Foundation | Welcome

Menu


Real Estate Kommentar: Aus Käufern werden Entwickler

Das Konzept des „Develop and Hold“ wird in den kommenden Jahren in den deutschen A-Städten immer mehr in den Anlagefokus rücken. Denn traditionelle Bauträger stoßen bereits an die Grenzen ihrer Kapazitäten bei der Wohnungsprojektentwicklung, und öffentliche Akteure werden durch langwierige Abstimmungsprozesse gehemmt. Gleichzeitig haben auch Investoren heutzutage mit einem Engpass zu kämpfen, und zwar beim Angebot passender Investmentobjekte. Trotz Mangels an Wohnraum in deutschen Großstädten und entsprechend großer Investitionsnachfrage erschweren zudem langwierige Genehmigungsprozesse, politische Debatten und erheblich gestiegene Grundstückskosten notwendiges und schnelles Handeln.

Lahcen Knapp

Dennoch sind Wohnimmobilien in Zeiten volatiler Kapitalmärkte nach wie vor ein attraktives Investment, weil mit der Anlage neben einem stabilen Cash-flow durch regelmäßige Mieteinnahmen auch langfristige Wertsteigerungen der Objekte einhergehen – zumal der Boom des Wohnimmobilienmarkts vor allem in den Metropolen anhalten dürfte. Wer in Bestandsimmobilien investiert, wird gleichwohl insbesondere in den Top-7-Städten oftmals nur noch geringe Renditen erwirtschaften können. Denn die hohen Ankaufspreise drücken die Gewinnaussichten erheblich. Viele institutionelle Investoren können kaum noch die Mindestanforderungen an die Renditevorgabe erfüllen und versuchen es mit einem Ausweichen in die risikoreicheren Märkte der B-Städte. Ein gangbarer Weg, aber nicht für jeden die beste Wahl.

Wir haben uns bei Empira schon vor längerer Zeit die Frage gestellt, wie man aus dem Rendite-Dilemma herauskommt, und sind dabei auf folgende Lösung gekommen: Warum nicht selbst zum Projektentwickler werden, die Objekte aber nicht sofort verkaufen, sondern als Bestandshalter über einen Zeitraum von zehn Jahren halten und das Geschäft danach mit einem lukrativen Exit beschließen? Dieses Konzept des „Develop and Hold“ wird vor allem in den wichtigsten Großstädten hierzulande immer mehr in den Anlagefokus rücken.

Dies manifestiert sich auch schon in ersten belastbaren Zahlen: Aktuell werden rund 5,2 Mio. Quadratmeter Wohnfläche von Develop-and-Hold-Akteuren entwickelt, hat das Analyseunternehmen bulwiengesa errechnet. Das entspricht mehr als einer Million Quadratmeter pro Jahr. Zählt man die Projektflächen der sogenannten Trading-Developer dazu – die ähnlich wie ein Bauträger einem Dienstleister für den Endinvestor entsprechen –, entstehen in den sieben A-Städten insgesamt jährlich sogar Wohnungen in der Größenordnung von 3,3 Mio. Quadratmeter. Damit ist die Nachfrage aber noch lange nicht gedeckt: bulwiengesa prognostiziert einen Wohnungsbedarf in diesen Städten von jährlich rund 4,2 Mio. Quadratmeter.

Für uns ist diese Entwicklung Grund genug gewesen, in Kooperation mit bulwiengesa die Märkte in den A-Städten vor dem Hintergrund von Niedrigzinsen und großem Baubedarf einerseits und restriktiven Hemmnissen andererseits genauer zu betrachten und die Wirksamkeit der Develop-and-Hold-Strategie in den einzelnen Städten zu analysieren. Nehmen wir nur einmal Berlin: Aufgrund ihrer Größe ist die Hauptstadt absolut gesehen der Markt mit dem größten Umfang an Develop-and-Hold-Wohneinheiten. An zweiter Stelle rangiert – deutlich vor Hamburg – die bayerische Landeshauptstadt München. Setzt man die im Bau beziehungsweise in Planung befindliche Wohnfläche in Relation zur Einwohnerzahl, wird insbesondere in den Märkten Frankfurt am Main und München viel Wohnfläche mittels Develop-and-Hold-Strategie gebaut (in beiden Städten 0,77 Quadratmeter je Einwohner). Vergleicht man diese Zahlen wiederum mit den Trading-Development-Kennwerten, wird deutlich: Der Anteil der Develop-and-Hold-Wohnfläche an der Gesamtfläche der Wohnentwicklungen schwankt je nach Stadt zwischen 22 und 41%.

Wir gehen davon aus, dass dieser Anteil tendenziell steigen wird. Denn die Trader-Developer sind trotz des sehr freundlichen Investitionsklimas im deutschen Markt für Wohnungsbauprojektentwicklungen schon seit einigen Jahren nicht mehr dazu in der Lage, ihre Kapazitäten auszubauen. Daher haben sich schon unterschiedliche Akteure mithilfe einer Develop-and-Hold-Strategie bereits Marktanteile am städtischen Wohnungsneubau sichern können. Das gilt vor allem in Hamburg, Berlin und München: 2018 lag der Anteil der Develop-and-Hold-Strategen in Berlin bereits bei 34%, in München bei 35%. Frankfurt am Main ist nach unseren Analysen ebenfalls ein Wachstumsmarkt für Develop-and-Hold. Entscheidend wird in den kommenden Jahren sein, ob die Planungspolitik der jeweiligen Kommune und auch die Verfügbarkeit von Grundstücken in diesen Städten eher eine bremsende oder eine beschleunigende Wirkung haben werden.

Da auch künftig von einem Niedrigzinsniveau im gesamten Euroraum auszugehen ist, wird die Immobiliennachfrage grundsätzlich hoch bleiben und eine gute Basis für weitere Investitionen bilden. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist und sich positiv für die Strategen auswirken könnte: Die gesellschaftspolitischen Veränderungen verlangen immer stärker nach einem Ausgleich zwischen freien Marktkräften – vor allem auf den städtischen Grundstücksmärkten – sowie sozialen und volkswirtschaftlichen Allgemeinzielen. Dazu sind auf jeden Fall verbindliche Partnerschaften zu zählen, die zwischen Stadtplanern mit langfristigen Perspektiven und nachhaltig orientierten Immobilieneigentümern geschlossen werden sollten.

Aus unserer Sicht hat das Develop-and-Hold-Konzept einen Vorteil gegenüber traditionellen Bauträgern und auch neuen Trader-Developern: Es legt sowohl bei kommunalen Gesellschaften als auch bei Genossenschaften oder institutionell-privaten Investoren langfristigere Investitions- und Risikostrukturen zugrunde.

Was die öffentlichen Akteure anbelangt, ist davon auszugehen, dass ihr Engagement weitgehend stagnieren dürfte – allein schon deshalb, weil sich ihre übliche Vorgehensweise bei der Projektentwicklung als lähmend erweist. Man denke nur an die umständlichen Ausschreibungsverfahren, an denen so manches Bauunternehmen nicht mehr teilnimmt und stattdessen die große Nachfrage nach Baukapazitäten aus dem freien Markt für zügige, flexible und preislich attraktive Aufträge nutzt. Das Develop-and-Hold-Volumen wird daher in den kommenden fünf Jahren (Planung und Bau) nach unseren Schätzungen auf ein Niveau von rund 40 Mrd. Euro anwachsen und den Marktanteil zulasten von Trader-Developern vergrößern.

---
*) Lahcen Knapp ist CEO der Empira AG.