Wohnimmobilien hingegen, die früher von vielen professionellen Investoren eher als Beimischung für das eigene Portfolio denn als eigenständige Strategie gesehen wurden, werden für immer mehr Akteure zum Produkt der Wahl. Inzwischen hat sich Wohnen auf den professionellen Investmentmärkten als zweitstärkste Assetklasse hinter dem Bürosegment etabliert und gilt unter den Nutzungsarten inzwischen als sicherer Anlagehafen, beziehungsweise als „Safe Haven“. Doch auch bei dieser vermeintlich defensiven Anlageklasse sollten Investoren zahlreiche Sicherheitsaspekte beachten und Risiken im Vorfeld ausschließen.
Passt das Produkt zur Lage?
Die demografische Entwicklung Deutschlands weist immer mehr in Richtung Single- und Zweipersonenhaushalte: Angaben des Statistischen Bundesamts zufolge wuchs beispielsweise der Anteil an Singlehaushalten zwischen den Jahren 1991 und 2019 von 34% auf 42%. Ebenso steigt die Nachfrage nach vorübergehenden Wohnlösungen ohne klassischen Mietvertrag. Als Reaktion wurden vor allem in den Metropolen und Wachstumsstädten verstärkt kleinflächigere Wohneinheiten bis hin zum Mikrowohnen oder zum Wohnen auf Zeit entwickelt.
Doch solche Konzepte eignen sich nicht für alle Mikrolagen: Besonders in familienfreundlichen Vierteln mit zahlreichen Grünflächen sowie einem guten Bildungsangebot kann es nach wie vor die bessere Variante sein, verstärkt auf konventionelle Drei- oder Vierzimmerwohnungen zu setzen. Daher sollten Investoren und Projektentwickler bereits frühzeitig prüfen, welche Wohnungsformen und Wohnqualitäten am jeweiligen Standort gefragt sind – respektive, ob ein Investmentprojekt tatsächlich in seine Umgebung passt.
Früher war dies ausschließlich in Form von Begehungen und persönlicher Lageeinschätzung möglich. Inzwischen existiert jedoch die Möglichkeit, die Lage objektiv und auf wissenschaftlicher Basis einzuschätzen. Dies kann in Form einer Big-Data-Analyse auf KI-Basis erfolgen, bei der Milliarden verschiedener Datenpunkte miteinander verglichen und zu einem Score zusammengefasst werden. Dieses Vorgehen ermöglicht es, sämtliche Mikrolagen auf wenige hundert Quadratmeter einzugrenzen und miteinander zu vergleichen: Während bei einer Lage mit hohem Grünflächen-Score und einer hohen Dichte an Kindertagesstätten sowie Freizeiteinrichtungen beispielsweise ein familienfreundliches Wohnprojekt entwickelt werden sollte, eignet sich temporäres Wohnen eher für eine Lage mit einer hohen Dichte an Arbeitgebern und einer starken lokalen Kaufkraft.
Mietausfallsrisiken in Betracht ziehen
Selbst in etablierten Immobilien, die seit Jahren voll vermietet sind und sich in den Vorzugslagen der Metropolen befinden, bestehen Gefahren. Denn Immobilien, die gemeinhin als Core-Produkte gehandelt werden, können nämlich unter Corona-Bedingungen Risikopotenziale in Sachen Cashflow aufweisen. Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass Unternehmen ehemals wirtschaftsstarker Branchen, unter anderem das Veranstaltungsmanagement oder die Gastronomie, Kurzarbeit anmelden müssen.
