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Kommentar: Nahversorger sind und bleiben eine Klasse für sich

Die Corona-Krise hat noch einmal deutlich untermauert, was viele Marktteilnehmer schon länger beobachten: Es gibt nicht die eine Nutzungsart Einzelhandel, sondern mindestens zwei: Non-Food-Einzelhandel auf der einen sowie Lebensmitteleinzelhandel (LEH) beziehungsweise Nahversorger auf der anderen Seite. Die Entwicklung dieser beiden Immobiliensegmente strebt schon seit einigen Jahren auseinander. Auf dem Höhepunkt der Pandemie bildeten sie sogar zwei Extrempole des Immobilienmarkts.

Dr. Martin Leinemann

Lebensmittelhändler oder, allgemeiner gesprochen, Nahversorger erwiesen sich als Stabilitätsanker, zum Teil sogar als Krisengewinner. Ihren Betrieb wollte und konnte die Corona-Lockdown-Politik nicht einschränken, gleichzeitig erwiesen sich die Hygienekonzepte tatsächlich als tragfähig. Weil die Verbraucher einen Teil ihrer Konsumausgaben hierher verlagerten, konnten einige Händler Rekordumsätze erzielen. Das Statistische Bundesamt berichtet für 2020 von einem pandemiebedingten Mehrumsatz von 20 Mrd. Euro beziehungsweise einem Umsatzzuwachs bei den Nahversorgern von 11%. Auch das Thema E-Commerce blieb der Pandemie zum Trotz vor allem bei Lebensmitteln – vielleicht ein wenig überraschend – eine Randerscheinung. Dem steht der übrige Einzelhandel mit Zugangsbeschränkungen, wochenlangen Zwangsschließungen, Geschäftsaufgaben und einer massiven, womöglich unumkehrbaren Verlagerung in den Online-Handel entgegen.

Kapitalschwenk verstärkt Renditekompression
Diese Spreizung ist Immobilieninvestoren nicht verborgen geblieben. Grundsätzlich stellten sich eine größere Skepsis und eine abwartende Haltung ein bezüglich der Segmente Hotellerie und Gastronomie, Non-Food-Einzelhandel und – angesichts der Homeoffice-Diskussionen – teilweise auch Büro. Auf der anderen Seite standen die weniger beeinträchtigten oder gar profitierenden Segmente Wohnen, Logistik und Nahversorger. Dort wurde plötzlich mehr institutionelles Kapital allokiert, mit der Folge steigender Preise und sinkender Renditen. Gerade bei den früher einmal relativ renditeverwöhnten LEH-Immobilieninvestments erhöhte sich die Renditekompression in der Corona-Krise nochmals spürbar.

Gleichwohl lassen sich auch in diesem Segment noch attraktive risikoadjustierte Renditen erzielen. Dies ist letztlich eine Frage des „Wie“ und „Wo“. Manche Investoren – und gerade die, die dieses Segment derzeit neu für sich entdecken – bevorzugen größere Einzelobjekte. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Wenige große Investments erzeugen weniger Transaktions- und Verwaltungsaufwand. Ein granulares Portfolio aus vielen kleinen Einzelobjekten mit diversifizierter Mieterstruktur hingegen ist krisenresistenter – und dank der geringeren Nachfrage seitens der Investoren lassen sich hierbei eher Opportunitäten identifizieren und realisieren.

Kleinteiliges Geschäft lohnt den Mehraufwand
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Discounter, klassische Supermärkte mittlerer Größe und kleinere Fachmarktzentren keineswegs ein höheres Risiko darstellen als die riesigen SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte – im Gegenteil. Der Trend zu kleineren Haushalten und urbanerer Lebensweise spricht langfristig eher für kleinere Nahversorger, die zudem flächendeckend in Deutschland erfolgreich und investierbar sind. Freilich werden auch an diese Flächen von den Verbrauchern zunehmend höhere Qualitätsansprüche gestellt. Diese zu erfüllen, stellt eine Kernaufgabe des Marktbetreibers, aber auch des Immobilieneigentümers dar und erfordert eine hohe Asset-Management-Kompetenz.

Opportunitäten können beispielsweise entstehen, wenn Privatinvestoren oder Family Offices den Verkauf eines Direktinvestments in einer Supermarkt- oder einer anderen Nahversorgerimmobilie erwägen. Nach zum Teil Jahrzehnten der Bestandshaltung kann es unterschiedliche Gründe für diesen Exit-Wunsch geben: Häufige Ursache sind anstehende Vertragsverlängerungen mit den Mietern, verbunden mit hohem Erweiterungs- oder Modernisierungsbedarf – übrigens immer öfter auch unter Energieeffizienz- und Klimaschutzaspekten. Die Bestandshalter verfügen aber oftmals nicht über die erforderlichen Projektentwicklungskompetenzen und scheuen im Zweifel das Risiko. Erbfolge und Generationswechsel sind eine weitere häufige Ursache. Um die Potenziale und die langfristige Marktfähigkeit dieser Flächen richtig einzuschätzen, bedarf es besonderer Expertise. Zudem sind gute lokale Netzwerke erforderlich, um die richtigen Flächen zu finden. Diese eher kleinteilige Strategie mag wie Kärrnerarbeit klingen, verspricht aber Investments mit auskömmlichen Renditen bei gleichzeitig kalkulierbaren Risiken.

Dauerhaft als eigene Liga etabliert
Nun, da die Infektionszahlen sinken, die Impfquoten steigen und es berechtigte Hoffnung auf ein Abflachen der Pandemie gibt, stellt sich die Frage, ob die Investoren wieder zu ihrer vorherigen Portfolioallokation zurückkehren, somit die Renditekompression in den genannten Segmenten nachlässt und die Preise wieder sinken. Es ist durchaus zu beobachten, dass andere Immobiliensegmente wieder an Zugkraft gewinnen. Somit lässt die Preisdynamik im Nahversorgersegment nach. Auch wird nicht mehr jedes Objekt zu jedem Preis den Verkäufern förmlich aus den Händen gerissen. Sinkende Preise jedoch sind nicht zu beobachten – und erwarten wir in absehbarer Zeit auch nicht, schon gar nicht im kleinteiligeren Marktsegment.

Stattdessen sind wir überzeugt, dass sich nun auch dauerhaft die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Nahversorger eine Anlageklasse für sich darstellen, die sich als langfristig stabil und resilient am Investmentmarkt behaupten und somit zunehmend Investoren überzeugen wird.

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*) Dr. Martin Leinemann, Vorstand Arbireo Capital