziale aufweisen. Zudem ist die Marktlage viel zu komplex, als dass sich allgemeine Aussagen über A-, B- oder C-Standorte treffen ließen: Unseren Analysen zufolge zeigt sich, dass sowohl A-Städte als auch B- und C-Standorte zu den deutschen Spitzenreitern gehören, wenn es um die Relation zwischen Rendite und Risiko geht. Umgekehrt erreichen jedoch auch kleinere Großstädte, die noch vor wenigen Jahren in der Fachöffentlichkeit immer wieder als Wachstumsstandorte angepriesen worden waren, nur sehr mäßige Ergebnisse. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es an solchen Standorten keine Potenziale gäbe – ganz im Gegenteil. Doch gerade diese schwierigen Lagen erfordern Expertise und Vor-Ort-Präsenz und begünstigen somit Joint Ventures und ähnliche Modelle.
Neue strategische Partnerschaften
Die Kooperation von internationalem Investor und deutschem Investment-Manager ist die bei Weitem gängigste, jedoch nicht die einzige Variante, wie sich zurzeit Joint Ventures herausbilden. Auch große institutionelle Investoren gehen immer häufiger strategische Partnerschaften ein: entweder, um sich die (bau-)technische Expertise für hochmoderne Immobilienkonzepte zu erschließen, oder in Form von Kooperationen mit lokalen Entwicklern, denen zurzeit das Kapital für neue Projekte fehlt. In aller Regel werden diese Joint Ventures seitens der Institutionellen mit der Absicht geschlossen, die Objekte anschließend langfristig ins Portfolio zu holen.
Darüber hinaus könnte sich im Jahresverlauf noch ein weiterer Trend abzeichnen, der bisher eher vereinzelt zu beobachten war: der Verkauf von Minderheitsbeteiligungen als mögliche Lösung für die Liquiditätsklemme. Gerade wenn die Zinsniveaus längere Zeit auf höherem Niveau verharren sollten, könnte dies für immer mehr Investoren wie auch für langfristige Bestandshalter zur Option werden. Auf diese Weise eröffnen sich beispielsweise auch einige Möglichkeiten, um größere Bestände zu modernisieren und „grüner“ zu gestalten.
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*) Mark Holz, Head of Research, und Marc Sahling, Geschäftsführer, Lübke Kelber