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Kommentar: Punkt ohne Wiederkehr – wie Einkaufszentren die Krise gestärkt überstehen

Der Einzelhandel öffnet nach dem vorläufigen Ende des Lockdowns schrittweise wieder seine Türen, doch Frequenzen und Umsätze werden auf absehbare Zeit kein Normalniveau erreichen. Neben der teils dramatischen Situation, in der sich Handels- und Gastronomiebetriebe befinden, stehen auch Eigentümer und Finanzierer von Handelsimmobilien vor nie dagewesenen Herausforderungen. Der wochenlange Stillstand des öffentlichen Lebens wird die Einkaufsgewohnheiten der Deutschen und damit die Funktionen der Einkaufsstraßen und Shopping-Center nachhaltig verändern.

Lars Jähnichen

Nicht wenige Non-Food-Händler und auch Vermieter werden ihre Businesspläne nunmehr fundamental überarbeiten müssen. Eine Wahl haben sie kaum, zu stark ist der Druck auf ihre stationären Geschäftsmodelle. Unter Zugzwang stehen vor allem jene Mieter und Handelsimmobilien, die schon vor der Krise schlecht am Markt positioniert waren, etwa durch den Druck aus dem E-Commerce. Auf sie wirkt die Krise wie ein Katalysator, der strukturelle Probleme weiter verstärkt. Die Folge sind Marktbereinigungen im Handel, Forderungen nach Mietnachlässen bis hin zu Sonderkündigungsmöglichkeiten im Insolvenzfall.

Gerade Handelsimmobilien mit geringem Food-Anteil müssen nun Mietstundungen und in begrenztem Rahmen wohl auch Mietnachlässe bewältigen. Eine Herausforderung ist es dabei, auch die Ansprüche der Finanzierer zu berücksichtigen, schließlich sind Mieteinkünfte oftmals Teil der Garantievereinbarungen. Die Vermieter finden sich auch deshalb in einer Sandwich-Position zwischen ihren Mietern auf der einen Seite und ihren Fremdkapitalgebern und Investoren auf der anderen Seite wieder.

Verhandlungserfolge durch klare Mieteranalyse
Worauf es aus Sicht aller Stakeholder jetzt am meisten ankommt, sind klare Strategien, mit welcher Positionierung und mit welchen Mietern die Immobilie aus der Krise geführt und nachhaltig für die Zeit nach Corona aufgestellt werden kann. Folglich stehen Vermieter, Finanzierer, Asset- und Portfoliomanager von Einzelhandelsimmobilien an einem Punkt ohne Wiederkehr. Ein Zurück in alte Tage, in denen Einkaufszentren und Einkaufsstraßen nach einem ähnlichen Strickmuster konzipiert wurden, ist nicht mehr möglich. Stattdessen müssen wir jetzt Antworten auf essenzielle Fragen finden: Welche Funktion erfüllt die Immobilie künftig? Welche Nutzungen, welche Mieter sind hierfür die richtigen? Wie können faire finanzielle Lösungen mit den richtigen Mietern – nicht den lautesten – bei limitierten Budgets gefunden werden? Welche Anpassungen in der Gebäudestruktur sind notwendig und wie werden sich die Erträge künftig im Detail darstellen?

Vor der Lösungsfindung steht die strategische Dimension: Insgesamt haben wir 20 Faktoren identifiziert, mit denen jeder Mieter individuell analysiert wird. Hierzu gehören – neben der wirtschaftlichen Stärke des Mieters im Allgemeinen und in der Immobilie im Besonderen – gerade auch seine Relevanz und seine Ersetzbarkeit. Erst wenn diese Fragen fundiert beantwortet sind, können standortbezogene Lösungen für die Immobilie erarbeitet und ein fairer Interessensausgleich zwischen Mietern, Eigentümern und Finanzierern gefunden werden, wie ihn nicht zuletzt auch der Code of Conduct des German Council of Shopping Places fordert.

Gezielte Investitionen sichern nachhaltige Handels-Assets
Ist ein Mieter nach eingehender Prüfung erwiesenermaßen geeignet und wichtig für die künftige Positionierung der Immobilie, gilt es, ihn langfristig zu binden. Dazu gehört umgekehrt aber auch ein klares Bekenntnis des Mieters zum Objekt, beispielsweise indem er die Laufzeit des Mietvertrags verlängert. Neben der Relevanz für das Konzept der Immobilie ist dafür das Funktionieren des Geschäftsmodells dieses Mieters an eben diesem Standort von entscheidender Bedeutung. Hat sich ein Händler bereits vor der Krise an diesem Standort schwergetan, helfen ihm kosmetische Mietstundungen und -reduzierungen kaum weiter. In solchen Fällen ist dann oft nur noch die Beendigung des Mietverhältnisses zu fairen Konditionen der probate Weg.

Gefragt sind aber auch die Kapitalgeber, sowohl auf Eigen- wie auf Fremdkapitalseite. Handelsimmobilien bleiben grundsätzlich attraktive Assets, sofern jetzt die richtigen Weichen gestellt werden. Es darf aber keine Denkblockaden für zusätzliche Investitionen geben, wenn diese für die Umsetzung des richtigen Konzepts notwendig sind. Vielmehr gilt es, die notwendigen Mittel trotz der 2020 zu erwartenden Ertragseinbußen nicht aufzuschieben, sondern sie gerade jetzt gezielt freizugeben. Nur durch die Bereitschaft zu antizyklischen Investitionen können Handelsimmobilien an die Anforderungen unserer Zeit angepasst werden und damit einen wirtschaftlich nachhaltigen Beitrag in institutionellen Portfolios leisten.

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*) Lars Jähnichen ist Geschäftsführer der IPH Handelsimmobilien.