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„Erklärtes Ziel ist es, Regulierung besser zu machen, um Bürokratie und Inkonsistenzen abzubauen“

Auch 2024 stehen diverse regulatorische Änderungen an. Stichworte sind ELTIF 2.0, die AIFMD-II-Umsetzung in Deutschland, die Weiterentwicklung der Taxonomie sowie geplante Änderungen der Anlageverordnung und des Investment-Steuergesetzes – Themen, zu denen Frank Dornseifer als Geschäftsführer des Bundesverbands Alternative Investments im Hedgework-Interview Rede und Antwort steht.

Frank Dornseifer

Hedgework: Herr Dornseifer, in den vergangenen Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Finanzbranche den regulatorischen Auflagen kaum mehr hinterherkam. Wird das 2024 besser?
Dornseifer: Die letzten Jahre waren in der Tat ziemlich herausfordernd, ich selbst habe vor einigen Jahren ja sogar anlässlich eines Vortrags bei Hedgework von einem Regulierungs-Tsunami gesprochen. Das war vielleicht ein wenig überspitzt, aber in der Sache nicht übertrieben. Im Jahr 2024 haben wir jetzt aus unterschiedlichen Gründen eine Konstellation, die mich unter regulatorischen Aspekten vorsichtig optimistisch nach vorne schauen lässt.

Hedgework: Was genau meinen Sie?
Dornseifer: Auf der einen Seite haben wir in diesem Jahr die Europawahl und das bedeutet schon aus politischen und Wahlkampfgründen eine gewisse Zäsur in der europäischen Gesetzgebung. Mit anderen Worten: alle Beteiligten können – vom Frühsommer bis zum Herbst – durchatmen, außer die Politiker, für die hat der Wahlkampf quasi schon begonnen. Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass derzeit diverse Review-Prozesse laufen bzw. nahezu abgeschlossen sind; bereits bestehende Richtlinien oder Verordnungen werden also – lediglich – überarbeitet. Mit anderen Worten: auf die Branche kommen punktuelle Änderungen zu, und eben nicht ein komplett neues Regelwerk mit großem Umsetzungsaufwand, wie etwa beim Sustainable-Finance-Paket. Auf der anderen Seite gibt es schließlich hier in Deutschland Bestrebungen, Gesetze auch mit Blick auf Standort- bzw. Wettbewerbsgesichtspunkte zu überarbeiten, erklärtes Ziel ist also, Regulierung besser zu machen, Bürokratie und Inkonsistenzen abzubauen. Da kann sich die Branche sogar drüber freuen, wenn es dann auch richtig gemacht wird.

Hedgework: Das hört sich doch sehr gut an.
Dornseifer: In der Summe daher auch mein grundsätzlich positiver Ausblick auf das Jahr 2024!

Hedgework: Ganz ohne neue Ansagen aus Brüssel oder Berlin wird es wohl auch 2024 nicht ausgehen – womit muss die Branche rechnen?
Dornseifer: Die überarbeitete AIFM-Richtlinie, deren Herzstück das neue europaweit geltende Regime für Kreditfonds ist, ist mehr oder weniger unter Dach und Fach. Die Beschlussfassung durch das Europaparlament und die nachfolgende Ratifizierung durch den EU-Rat, also die Mitgliedstaaten, ist Formsache. Daher beginnt das Finanzministerium jetzt auch schon mit den Vorbereitungen für die Umsetzung; allerdings auch, um das KAGB-Änderungsgesetz noch vor dem Wahlkampf im nächsten Jahr vom Tisch zu haben.

Hedgework: Was steht noch an?
Dornseifer: An die grundlegend überarbeitete ELTIF-Verordnung, die bekanntlich seit dem 10. Januar Anwendung findet, können wir grundsätzlich einen Haken machen, allerdings stehen die wichtigen technischen Durchführungsstandards, also die RTS, noch aus, die die europäische Wertpapier- und Marktaufsicht ESMA erlässt. Genau die sind aber für die Implementierung und Strukturierung wichtig. Insofern haben wir hier doch noch eine Baustelle.

