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„Ohne institutionelles Kapital wird die Energiewende nicht gelingen“

Infrastruktur & Rohstoffe, Verkehr, Digitalisierung, Immobilien, Energie und die aktuelle Studie „Präferenzen institutioneller Anleger bei alternativen Investments“ – Markus Hill sprach für IPE D.A.CH mit Sebastian Thürmer, artis Institutional Capital Management GmbH, über Trends in der Branche, die Herausforderungen für Investoren bezüglich der Assetklassen und den „Kick-Off“ für die Investorenbefragung.

Sebastian Thürmer

Markus Hill

IPE D.A.CH: Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu. Für die Assetklasse Infrastruktur waren viele Marktteilnehmer positiv gestimmt. Wie hat sich der Markt entwickelt und was suchen Institutionelle?
Thürmer: In der Tat sind 2024 wieder beträchtliche Summen in Infrastrukturprodukte geflossen. Der Markt umfasst derzeit mehrere hundert Infrastrukturfonds im EU-Vertrieb, welche um Zeichnungszusagen buhlen. Es herrscht also ein großer Wettbewerb. Dem Anleger bieten sich viele Möglichkeiten. Das Anlagespektrum ist mittlerweile sehr unübersichtlich und wenig transparent. Es werden Investments favorisiert, welche überdurchschnittliches Wachstum generieren bzw. in Aussicht stellen als auch die notwendige Transformation begünstigen. Derzeit sind dies überwiegend Energiethemen, welche gegenwärtig noch über 90% des Produktuniversums ausmachen, aber Bereiche wie Digitalisierung oder Verkehr sind ebenfalls stark im Kommen.

IPE D.A.CH: Infrastruktur wird von vielen als Megatrend wahrgenommen. Verstehen Sie den Hype dieser Assetklasse?
Thürmer: Infrastruktur ist heutzutage ein wichtiger Bestandteil in einem institutionellen Portfolio. Die Quote wird auf Sicht der nächsten 10-15 Jahre weiter ansteigen. Anleger können mit Investitionen dem Klimawandel entgegenwirken oder andere wichtige infrastrukturelle Bereiche unterstützen. Keine Assetklasse bietet mehr Spielraum als Infrastruktur. Solche Anlagen bieten Institutionellen attraktive Chancen mit langen und stabilen Erträgen. Der Investitionsbedarf ist enorm, das Produktangebot oft attraktiv und vielfältig sowie die öffentlichen Kassen leer. Regulatorische Anreize als auch staatliche Förderungen erhöhen zusätzlich die Attraktivität. Private Lösungen gewinnen daher mehr und mehr an Gewicht und Akzeptanz in der öffentlichen Wahrnehmung. In den vergangenen Jahren ist bei institutionellen Investoren ein Bewusstseinswandel eingetreten. Nachhaltigkeitsaspekte bestimmen zunehmend die Märkte. Vorbei sind die Zeiten, wie zur Jahrtausendwende, als die überwiegende Anzahl von Investoren ausschließlich in Aktien, Festverzinsliche und Immobilien investierten. Das Anlagespektrum ist heute wesentlich breiter, professioneller und unternehmerischer ausgerichtet.

IPE D.A.CH: Was sind die größten Herausforderungen für Investoren bei Infrastrukturanlagen?
Thürmer: Viele Initiatoren sind bei illiquiden Anlagen oftmals zu optimistisch in Bezug auf mögliche Ankäufe, Fremdfinanzierungen, versprochene Kapitalabrufe und Renditeprognosen. Das ist aber nicht nur ein Problem von Infrastrukturinvestments, sondern grundsätzlich bei Alternativen wie zum Beispiel auch bei Immobilien-, Private Equity-, und Private Debt-Anlagen. Institutionelle sollten sich auch kritisch mit den Risiken und den publizierten Erfolgsnachweisen auseinandersetzen. Ich bin Anfang 2024 von einer Fondsgesellschaft angesprochen worden, ob ich deren Infrastrukturprodukt platzieren könnte. Der Fonds wurde als „Core“ eingestuft, hatte aber eher den Charakter von Venture Capital. Initiator war ein sehr renommiertes Haus. Vor Wochen erfuhr ich, dass dieses Sondervermögen platziert wurde. Ähnlich verhält es sich mit nachhaltigen oder ESG-konformen Einstufungen. Artikel 8- und 9-Einstufungen nach SFDR werden mittlerweile als Marketing-Brand genutzt und sind nicht immer aussagekräftig, da 6er-Fonds kaum mehr auf Interesse stoßen. Infrastruktur ist immer noch eine intransparente Assetklasse. Aktives Reporting, Risikomanagement und Erfolgsmessungen sind während der gesamten Laufzeit unabdingbar. Die Quantifizierung von Chancen und Risiken muss fortlaufend neu bewertet werden. Nur so können die erhofften Anlageziele auch erreicht und kontrolliert werden.

