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Meinungsbeitrag: Hybride Hochhäuser – Die urbane Zukunft für Deutschland?

Während der Begriff „Hybrid“ in der Automobiltechnik bereits fest verankert ist, etabliert sich langsam der Begriff des Hybriden auch in der Immobilienwirtschaft im Zusammenhang mit Hochhäusern. Im Grunde beschreibt ein Hybridhochhaus ein Hochhaus, das mindestens zwei unterschiedliche Nutzungen vereint. Historisch wurden in Deutschland überwiegend monofunktional genutzte Hochhäuser entwickelt. Aufgrund des wachsenden Bedarfs an Lebens- und Wirtschaftsraum in den deutschen Großstädten entwickeln jedoch immer mehr Developer hybride Hochhäuser.

Klaus Dallafina

Zum Beispiel wurde das „Upper West“ am Berliner Kurfürstendamm, das Nutzungen wie Einzelhandel, Hotel und Büro vereint, nach vier Jahren Bauzeit gerade in Betrieb genommen. Des Weiteren wird in Frankfurt auf dem ehemaligen Areal des Bankhauses Metzler der Omniturm entwickelt, der Wohn- und Büroflächen vereint. Auch auf dem ehemaligen Deutsche Bank-Areal unweit des Frankfurter Rossmarkts sowie auf dem Grundstück des 2014 gesprengten AfE-Turms in Frankfurt-Bockenheim sind multifunktionale Hochhäuser in Planung.

Gute Gründe für das Hybridhochhaus
Während in Asien und in den USA gemischt genutzte Hochhäuser seit Jahrzehnten zum Stadtbild gehören, sind hybride Hochhäuser in Deutschland noch eine Seltenheit. Zum einem haben sich bislang extrem verdichtete Agglomerationen im Ausmaß wie in New York (rund 10.600 EW/km2) oder Tokio (rund 14.700 EW/km2) in Deutschland bisher nicht entwickelt (München rund 4.500 EW/km2, Berlin ca. 3.800 EW/km2 und Frankfurt ca. 2.800 EW/km2) und zum anderen erschwert die deutsche Rechtslage die Entwicklung von solch einem Hochhaus – besonders in Kombination mit Wohnnutzung. Unter Berücksichtigung der auch für die Zukunft vorausgesagten Bevölkerungswanderung vom Land in die Stadt wird gerade die Entwicklung von innerstädtischen Wohnflächen von Stadtplanern ausdrücklich gefordert.

Durch die in der Vergangenheit vorherrschende Funktionstrennung von Arbeits- und Wohnräumen entstanden städtebauliche Monostrukturen, die zu Lasten der Attraktivität einzelner Stadtteile ging. Mit der Kombination des hochverdichteten Wohnen und Arbeiten lässt sich die vorhandene Infrastruktur stärker nutzen und einer Zersiedelung der Städte vorbeugen. Das Hybridhochhaus soll letztlich einen Beitrag dazu leisten, diesen großstädtischen Problemen entgegenwirken und für eine effizientere und nachhaltigere Nutzung der verfügbaren Flächen sorgen.

Kritische Stellschrauben bei der Konzeption
So erstrebenswert gemischtfunktionale Hochhäuser aus Sicht der Stadtplaner auch sein mögen, für Entwickler und Investoren sind sie baulich, rechtlich als auch wirtschaftlich eine Herausforderung. In einem hybriden Hochhaus werden zwangsläufig verschiedene Nutzergruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zusammengebracht. Dies führt im Bau und im Betrieb zu Einschränkungen und Kompromissen. Diese sind durch den Entwickler im Spannungsfeld des wirtschaftlichen Erfolges zu bewältigen.