Hedgework: Gutes Stichwort – gibt es weitere Baustellen?
Dornseifer: Beim Dauerbrennerthema Sustainable Finance steht vor allem die Überarbeitung der Offenlegungsverordnung (SFDR) an. Eine erste Konsultation auf europäischer Ebene hat bereits stattgefunden, einen ersten Entwurf zu möglichen Änderungen wird aber erst die nächste EU-Kommission präsentieren. Hier haben wir also noch etwas Zeit.
Ein ganz wichtiges nationales Projekt in diesem Jahr ist das Jahressteuergesetz 2024. Nachdem in Deutschland im Zukunftsfinanzierungs- bzw. im Wachstumschancengesetz wichtige geplante Änderungen im KAGB bzw. Investmentsteuergesetz zurückgestellt wurden, wird nun ein neuer Versuch unternommen. Leider war es weder mit dem Zukunftsfinanzierungs-, noch mit dem Wachstumschancengesetz bisher möglich, einen steuerlichen Rahmen für die Fondsanlage im Sektor Infrastruktur bzw. Erneuerbare Energien zu schaffen, der den Besonderheiten der Assetklasse bzw. den unternehmerischen und zum Teil gewerblichen Aktivitäten gerecht wird. Mit dem Jahressteuergesetz 2024 soll nun ein dritter Anlauf unternommen werden, der sicherstellen soll, dass Fonds einen echten Beitrag zur nachhaltigen Transformation leisten können.
Und neu für die Branche sind schließlich die verschiedenen Themen aus dem Bereich Digital Assets, also die Implementierung der MiCA-Verordnung, die Anforderungen für Digital Operational Resilience und den Einsatz von Distributed-Ledger-Technologie, oder eben die Emission von digitalen Wertpapieren und Fondsanteilen. Hier dürfte sich im Jahr 2024 noch einiges tun und hier befindet sich die Branche auch in einem Transitionsprozess.

Hedgework: Lassen Sie uns mit dem Projekt ELTIF 2.0 beginnen. Was steckt dahinter?
Dornseifer: Auf dem ELTIF ruhen viele Hoffnungen. Die Branche steht in den Startlöchern mit der nächsten Generation der ELTIFs, die dann vor allem auch Privatanlegern den breiten Zugang zu Private-Market-Strategien eröffnen soll. Egal ob Infrastruktur, Private Debt, Real Estate oder Multi-Asset-Strategien – der neue ELTIF deckt die ganze Palette ab. Und die Regulatorik legt den Privatanlegern – im Gegensatz zur alten Verordnung – auch keine Steine mehr in den Weg. Es gibt keine überzogenen Mindestanlagebeträge mehr, die zuvor schlichtweg prohibitiv wirkten; maßgeblich ist jetzt das bekannte MiFID-Konzept für die Geeignetheitsprüfung, die Anlageziele, Risikobereitschaft, Risikotragfähigkeit und natürlich Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers berücksichtigt.
Da der Vertrieb von ELTIFs auch über Finanzanlagevermittler gemäß § 34 f der Gewerbeordnung erfolgen kann, bewegen sich Vermittler und Anleger also auf bekanntem Terrain. Interessant wird sein, wie viele ELTIFs zukünftig als offene und wie viele als geschlossene Fonds ausgestaltet werden. Denn beides ist im Grundsatz möglich, wobei natürlich mit Blick auf tendenziell langfristige Anlagen der Gesetzgeber darauf achtet, dass ein hinreichendes Liquiditätsmanagement verwendet wird.

Hedgework: Ist das Thema damit durch?
Dornseifer: Die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA konkretisiert derzeit noch wesentliche Aspekte der Verordnung, insbesondere die Vorgaben für Rücknahmefristen unter 12 Monaten und Mindestliquiditätsanforderungen. In Deutschland kennen Anleger das Procedere ja schon bei offenen Immobilien- sowie neuerdings auch bei den offenen Infrastrukturfonds. Diese werden sich zukünftig übrigens mit dem ELTIF messen müssen; und natürlich auch umgekehrt.
Aber der Markt bzw. die Anleger sind reif für den ELTIF. Auch das Portfolio von Privatanlegern sollte nicht nur aus Aktien-, Anleihen- oder Immobilien(-fonds) bestehen. Die Zeiten des grauen Kapitalmarkts mit zum Teil miserablen, vor allem unregulierten geschlossenen Fonds, sind Gott sei Dank vorbei. Der ELTIF bringt also frischen Wind ins Portfolio und Anleger bekommen ein gutes Fondsformat, um eben ihr Portfolio zu diversifizieren. Und last, but not least, auch die Aufsicht will diesen Prozess proaktiv und wohlwollend begleiten. Die BaFin hat extra einen FAQ zum neuen ELTIF erstellt, der interessierten Fondsgesellschaften wichtige Hilfestellungen gibt.

