Hedgework: Beim Thema Kryptoassets denkt man sofort an Bitcoin und damit an eine extrem schwankende Wertentwicklung. Welche Bedeutung hat Bitcoin für Sie?
Schmidt: Auf der einen Seite freuen wir uns natürlich, dass durch den Kursverlauf des Bitcoins das Potenzial der Blockchain-Technologie einer breiten Öffentlichkeit deutlich geworden ist. Es ist schließlich eine Technologie, die das Potenzial hat, viele Aspekte unseres Lebens und Wirtschaftens zu verändern, nicht zuletzt auch die Investment-Branche. Auf der anderen Seite dominieren solch extreme Kursentwicklungen die öffentliche Diskussion und Berichterstattung stark. Dadurch wird der Blick auf die eigentlich spannenden Aspekte von Kryptoassets oftmals verstellt. Denn unabhängig von der kurzfristigen Kursentwicklung handelt es sich bei Kryptoassets um eine interessante Anlageklasse, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Bitcoin als erstem und nach wie vor dominierenden Kryptoasset kommt hier eine wichtige Rolle zu. Gleichwohl erscheint es uns wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Bitcoin nicht das einzige Kryptoasset ist. Derzeit hat Bitcoin einen Anteil von knapp 40% der Marktkapitalisierung und es gibt viele interessante Coins und Tokens aus der zweiten und dritten Reihe.
Hedgework: Was ist aus Ihrer Sicht das Wesentliche beim Krypto-Thema?
Schmidt: Kryptoassets beruhen auf der technologischen Idee der Blockchain, die es ermöglicht, Transaktionen in einem dezentralen Netzwerk manipulationssicher durchzuführen und zu dokumentieren. Dies muss jedoch keineswegs auf Zahlungstransaktionen beschränkt sein, wie vielfach angenommen wird.
Hedgework: Was wären andere Anwendungen der Blockchain-Technologie?
Schmidt: Im Prinzip können alle Arten von Transaktionen, die digital repräsentierbar sind, auf einer Blockchain abgebildet werden. So können Sie beispielsweise auf Basis von Ethereum, dem Kryptoasset mit der zweithöchsten Marktkapitalisierung, sogenannte „Smart Contracts“ programmieren. Im einfachsten Fall können das beispielsweise Treuhandverträge sein: Partei A weist eine Zahlung an Partei B an; die Durchführung der Transaktion steht unter dem Vorbehalt, dass Partei C und Partei D zustimmen. Es gibt aber auch Ansätze für deutlich komplexere Projekte und Geschäftsmodelle, beispielsweise dezentrale Energie-Handelsplattformen. Auf diesen können so genannte Prosumer, die Energie sowohl produzieren als auch konsumieren, „Peer-to-Peer“ – also direkt und ohne Mittelsmann – untereinander handeln. Viele Projekte befinden sich noch im frühen Stadium, haben aber großes Potenzial.
Hedgework: Wenn Kryptoassets nicht – oder zumindest nicht nur – mit Währungen vergleichbar sind. Welcher Vergleich wäre treffender?
Schmidt: Wir würden Kryptoassets im Gefüge der bestehenden Anlageklassen unter den Alternatives einordnen. Denn wie viele der Anlageformen, die hier subsumiert werden, erfordern Krypto-Märkte ein hohes Maß an Eigeninitiative bei der Beschaffung und Bewertung von Informationen. Wer sich beispielsweise bereits mit Venture Capital auseinandergesetzt hat, wird viele Parallelen zu Kryptoassets ziehen können. Auch hier gilt es, einerseits Teams und Technologien in einer frühen Phase zu beurteilen und andererseits die Risiken einzelner Investments durch eine smarte Portfolio-Konstruktion zu begrenzen.
Hedgework: Lässt sich die Einordnung als Alternatives auch an konkreten Zahlen festmachen?