Gerade die Planung der inneren Erschließung ist im Hybridhochhaus besonders herausfordernd. Zusätzlich zu den erhöhten Brandschutzanforderungen an Hochbauten im Allgemeinen, fordern die Nutzer bei Hybridhochhäusern oftmals getrennte Erschließungswege. Typische Büronutzer wie Finanzdienstleister haben z.B. eigene Sicherheitsanforderungen und sind auf die Repräsentativität der eigenen Firma bedacht. Wohnungsnutzer hingegen leben im hybriden Hochhaus, d.h. sie kommen vom Einkaufen, tragen legere Kleidung und haben rund um die Uhr nur bedingt kontrollierbaren Besuch. Das hat zur Folge, dass im Zweifel für unterschiedliche Nutzungen eigene Eingänge, Treppenhäuser und Aufzüge erforderlich werden, was wiederum einen spürbaren Einfluss auf die Flächeneffizienz und schlussendlich auf die Mieterträge des Hybridhochhauses haben kann.

Neben der Flächeneffizienz spielt auch die Flexibilität der Grundrissgestaltung für die einzelnen Nutzungen eine wichtige Rolle. Stark spezialisierte Raumkonzepte können bei nachträglichen Nutzungsänderungen zu hohen Investitionsaufwänden führen, was die wirtschaftliche Drittverwendbarkeit des Hybridhochhauses einschränken kann.

Weiterhin stellt auch die Fassadengestaltung des Hybridhochhauses eine planerische Herausforderung dar. Für Wohnhäuser sind ganzflächige Glasfassaden nur schwer realisierbar, da die Wohnnutzung die höheren Anforderungen an den Wärmeschutz hat. Zudem weisen Wohngebäude sich durch eine Außenfassade aus, die von öffenbaren Fenstern und Außenflächen geprägt sind. Die Herausforderung besteht darin, unterschiedlich präferierte Fassadengestaltungen zu einem ästhetischen Fassadenbild zu kombinieren, genügend Tageslichteinfall zu gewährleisten sowie den Wärmeschutzanforderungen der jeweiligen Nutzung gerecht zu werden.

Wie hybride Hochhäuser rentabel werden
Um die höheren Baukosten eines hybriden Hochhauses finanziell tragen zu können, benötigen die Entwickler Mieter, die bereit sind, hohe Mieten zu zahlen. Im gewerblichen Bereich sind Mieten für neugebaute Hochhäuser jenseits der 30 Euro/m2 eher die Regel als die Ausnahme. Im wohnwirtschaftlichen Bereich ist das Ende der Fahnenstange oftmals bei 25 Euro/m2 erreicht. Dies kann signifikante Auswirkungen auf die Renditeanforderungen des Hybridhochhauses haben. Die Lösung dieser Problematik kann in der WEG-Aufteilung des Hochhauses liegen, da Wohnungen im WEG-Eigentum höhere Kaufpreise erzielen können.

Die Aufteilung nach WEG kann jedoch eine Hemmschwelle sowohl für den Projektentwickler als auch für Endinvestoren darstellen. Der wirtschaftliche Betrieb des Hochhauses kann im schlimmsten Fall durch Interessenkonflikte der unterschiedlichen Eigentümer scheitern. Dies kann zu einem enormen Instandhaltungsstau und damit auch zu Leerständen führen.

Weiterhin entstehen in Hochhäusern während der Nutzungsphase sehr hohe Betriebskosten, da eine Vielzahl von technischen Anlagen für eine adäquate und behagliche Nutzung der Flächen benötigt werden und diese regelmäßig gewartet und instandgehalten werden müssen. Durch ein hybrides Nutzungskonzept mit zusätzlichen Erschließungswegen steigt die Anzahl dieser Anlagen, was sich wiederrum auf die Betriebskosten auswirkt. Diese Kosten können im Zweifel nicht vollumfänglich auf die Wohnungsmieter umgelegt werden und sich nachteilig auf die jährliche Rendite des Investors auswirken.

Das volle Potenzial entfalten
Trotz allen Herausforderungen kann das Hybridhochhaus ein langfristiges und wirtschaftliches Investment für den Developer oder den Endinvestor sein. Der nachhaltige Erfolg setzt unter anderem eine angemessene Standortwahl, das richtige Nutzungskonzept, eine nachhaltige Gebäudekonstruktion sowie die Akzeptanz der Öffentlichkeit voraus.