Gerade in Städten beziehungsweise Stadtvierteln, in denen ein hoher Teil des Einkommens für die Miete aufgewendet werden muss, drohen Vermietern also Einnahmeausfälle. Eine von uns durchgeführte KI-Analyse der deutschen Top-7-Städte hat dabei ergeben, dass vor allem München von diesem Risiko betroffen ist: In ganz München werden im Schnitt 29% des eigenen Netto-Einkommens für die Miete aufgewendet. Doch gerade in teureren Wohngegenden ist der Wert deutlich höher, beispielsweise liegt er in der Altstadt bei fast 42%. Trifft eine so hohe Mietbelastung auf die Verdienstausfälle in Form von Kurzarbeit, können private Haushalte leicht in die Schieflage geraten.
Auch Berlin ist vergleichsweise teuer: Zwar sind die durchschnittlichen Quadratmetermieten im Vergleich mit den anderen deutschen Metropolen nach wie vor relativ niedrig, doch auch das Einkommensniveau fällt in der Hauptstadt geringer aus. So gehört der Szenekiez Friedrichshain-Kreuzberg mit einer Mietbelastung in Höhe von rund 33% des Einkommens zu den weniger erschwinglichen Lagen, während Hamburg Altona lediglich 26% aufweist. In Köln ist die Mietbelastung hingegen deutlich geringer, sie liegt in den Stadtteilen Chorweiler und Porz bei rund 16%, in Ehrenfeld bei 22% und in Mitte bei etwa 25%. Ähnliches zeigt sich für Düsseldorf.
Insgesamt lässt sich also kein einheitliches Muster erkennen: Während sich einige Vorzugslagen auch mit Blick auf potenzielle Mietausfälle sehr robust zeigen, ist die Gefahr in anderen etablierten Lagen und Städten sehr viel größer. Um Risiken auszuschließen, sollten sozioökonomische Faktoren wie diese daher dringend in eine Investmententscheidung mit einbezogen werden. Umgekehrt können diese Informationen wiederum ein wichtiger Indikator für Projektentwicklungen sein, in welcher Preisklasse Neubauimmobilien aktuell errichtet werden sollten.
Nachlassende Dynamik auf den Vermietungsmärkten
Ein weiterer Risikofaktor für Wohnimmobilieninvestments besteht darin, die starken Miet- und Kaufpreisentwicklungen der 2010er-Jahre für die kommenden Jahre fortzuschreiben. In der Psychologie spricht man vom sogenannten Hot-Hand-Phänomen, das nicht ohne Zufall aus dem Glücksspiel-Diskurs stammt: Es bezeichnet eine Neigung dazu, (positive) Effekte, die sich immer wieder in der Vergangenheit abspielten, auch auf die Zukunft zu projizieren. Zu diesen Effekten können für Investoren auch durchaus regelmäßige Mietpreissteigerungen zählen.
Dabei zeigen unsere KI-Analysen empirisch belegbar, dass in den kommenden fünf Jahren deutlich geringere Mietpreiszuwächse zu erwarten sind als bisher: Für Hamburg bewegen sich die Preissteigerungen in den kommenden fünf Jahren in einem Korridor zwischen 1,2% und 4,5%. Mit anderen Worten handelt es sich um Fünfjahreswerte, deren Höhe eher den früheren jährlichen Steigerungsraten gleichkommt. Ein Investor, der sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit einer niedrigen Anfangsrendite zufriedengibt und auf spätere Mietpreissteigerungen spekuliert, sollte zuvor die KI-basierten Prognosen für den jeweiligen Investmentstandort prüfen.
Location, Location, Information
All diese Aspekte unterstreichen, wie sehr institutionelle Investoren – genau wie die gesamte Immobilienbranche – bestehendes Wissen über Standorte infrage stellen müssen. Das gilt für das klassische ABCD-Raster bezüglich der Städte und Lagen genauso wie für die Risikoklassen Core bis opportunistisch. Wo sich die Akteure jedoch nicht mehr allein auf ihre Erfahrung beziehungsweise etabliertes Wissen verlassen können, liefern Big und Smart Data die nötigen Informationen.
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*) Gabriel Khodzitski ist Gründer, Investor und Chief Executive Officer (CEO) bei PREA.