Seit der Finanzkrise ist der Anteil der amerikanischen Haushalte, die in der eigenen Wohnung leben, von 69% auf 63% zurückgegangen. Diese Entwicklung ist auf einen gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel zurückzuführen, der durch die Finanzkrise noch verstärkt wurde. Die Arbeitslosigkeit ist zwar seit der Krise wieder kontinuierlich gesunken, aber viele der neuen Stellen sind entweder im Niedriglohnsektor oder als Teilzeitstellen entstanden. Der Anteil der Amerikaner zwischen 18 und 34 Jahren, die noch bei den Eltern wohnen, liegt derzeit bei einem historischen Höchstwert von rund einem Drittel, Tendenz weiter steigend. Die Akademiker unter ihnen müssen zumeist hohe Studienkredite abbezahlen. Die durchschnittliche Höhe dieser Kredite ist zwischen 2004 und 2014 um 56% gestiegen auf im Schnitt rund 37.000 US-Dollar am Ende des Studiums.
Einen gewissen Einfluss hat auch die beginnende Zinswende in den USA: Seit Dezember 2015 gab es drei Leitzinserhöhungen, die die Wohnimmobilienkredite verteuert haben. Allein aus finanziellen Gründen wird der Trend bei Gründung eines eigenen Haushalts eher zur Miete gehen als zum Kauf. Hinzu kommt eine Individualisierung der Lebensstile. Ehen werden immer später geschlossen, die Scheidungsraten steigen und die Ansprüche an das Wohnen verändern sich, beispielsweise hin zum Leben in Wohngemeinschaften. Der Erwerb von Wohneigentum wird zunehmend in spätere Lebensphasen verlagert und die Miete wird zur sichereren und flexibleren Alternative in Zeiten persönlicher und finanzieller Unsicherheit – auch im Hinblick auf die Kreditausfallrisiken und den Immobilienmarkt als Ganzes.
Immobilieninvestoren sehen in diesen Entwicklungen neue Anlagechancen. Vor allem in größeren Ballungsräumen sind die Märkte für Apartmenthäuser oder Multi-Family-Houses sehr liquide. Die Mietsteigerungen im Residential-Segment in den USA sind im Vergleich zu Deutschland deutlich höher. In den letzten Jahren lagen diese zwischen 2,0% und 5,0% pro Jahr, in einigen Märkten waren es sogar zwischen 3,5% und 6,0%.
Die US-Bevölkerung ist im Vergleich zu Deutschland mobiler und mehr Umzüge bedeuten mehr Möglichkeiten, die Miete anzupassen. Die Nachfrage wird durch die positive demografische Prognose der USA weiter steigen. Langfristige Investments in Apartmenthäuser und -anlagen zeigen seit mehreren Jahrzehnten eine geringere Volatilität und eine höhere durchschnittliche Rendite als Einzelhandels-, Büro- und Gewerbeimmobilieninvestments.
Ob sich Investitionen in Multi-Family-Houses lohnen, hängt von den lokalen Marktverhältnissen ab. Für institutionelle Investoren sollten Investitionsstandorte eine Mindestgröße mit einem hohen Transaktionsvolumen und einer ausreichend hohen Marktliquidität aufweisen. Die jeweilige Stadt sollte über nicht weniger als eine Million Einwohner verfügen und eine solide wirtschaftliche und demografische Basis aufweisen. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sollte ausgewogen sein. Diese Kriterien erfüllen beispielsweise Boston, Washington D.C., Atlanta, Miami, Dallas, Denver, San Francisco, Seattle, Los Angeles, Austin oder Raleigh.
Ein Unsicherheitsfaktor ist das relativ starke Wachstum der Fertigstellungszahlen. Zwischen 2017 und 2021 wird die Apartmentanzahl US-weit netto um 1,18 Mio. Einheiten zunehmen. Der Peak wird voraussichtlich Ende 2017 oder Anfang 2018 erreicht, danach werden die Zahlen wieder sinken. Der Markt sollte dieses höhere Angebot allerdings durch das Wirtschaftswachstum und die bessere Beschäftigungssituation gut absorbieren.
Die Politik, die zweifelsfrei durch die Regierung Trump unberechenbarer geworden ist, mag bei Investoren ebenfalls zu erhöhter Vorsicht führen. Investitionsentscheidungen sollten dennoch grundsätzlich stärker durch die Fundamentaldaten der Zielmärkte begründet sein als durch politische Verhältnisse, die sich auch schnell wieder ändern können. Der gesellschaftliche Megatrend zur Mietwohnung wird unabhängig von der Politik anhalten.
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*) Nicholas Brinckmann ist Geschäftsführer der HANSAINVEST Real Assets GmbH.