Hedgework: Der regulatorisch dickste Brocken dürfte wiederum die Umsetzung von AIFMD-II in Deutschland sein. Was kommt da auf uns zu?
Dornseifer: Zum einen gibt es kleinere Anpassungen, beispielsweise im Hinblick auf die personellen und technischen Anforderungen im Rahmen der AIFM-Zulassung – mindestens zwei natürliche Personen auf Vollzeitbasis, die die Geschäfte des AIFM tatsächlich führen, mit Wohnsitz in der Europäischen Union – oder die Erweiterung des Katalogs der zulässigen Nebendienstleistungen unter anderem um Credit Servicing sowie bei Auslagerungssachverhalten. Elementarer sind dann aber schon die neuen Regelungen für in der EU zugelassene AIFM, die AIFs verwalten, die wiederum Darlehen gewähren. Diese müssen zunächst über wirksame Strategien, Verfahren und Prozesse für die Kreditvergabe verfügen. Dabei müssen sie das Kreditrisiko bewerten, ihre Kreditportfolios verwalten und überwachen und diese regelmäßig, jedoch mindestens jährlich, überprüfen. Darüber hinaus gibt es qualitative bzw. quantitative Beschränkungen im Hinblick auf den Fondstyp – offen oder geschlossen –, im Hinblick auf die Kreditaufnahme, Liquiditätsmanagementtools, Selbstbehalte – 5% des Nominalwertes der von ihm vergebenen Kredite und anschließend auf dem Sekundärmarkt vergebenen Kredite –, Streuung, usw. Derartige Regelungen bestehen zum Teil schon im KAGB, so dass hierfür im Prinzip nur kleinere, gegebenenfalls eher redaktionelle Gesetzesänderung notwendig sind.

Hedgework: Hört sich aber schon nach einer ganzen Menge regulatorischer Finessen an.
Dornseifer: Von besonderer Relevanz ist zudem der Komplex Liquiditätsmanagement. Ein AIFM, der einen offenen AIF verwaltet, muss mindestens über zwei geeignete Liquiditätsmanagement-Instrumente verfügen, die im Interesse der Anleger des AIFs eingesetzt werden können. Der Katalog der einschlägigen Liquiditätsmanagement-Instrumente umfasst unter anderem Rücknahmebeschränkungen, Kündigungsfristen, Liquiditätsgebühren bei Rücknahmen, Side-Pockets, Swing/Dual Pricing, Anti-Dilution-Gebühr oder Rücknahmen in Form von Sachleistungen. Außerdem muss der AIF für die Aktivierung und Deaktivierung von Liquiditätsmanagement-Instrumenten detaillierte Grundsätze und Verfahren einführen.

Hedgework: Können Sie auch noch ein paar Hinweise geben, welche relevanten Änderungen der Anlageverordnung anstehen?
Dornseifer: Über Jahre hinweg wurden wichtige und grundlegende Änderungen im KAGB – wie etwa die erstmalige Regulierung von Kreditfonds – in der Anlageverordnung und dem dazu ergangen Anlage-Rundschreiben der BaFin nicht, oder nur rudimentär abgebildet, obwohl diese eng miteinander verzahnt sind. Im Jahr 2020 wurde die Anlageverordnung letztmalig geändert, allerdings nur marginal und eben ohne Verzahnung mit dem KAGB. Insbesondere die unzureichende Spiegelung bzw. Einbindung von Regelungen im KAGB durch die Anlageverordnung, divergierende Definitionen, aber auch ausufernde zusätzliche Anforderungen von Anlageverordnung bzw. Anlage-Rundschreiben führen dazu, dass der Zugang einschlägiger Investoren, die der Anlageverordnung unterfallen, insbesondere zu Anlagestrategien aus dem Bereich Alternative Investment, übermäßig erschwert und deutlich eingeschränkt wird. Im Koalitionsvertrag wurde daher eine Änderung der Anlageverordnung vereinbart, die einen verbesserten und effizienten Zugang zu renditestarken Anlagenstrategien zum Gegenstand hat. Unsere Ableitungen daraus lauten: zum einen die Einführung einer eigenständigen Infrastrukturquote, zum anderen eine verbesserte Synchronisation von Anlageverordnung mit dem KAGB, und schließlich die flankierende Überarbeitung des Anlage-Rundschreibens, um extensive zusätzliche Anforderungen bei Fondsinvestments zu reduzieren.

