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Länderstudie: Deutschland und Österreich erfahren Rating-Upgrade

In unserer aktuellen Länderstudie analysierten wir erneut die fundamentale Kreditqualität von 53 Staaten. Die daraus resultierenden Bonitätseinstufungen ermöglichen institutionellen Investoren und Risikomanagern eine umfassende Orientierung, um künftige Investitionsentscheidungen breit abzustützen. Neben den wichtigsten Industrienationen bewertet die Studie auch zahlreiche Schwellenländer, die für Anleger stetig an Bedeutung gewinnen und medial immer wieder besonders in den Fokus rücken. Hier ist die Einschätzung aus Investorensicht anspruchsvoller als bei westlichen Staaten und entsprechend sind unabhängige Ratings eine wichtige Basis bei der Asset Allokation.

René Hermann

Die seit Mitte 2016 positive Wirtschaftsentwicklung setzte sich 2017 trotz Unsicherheitsfaktoren fort. Einige Länder haben den „Sweet Spot“ auch genutzt, um die Schulden (relativ zum BIP) zu reduzieren. Markante Verbesserungen sind in Österreich, Deutschland, der Niederlande, Ungarn, Litauen, Irland und Israel sowie in Slowenien zu beobachten. Doch die I-CV Länderstudie 2018 zeigt auch, dass der globale Schuldenrausch trotz des fundamental positiven Umfelds anhält.

Hier sind innerhalb der Industrienationen zuerst die USA zu nennen, deren Steuerreform und Ausgabenpolitik die Staatsverschuldung rasant ansteigen lässt. Innerhalb der Gruppe der Schwellenländer erhöht sich die Verschuldung bei den Schwergewichten Brasilien, China und Südafrika weiter. Die Hoffnung vieler Regierungen (USA, China), irgendwann durch eine Kombination aus expansiver Geld- und Haushaltspolitik den Schulden „entwachsen“ zu können, werten wir kritisch. Unsere Studienergebnisse zeigen ein herausforderndes Umfeld im späten Kreditzyklus für Anleiheinvestoren, die aufgrund zahlreicher Strömungen und den heterogenen Kreditprofilen ihre Anlageentscheidungen mehr denn je auf den Prüfstand stellen sollten.

Acht Upgrades und drei Downgrades zeigen positiven Trend
Aufgrund der Verbesserung der Verschuldungsquote, stabilen Wachstums und Fortschritten bei der Stabilisierung des Staatshaushalts resultieren immerhin acht Upgrades. Mit der höheren Bonitätseinstufung Deutschlands und Österreichs wird der deutschsprachige Raum weiter gestärkt. Deutschland schließt damit zur Schweiz auf und besitzt das höchste Rating, während Österreich zwei Stufen darunter rangiert (AA). Zusammen mit Nordeuropa ist die „D-A-CH-Region“ nun führend im Rating-Universum von I-CV. Zu Downgrades führten beispielsweise die Abschwächung der Kreditkennzahlen, der Anstieg von politischen und geopolitischen Unsicherheitsfaktoren, mangelnde Fortschritte bei der Bewältigung struktureller Probleme (schwache Governance) sowie ein akutes Refinanzierungsrisiko. Von den Abstufungen sind Brasilien, Kolumbien und Südafrika betroffen.

Der mehrheitlich positive Ratingtrend darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesamtverschuldung (Verschuldung von Staat, Haushalten und Unternehmen) Ende 2017 bereits wieder deutlich über dem Spitzenwert von 2010 lag – mit den großen Volkswirtschaften China und der USA als treibende Faktoren. Der Spar- und Reformdruck nimmt weiter ab und einige Staaten planen bereits, die Ausgaben prozyklisch zu steigern. Prominentes und gewichtigstes Beispiel hierzu bleibt die USA, wo Wachstum über Haushaltsdisziplin priorisiert wird, was die Schulden weiter ansteigen lässt. Die hohe Gesamtverschuldung, der Handelsstreit mit den USA und das langsamere Wachstum in China stellt die Regierung vor die Herausforderung, innen- und außenpolitische Interessen „schockfrei“ zu vereinbaren und haben das Potenzial, die Globalwirtschaft zu destabilisieren. Diese schwelenden Problemfelder gilt es im Auge zu behalten, denn bei den Staaten wäre es in „normalen“ Zeiten angebracht, Schulden in Vorbereitung auf zukünftige Krisen zu reduzieren. Der stete Schuldenanstieg kann bei einem Zinssprung nämlich schnell zum Problem werden und die vermeintliche wirtschaftliche und politische Stabilität gefährden.