IPE D.A.CH: Haben sich die Anlegerbedürfnisse von Investoren bei Energiethemen insgesamt im Vergleich zu den Vorjahren gewandelt?
Thürmer: Erneuerbare Energien in Form von Bestandsobjekten bleiben weiterhin im Trend. Allerdings tendieren Anleger mittlerweile als Beimischung auch zu Projektentwicklungen im „late stage-Bereich“. Dafür spricht nicht nur ein höherer Cashflow, sondern auch die Möglichkeit, in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit von Beginn an mehr Einfluss zu nehmen. Ideal wäre es, wenn das Fondsmanagement im Unternehmensverbund auf eigene Projektentwicklungen zugreifen könnte. Wichtig sind hier Erfahrung, Know-how und ein nachweislich guter Erfolgsausweis. Erneuerbare Energien sollen laut der Bundesregierung bis 2030 mindestens 80% unseres Stromverbrauchs ausmachen, das Ziel ist noch nicht in Reichweite, daher können Erneuerbare immer noch eine attraktive Investition sein.                                                                              Ein weiterer Trend ist Repowering. Hier werden neue Anlagen auf bereits genehmigte und erschlossene Wind- und Solarparks errichtet. Die Leistungsfähigkeit pro Modul hat sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt und ist damit wesentlich effizienter und wirtschaftlicher aufgestellt. Die Vorlaufzeiten bis zur erneuten Inbetriebnahme können ebenso deutlich geringer ausfallen.                                                                                                                                                                                                                                                                                          Anlagechancen sehen institutionelle Investoren weiterhin im Netzausbau sowie beim Ausbau der Speicherinfrastruktur und neuerdings im Energie-Einspar-Contracting, also Energieeffizienz. Gerade bei Speicherung und der Effizienz wird die Nachfrage als auch das Produktangebot in den kommenden Jahren deutlich ansteigen. Aktuell bieten sich hier nur überschaubar Anlageopportunitäten. Um die Dekarbonisierungsziele zu erreichen, müssen laut dem McKinsey Global Institute allein im deutschen Energiesektor bis 2030 Investitionen in Höhe von 600 Mrd. Euro vorgenommen werden. Den Großteil tragen Energieunternehmen, aber ohne institutionelles Kapital wird die Energiewende nicht gelingen.

IPE D.A.CH: Themenbereiche wie Digitalisierung und Verkehr haben Sie eingangs angesprochen. Was verstehen Sie darunter und werden diese Sektoren ähnlich erfolgreich sein?
Thürmer: Digitalisierung und Verkehr/Transport werden auf Sicht der nächsten Jahre bedeutende Sektoren im Infrastruktursegment. Der Kapitalbedarf für die Energietransformation wird langfristig allerdings höher sein. Digitale Infrastruktur beinhaltet beispielsweise Mobilfunknetze, Cloudspeicher, Rechenzentren. Infrastruktursicherheit, also der Schutz kritischer Systeme vor Cyberangriffen, als auch grundsätzlich das extreme Wachstum von künstlicher Intelligenz. Zur Verkehrsinfrastruktur zählen Straßen, Flughäfen, Seehäfen oder der Bahnverkehr. Aus meiner Sicht besonders spannend sind Investitionen in nachhaltige Verkehrs- und Transportvorhaben. In den vergangenen Jahren wurden von institutioneller Seite deutlich weniger Gelder in die Dekarbonisierung des Verkehrs- und Transportwesens investiert, da man sich fast nur auf Energiethemen konzentrierte. Fakt ist aber, dass rund 25% der Treibhausemissionen in der Europäischen Union vom Verkehr verursacht werden. Der Verkehrssektor ist damit der drittgrößte CO2-Emmitent und liegt bei der Dekarbonisierung im Vergleich zu den Energiemärkten beträchtlich zurück. Hier bieten sich zukünftig vermutlich attraktive Möglichkeiten, diese Transformation zu begleiten. Der Verkehr in Deutschland und Europa wird weiter zunehmen. Die neue Verkehrsprognose des Bundes für 2040, welche im Oktober vom Verkehrsministerium veröffentlicht wurde, geht von einem starken Anstieg des Schienenverkehrs aus, insbesondere beim Güterverkehr. Der Güterverkehr hat beim Transport von Waren aktuell nur einen Marktanteil von etwa 20% und daher noch gewaltiges Potenzial, auch deshalb spielt der Schienengüterverkehr zur Erreichung von EU-Klimaschutzzielen „European Green Deal“ eine wesentliche Rolle. Der Bedarf für die Bahnunternehmen, also Schienenausbau, Sanierung bestehender Strecken sowie Elektrolokomotiven, Personen- und Güterwagen verschlingt allein in Deutschland einen sehr hohen zweistelligen Milliardenbetrag. In der EU sieht es nicht anders aus. Wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Ausrüstung noch aus den 70er Jahren stammt, kann man sich die Problematik gut vorstellen. Die Elektrifizierung von Zugflotten bietet nachhaltige Renditepotenziale. Ziel der Europäischen Union und der Bundesregierung sind eine zügige und verlässliche Abwicklung der Fracht von der Straße auf die Schiene. Dies würde eine massive Reduktion von CO2 bewirken.