Hedgework: Ein dauerhaft bewegendes Thema der Finanzbranche ist last but not least Sustainable Finance. Was ist hier der Stand der Dinge? Welche Regelungen, Änderungen oder Präzisierungen stehen in Aussicht?
Dornseifer: Hier ist zunächst die Weiterentwicklung der Taxonomie zu nennen, eben die Entwicklung und Implementierung der weiteren Umweltziele und gegebenenfalls auch die Einführung der Sozialtaxonomie. Dann gab es auch schon die erste Vorab-Konsultation zum SFDR-Review, der aber erst unter der nächsten EU-Kommission konkrete Gestalt annehmen wird. Gerade mit Blick auf die sehr kontroverse und zum Teil auch emotionale Diskussion über die unterschiedlichen Offenlegungsanforderungen und ob diese als Klassifizierung nach Artikel 6, 8 oder 9 verwendet werden sollten, oder eben nicht, und natürlich auch die zum Teil überzogenen Greenwashing-Kampagnen und -Debatten, ist dieser SFDR-Review nicht nur von großer praktischer Bedeutung; gerade der Ansatz der EU-Kommission, die sogar tragende Elemente der Verordnung schon nach relativ kurzer Zeit auf den Prüfstand stellt, verdient Beachtung, auch wenn gleichzeitig wieder einmal deutlich wird, dass viele Elemente des Sustainable Finance Regelwerks eben mit heißer Nadel gestrickt wurden und eine Konsolidierung jetzt von elementarer Bedeutung ist, eben damit aus ESG-Ehrgeiz kein Verdruss wird. In diesem Kontext sind schließlich auch die ESMA-Guidelines zur Verwendung von ESG-Begriffen bei Fonds zu nennen, deren Entwurf durchweg kritisch kommentiert wurde und bei dem schon kurzfristig eine Neufassung erwartet wird, die dann aber eben von der Fondsbranche anzuwenden sein wird. Gerade mit Blick auf den SFDR-Review leuchtet das Vorpreschen von ESMA in dieser Hinsicht nicht ein und eine Atempause für die Branche wäre sinnvoller. Nicht zu vergessen: im ESG-Kontext ist schließlich auch noch die praktische Implementierung des sogenannten EET zu nennen, also des European ESG Templates der Branchenarbeitsgruppe FinDatEx, bei dem auch im Jahr 2024 work in progress ist und weitere Anpassungen auf die Fondsbranche zukommen, die eben Investoren für deren EET Daten zuliefern müssen.

Hedgework: Abschließend gefragt – sind auch Erleichterungen zu erwarten? Und wie könnten die sich konkret auswirken?
Dornseifer: Der Better Regulation Approach auf europäischer und nationaler Ebene findet durchaus Beachtung, so dass wir als Verband mit weiteren Verbesserungsvorschlägen, Ideen für Entbürokratisierung, etc. durchaus Gehör finden. Insofern warten wir jetzt erst einmal ab, welche Punkte aufgegriffen werden und welche Standort- und Wettbewerbsaspekte bei Politik und Aufsicht in die Diskussion einfließen.

Hedgework: Lieber Herr Dornseifer, vielen Dank für Ihre ausführlichen und erhellenden Antworten!

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*) Frank Dornseifer ist Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V., Bonn, und für die Verbandsaktivitäten Recht, Regulierung, Politik und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Er ist seit rund 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im Investment-, Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht aktiv. Nach seinem Studium in Bonn, Dublin und Lausanne arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltssozietät in den Gebieten Gesellschafts- und Wertpapierrecht. Es folgte eine mehrjährige Tätigkeit als stellvertretender Referatsleiter bei der BaFin im Grundsatzreferat Investmentaufsicht und als Re-präsentant im Investment Management Committee der Organisation der internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO, bevor er im Jahre 2007 zum BAI wechselte. Dornseifer ist auch Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Investment- und Gesellschaftsrecht und Herausgeber von Kommentaren zum KAGB/InvG und zur AIFM-Richtlinie. Der Finanzausschuss des Bundestages und das Europaparlament haben ihn mehrfach als Sachverständigen in Gesetzgebungsverfahren zum Kapitalmarktrecht benannt.

Der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) ist die Assetklassen- und produktübergreifende Interessenvertretung für Alternative Investments in Deutschland und hat zum Ziel, den Bekanntheitsgrad alternativer Anlagestrategien und -klassen in der Öffentlichkeit zu verbessern. Der BAI wurde 1997 in Bonn gegründet, der Kreis der knapp 300 Verbandsmitglieder setzt sich aus allen Bereichen der professionellen Alternative Investment-Branche zusammen.