Schmidt: Kryptoasses haben derzeit eine Marktkapitalisierung von rund 500 Mrd. US-Dollar. Damit hat die Assetklasse eine Größenordnung erreicht, die sie für viele Investoren interessant werden lässt. Gleichzeitig ist das Volumen immer noch gering im Vergleich zu anderen Alternatives: Hedgefonds beispielsweise haben ein globales Volumen von rund 3.200 Mrd. US-Dollar. Eine wichtige Eigenschaft, die zur Einordnung unter die Alternatives passt, ist die geringe Korrelation mit anderen Assetklassen. Genau das suchen schließlich viele Investoren im Alternatives-Bereich. Die Historie, die Kryptoassets haben, ist zwar noch recht kurz; dennoch lässt der vorliegende Zeitraum bereits interessante Analysen zu. Die Korrelation zwischen Bitcoin und dem MSCI World beispielsweise schwankt bereits seit Jahren um die Null-Linie, zweitweise war sie sogar leicht negativ. Damit weisen Kryptoassets letztlich ein Risiko-/Renditeprofil auf, das man ansonsten in ähnlicher Form nur im Alternatives-Bereich finden würde. Die Volatilität der Assets ist hoch, die risikoadjustierten Renditen waren in der Vergangenheit aber ebenfalls sehr gut. Lassen wir einmal das in jeder Beziehung außergewöhnliche Jahr 2017 außen vor und betrachten als Referenz die Entwicklung des Bitcoins im Jahr 2016. Hier zeigte sich eine Sharpe-Ratio von 2,2 – und damit auch nach Berücksichtigung der hohen Schwankungsbreite eine sehr attraktive Rendite.
Hedgework: Schreckt die hohe Volatilität der Assets nicht viele Investoren ab?
Schmidt: Sicherlich – insofern kommen Investitionen in Kryptoassets nur für Investoren mit entsprechender Risikobereitschaft in Frage. Positiv ist aus unserer Sicht jedoch, dass Kryptoassets an liquiden Märkten gehandelt werden. Das ermöglicht es Investoren, ihr Engagement in der Assetklasse langsam aufzubauen und dynamisch zu managen. Ein großer Vorteil, wenn Sie das etwa mit Venture Capital vergleichen. Hier ist das Kapital auf lange Zeiträume gebunden, die zwischenzeitliche Wertentwicklung ist oftmals nicht transparent.
Hedgework: Wie sollten sich Investoren dem Thema nähern – durch Investments in einzelne Coins, oder sollten wie auch bei anderen Assets Portfolien gebildet werden?
Schmidt: Der Aufbau von Krypto-Portfolien bietet sich an. Denn die einzelnen Geschäftsmodelle, die hinter den gehandelten Coins und Tokens stehen, unterliegen sehr unterschiedlichen Werttreibern und Risiken. Das spiegelt sich in der nach bisheriger Erfahrung schwachen Korrelation der Coins untereinander wider. Diese Eigenschaft der Kryptoassets ermöglicht eine Portfolio-Allokation, mit der sich die Volatilität auf Ebene des Gesamtportfolios reduzieren und das Risiko/Rendite-Profil der Strategie verbessern lässt. Zudem ist es möglich, diskretionär spezielle Marktsituationen auszunutzen oder in bestimmte Themen zu investieren. Der Charakter dieser Assetklasse zeigt zudem, dass sich gerade in dieser frühen Phase eine aktive Portfoliostrategie anbietet. Denn mit einer gezielten Auswahl der Assets lassen sich zum einen die Risiken dieser hochvolatilen Assetklasse bewusst managen. Und zum anderen kann mit gutem Research in dem sehr jungen Markt noch echtes Alpha erzielt werden.
Hedgework: Wie sind denn Anlagen in Kryptoassets möglich?
Schmidt: Die Infrastruktur und Produktlandschaft für professionelle Investoren entwickelt sich gerade. Grundsätzlich steht der Zugang zu den Kryptomärkten allen Anlegern zur Verfügung, es gibt zahlreiche Handelsplätze, die auch aus Deutschland heraus zugänglich sind. Ein direktes Investment kommt allerdings nur für Investoren in Frage, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen und die dafür notwendige technische Infrastruktur schaffen. Insbesondere die Verwahrung der Kryptoassets ist ein kritischer Punkt. In den allermeisten Fällen wird es sinnvoll sein, dieses Thema auszulagern. Bisher gibt es leider nur wenige Produkte, die für professionelle Anleger geeignet sind. Der Markt entwickelt sich allerdings gerade und wir gehen davon aus, dass im Laufe des Jahres einige Produkte an den Markt kommen werden.
Das Interview für Hedgework führte Joachim Althof.
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Martin Schmidt ist Partner der Postera Capital GmbH, einem Beratungs- und Beteiligungsunternehmen im Bereich Blockchain und Kryptoassets mit Sitz in Düsseldorf. Postera Capital ist eine Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, die auf Investmentmöglichkeiten in Kryptoassets spezialisiert ist. Dabei liegt der Fokus auf der Finanzanalyse und der Bewertung von Kryptoassets für professionelle Investoren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung von Anlagestrategien und strukturierten Investmentprozessen im Bereich Kryptoassets.