IPE D.A.CH: Sie erwähnten gerade das Beispiel Elektrolokomotiven. Wie geht man mit Bahnstrecken um, welche noch gar nicht elektrifiziert sind?
Thürmer: Bei nicht elektrifizierten Bahnstrecken können Diesel-Lokomotiven eingesetzt werden. In Deutschland sind bislang 61% und in der Europäischen Union 54% der Bahnstrecken elektrifiziert, aber selbst bei Einsatz von Dieselloks werden im Vergleich zur Straße immer noch 73% weniger CO2-Emissionen freigesetzt, bei Elektrolokomotiven sind es sogar 90% weniger Treibhausgase.

IPE D.A.CH: Müssten Rohstoffe nicht auch zur Familie der Infrastrukturanlagen gehören? 
Thürmer: Grundsätzlich ja. Wenn eine Energiewende von fossilen Brennstoffen hin zu Ressourcen ohne Treibhausemissionen gelingen soll, werden Rohstoffe wie Kupfer, Lithium, Kobalt oder Nickel benötigt, unabhängig davon, dass unsere Industrie ebenfalls solche Rohstoffe benötigt. China beispielsweise schafft Fakten, indem weltweit Rohstoffvorkommen gesichert werden, so machen wir uns oder unsere Industrie u. U. abhängig von autoritären Wirtschaftsmächten. Erneuerbare Energieträger, Netze, Speicheranlagen, Elektroautos oder Rechenzentren sind beispielsweise exemplarisch für große Mengen an Rohstoffen. Unternehmen der Assekuranz sind aufgrund der derzeitigen Regeln bei Solvency II in Bezug auf Metalle stark unterinvestiert. Die Politik wird wahrscheinlich dann erst wieder aufwachen, wenn ein Krisenfall eingetreten ist. Aber dann ist es möglicherweise zu spät.

IPE D.A.CH: Sie führen bekanntlich jährlich die Studie „Präferenzen institutioneller Anleger bei alternativen Investments“ durch. Wann kann mit neuen Ergebnissen gerechnet werden und erwarten Sie Veränderungen zum Vorjahr?
Thürmer: Wir sind bereits in Vorbereitung, starten im Dezember 2024 und wollen diese bis Februar 2025 abschließen. Es macht wenig Sinn, über mögliche Veränderungen zu spekulieren. Die Ergebnisse werden wir zeitnah veröffentlichen.

IPE D.A.CH: Vielen Dank für die Einschätzungen.

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Sebastian Thürmer ist geschäftsführender Gesellschafter der artis Institutional Capital Management GmbH in Frankfurt am Main. artis ist ein unabhängiger Placement Agent und Consultant für institutionelle Anleger in der DACH-Region mit der ausschließlichen Ausrichtung auf alternative Investments. Schwerpunkte sind die Eigenkapitalgenerierung für Produktinitiatoren sowie das Allokationsmentoring für institutionelle Investoren.

Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de