Auffällig sind aus unserer Sicht auch folgende Fakten: Die disziplinierende Wirkung des Zinses meldet sich zurück. Länder mit schwachen Fundamentalzahlen, Refinanzierungsproblemen und wackeligen Institutionen werden vom Markt wieder abgestraft (zum Beispiel Italien, Türkei & und Argentinien). Das Universalkonzept (one-size-fits-all) der Europäischen Zentralbank führte zu Überhitzungserscheinungen in diversen Häuser- und Arbeitsmärkten. Ein Umstand, der vom Markt noch weitgehend ignoriert wird, ist, dass die Normalisierung der Geldpolitik der Zentralbanken über die Zeit höhere Zinsen, marktnähere Risikoprämien und einen Anstieg der historisch tiefen Ausfallraten nach sich ziehen wird.

Zur Beurteilung und Überwachung der Kreditqualität von Staaten setzen wir seit 2009 ein 4-Phasen Sovereign-Modell ein. Aufgrund von mehr als 50 Bewertungsfaktoren wird zuerst die fundamentale Stärke der Staaten evaluiert. Dabei misst das quantitative Modell die Bonitätsstärke respektive -schwäche aufgrund aktueller Daten und Prognosen (IWF, OECD, etc.). Im Anschluss an Phase 1 werden die individuellen Staatsbilanzen einem Deleveraging Szenario unterzogen (Phase 2). Die Ergebnisse aus Phase 1 und Phase 2 werden zu einem I-CV Rating konsolidiert. Abschließend werden wichtige Trends und Entwicklungen, welche die Ratings zukünftig beeinflussen können, untersucht (beispielsweise ESG Faktoren).

Implikationen für Anleiheninvestoren
Das Fazit der I-CV Länderstudie lautet: Trotz Fortschritten bleibt der finanzielle Spielraum vieler Staaten beschränkt, um bei Schwächephasen oder Krisen unterstützend einzugreifen. Wir erwarten negative Rückkoppelungseffekte in Ländern mit hoch verschuldeten Haushalten und Unternehmen. Die Auswirkungen des Liquiditätsentzugs durch die Zentralbanken werden sich erst langsam abzeichnen und auch Notenbanker sind von Fehlern nicht gefeit. Die Rückkehr des Risikobewusstseins der Anleger wird sich in Marktturbulenzen entladen, wie bereits in der Türkei, Argentinien aber auch Italien zu sehen war.

Wir bevorzugen Staaten mit stabilen politischen Rahmenbedingungen, hoher Wettbewerbsfähigkeit, intakten Bankensystemen und vorausschauender Fiskalpolitik (zum Beispiel Schweden, Niederlande, Dänemark, Slowakei und Finnland). Opportunitäten bieten sich risikobewussten Investoren in Russland, Mexiko, aber auch Polen und Ungarn. Das oberste Gebot bleibt eine vorsichtige Auswahl nach fundamentalen Kriterien und die laufende Überwachung, um sich vor negativen Überraschungen möglichst effizient zu schützen.

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*) René Hermann ist Partner und verantwortlich für den Bereich Research bei Independent Credit View (I-CV). Bevor er 2009 zum Unternehmen stieß, war er als Senior Analyst für die Credit Suisse Group und unter anderem im Bereich Mergers & Acquisitions für Zurich Financial Services tätig. Hermann hat fundierte Kenntnisse der Finanzdienstleistungsindustrie und mehrjährige internationale Erfahrung in der Unternehmensbewertung.