„Nachhaltigkeit wird schon lange gelebt, aber sie kostet immer mehr Geld“, leitete etwa Dietmar Schuster, Mitglied der Geschäftsführung der Bundespensionskasse, die rund 1,3 Mrd. Euro für Beamte und staatliche Angestellte verwaltet, sein Statement ein. Natürlich verwies er damit auf die Regulatorik, die immer mehr Daten und Berichte verlange.
Er sieht daneben jedoch ein größeres Problem: „Die Erwartungen z.B. der Finanzmarktaufsicht und auch der Öffentlichkeit sind viel detaillierter, als die Daten, die wir bekommen.“ Er hoffe hier in den nächsten Jahren auf bessere Datensätze, sagte Schuster auf einem Panel bei der Nachhaltigkeitskonferenz, die das Institutional Capital Forum diese Woche gemeinsam mit dem FNG in Wien veranstaltete.
In die gleiche Kerbe schlug Johannes Puhr, CEO der fair-finance Asset Management, die für die gleichnamige Vorsorgekasse rund 1 Mrd. Euro an Abfindungsgeldern verwaltet: „In den letzten Jahren konnten wir fast ohne Kosten nachhaltig agieren, jetzt kostet uns das entweder Manpower oder Daten, die wir generieren müssen.“ Im Gespräch mit IPE D.A.CH am Rande der Konferenz erläuterte er die Problematik dahinter: „Die regulatorischen Kosten werden strukturelle Veränderungen bringen, weil gerade kleine, innovative Unternehmen dadurch Mehrkosten haben.“ Auch im Asset Management-Bereich werde es solche Anbieter geben, die die Kosten auf die Kunden abwälzen.
Zum Thema innovative kleine Unternehmen betonte Puhr gegenüber IPE D.A.CH, dass gerade in diesem Bereich das „G“ von ESG sehr vernachlässigt wird. „Wenn solche Firmen wachsen, brauchen sie Unterstützung in der Governance – und die gibt es kaum.“
Überhaupt fragt sich Puhr: „Sind wir mit unseren Nachhaltigkeitssiegeln noch zeitgemäß?” Themen wie die Energie-Transition würden kaum mitberücksichtigt und der soziale Bereich werde zu wenig beachtet. „Soziale Taxonomie ist abgesagt“, betonte Puhr und ergänzte, dass gerade jetzt den Firmen das Humankapital ausgehe.
Keine langfristigen Verluste
Nachdem – vor allem durch Skepsis aus den USA – auch das alte Thema der Nachhaltigkeit vs. Rendite wieder verstärkt diskutiert wird, fand es auch Platz am Panel der Vorsorgeeinrichtungen. Günther Schiendl, Finanzvorstand der VBV-Gruppe, die in der Pensionskasse knapp 15 Mrd. Euro treuhänderisch veranlagt, sieht nur mögliche kurzfristige Nachteile durch nachhaltige Veranlagung: „Die Nachhaltigkeit bringt eine zusätzliche Dimension in Portfolio, die über lange Zeit kaum Unterschiede in der Rendite macht, kurzfristig aber sehr große.“ Ein Beispiel seien Portfolios in denen aus Nachhaltigkeitsgründen 2022/23 kein Öl und Gas beinhaltet war. Das sei in anderen Jahren ein großer Vorteil gewesen. „Wenn man nachhaltig veranlagt, muss man darüber berichten, damit die Menschen sehen, was da passiert“, so Schiendl. Hier habe die EU mit der Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung „einen wichtigen Schritt gesetzt”.
Das bestätigte Antje Biber, Head of SDG bei Feri, auch für Deutschland: „Niemand wolle, dass seine Versorgungseinrichtung ein Kohlekraftwerk finanziert“, formulierte sie überspitzt. Diese Offenlegungen hätten geholfen, die öffentliche Meinung in Richtung erneuerbare Energien und Energiewende zu drehen, zeigte sie sich überzeugt. Sie sieht die Skepsis gegenüber nachhaltiger Veranlagung praktisch nur aus den USA kommen: „Europäische institutionelle Investoren sind sich ihrer Verpflichtung voll bewusst – und sehen neben dem Reputationsrisiko auch das gute Risiko-Ertrags-Verhältnis.“
Schiendl betonte ebenfalls, dass der Finanzsektor die Nachhaltigkeit „mittlerweile aus Überzeugung“ verfolge. Auch wenn er überzeugt sei, dass die Finanzindustrie „von der Politik missbraucht wurde, um Ziele zu verfolgen, die viele Politiker nicht selbst umsetzen wollten“. Auf politischer Ebene sieht er „bereits ein Zurückrudern“, was die Überzeugung zu nachhaltiger Veranlagung betrifft.
Andererseits sei so etwas wie die Verschiebung des Lieferkettengesetzes „vielleicht gut“, denn es müsse bei einigen Regulatorien erst ein Reifungsprozess einsetzen. „Sie dürfen nicht zu strukturellen Nachteilen für Europa führen“, betonte Schiendl. Was fehle, sei eine Steuerpolitik, die Innovation fördere.
Auch von Seiten der Versicherungswirtschaft kam ähnliche Kritik: „Regularien widersprechen sich derzeit, weil mühsam geschlossene politische Kompromisse einfach in Regularien gegossen wurden“, so Andreas Beyerle, CFO der Helvetia Versicherungen in Österreich.
Eine Hoffnung auf Änderung in dem Bereich sahen viele Teilnehmende in der Überarbeitung von Regularien, etwa in der anstehenden Review der SFDR. Auch die Finanzmarktsaufsicht (FMA) erhofft sich davon Erleichterungen: „Der Zyklus der EU-Regulation zur Nachhaltigkeit nähert sich nun seinem Ende, jetzt ist es Zeit, die Regularien zu vertiefen“, sagte Georg Lehecka von der Investmentfonds- und Bankenaufsicht der FMA. „Die SFDR war ein großer Sprung nach vorne aber es gibt ’room for improvement‘.“ Er bestätigte, dass die FMA Vorschläge für die Überarbeitung einbringen werde, die sich aus der praktischen Anwendung der Regularien ergeben haben.