Da ein Hochhaus generell nur dort entstehen kann, wo die Stadtplanung es vorsieht, muss der Standort so gewählt sein, dass der jeweilige Nutzer von der vorhandenen Infrastruktur profitiert. Die Art und der Grad der Nutzungsmischung sind an den Mikrostandort des Hybridhochhauses gebunden und sollen bestenfalls Synergieeffekte erzeugen. Um den städtebaulichen Zielen der Belebung gerecht zu werden, empfiehlt sich die Integration von öffentlich zugänglichen Nutzungen. Weiterhin muss das Preisniveau im jeweiligen Teilmarkt hoch genug sein, um eine adäquate Verzinsung des investierten Kapitals erwirtschaften zu können.

Das Gebäudekonzept sollte unter einer nachhaltigen Sichtweise, die die Kosten während der Nutzungsphase der Immobilie inkludiert, geplant und ausgeführt werden. Um auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren zu können, ist es sinnvoll, ein gewisses Maß an Flächenflexibilität zu gewährleisten, sodass das Drittverwendungsrisiko reduziert und Umbaumaßnahmen wirtschaftlich realisiert werden können. Da die Planungskosten insgesamt sehr hoch sind, sollte eine gewisse Baumasse erreicht werden, um die Kosten auf genügend Mietfläche aufteilen zu können.

Damit das Hybridhochhaus von den verschiedenen Nutzern angenommen wird, ist es von Vorteil, die Vermarktungsaspekte im Hinblick auf die langfristige Vermietung und den Verkauf so früh wie möglich einzubeziehen. Dazu kann die Anordnung der Nutzer im Gebäude optimiert werden, um z.B. Wohnungsnutzern die nötige Privatsphäre als auch die geforderten Lichtverhältnisse in der dicht bebauten Innenstadt anbieten zu können.

Neben den potentiellen Bewohnern sollte auch das Interesse der breiten Öffentlichkeit mit dem Hybridhochhaus geweckt bzw. dessen Akzeptanz als urbaner und hochwertig nachverdichteter Wohnraum gewonnen werden. Da in Deutschland teilweise negative Assoziationen mit Wohnhochhäusern in Verbindung gebracht werden, ist ein positives Marketing des hybriden Hochhauses wichtig.

Fazit
Bei einem gut konzipierten Hybridhochhaus erhält der Investor eine langfristig konzipierte, Nutzungs- und Mieterdiversifizierte Immobilienanlage in hochverdichteter Innenstadtlage, welche nicht nur von den Nutzern, sondern auch von der breiten Bevölkerung als stadtbildprägendes Landmark Building akzeptiert wird. Ob sich die hybriden Hochhäuser in den hoch verdichteten deutschen Großstädten analog den internationalen Megacities langfristig etablieren können, wird vor allem auch der Erfolg der bereits im Bau befindlichen bzw. kurzfristig fertiggestellten Hybridhochhäuser mit entscheiden.

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*) Klaus Dallafina verantwortet von Frankfurt aus die Immobilienbewertung von Knight Frank in Deutschland und ist Mitglied im Global Valuations Management Board der internationalen Immobilienberatungsgesellschaft. Klaus Dallafina ist Diplom-Volkswirt und Diplom Immobilienökonom (ADI), besitzt mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Immobilienbewertung und ist fokussiert auf Gewerbe- und Wohnimmobilienportfolios. Zudem ist er Registered Valuer, Recognised European Valuer (REV), HypZert (F) Gutachter und Mitglied der RICS Professional Group Valuation. Thuy Duong Le ist Absolventin der Hochschule RheinMain (Bachelor of Engineering), derzeitig Masterstudentin für Immobilienmanagement und arbeitet seit 2015 als Werkstudentin bei Knight Frank in Frankfurt.