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Kommentar: ESMA – Watchdog der Rating Agenturen

Rating Agenturen sind derzeit in erster Linie das, was Hedge Funds nach Ausbruch der „Great Recession“ waren: die Sündenböcke. Dabei täten die politischen Verantwortungsträger gut daran, nicht den Überbringer der Botschaft für die Nachricht verantwortlich zu machen.

Markus Schuller

Erstens sind die Regierungen in den USA und Europa selbst für ihr Regulierungssystem zuständig, mit dem sie die Oligopolstellung der drei großen Agenturen förderten. Die neu aufgesetzte Aufsichtsbehörde ESMA wäre gut beraten, ihr weitreichendes Mandat über Rating Agenturen mit Verve auszuüben und für Transparenz, Konkurrenz und Methodenkonvergenz zu sorgen. Der regulatorische Ansatz benötigt zwar Zeit, wäre aber trotzdem schneller, günstiger und marktkonformer durchzuführen als z.B. eine steuerfinanzierte europäische Rating Agentur.

Zweitens manövrierten sich die Regierungen selbst in diese Schuldenspirale. Weltverschwörerische, anti-amerikanische Töne sind zwar als Ausflüchte verständlich, deren Vertreter gewinnen dadurch aber nicht an Zurechnungsfähigkeit. Ist die ESMA also die Lösung zur Handhabe von Rating Agenturen?  Eine Analyse.

Kernstück des reformierten Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS) sind drei neu geschaffene Finanzaufsichtsbehörden. Diese wurden durch eine Umbildung bestehender Aufsichtsausschüsse gebildet. Eine davon ist die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (<link http: www.esma.europa.eu>ESMA), mit Sitz in Paris. Kommission und Parlament statteten die ESMA im Herbst 2010 mit umfassenden Befugnissen in Bezug auf Rating Agenturen aus.  Per 1. Januar 2011 nahm sie ihre Arbeit auf. Mit 1.Juli 2011  ist auch die Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden auf die ESMA übergegangen.

Bereits voll funktionstüchtig?
Die Behörde beschäftigte im zweiten Quartal 2011 in Summe 45 Mitarbeiter und soll bis Ende 2011 auf 72 aufgestockt werden. Derzeit arbeiten ganze 5 Personen (!) an CRA Themen.Viel CRA-bezogene Arbeit (insbesondere die Registrierung) findet derzeit noch auf Ebene der nationalen Behörden bzw. in den supervisory colleges statt. Auch hier ist eine Aufstockung geplant. Bis Ende des Jahres soll der Stand auf 15 angehoben werden, immerhin.

Ende Mai nahmen Parlament und Rat eine Konkretisierung der ESMA Aufgaben zum Thema CRA vor. Die Registrierung der Agenturen, Rechtsaufsicht über registrierte Unternehmen und die Sanktions-kompetenz werden nunmehr weitgehend bei ESMA konzentriert, während die nationalen Aufsichtsbehörden zur Amtshilfe verpflichtet werden. Diese Konzentration von Aufsicht und Registrierung ist positiv zu bewerten. Selbst bei Delegation von Aufgaben an z.B. nationale Regulatoren steht die ESMA in der Verantwortung. Der ESMA wurde ein umfassendes Pouvoir an Aufsichtsbefugnissen zugesprochen. Maßnahmen könnten von einem vorübergehenden Verbot zur Abgabe von Ratings bis hin zum Entzug der Registrierung reichen.

Relevante Registrierungsvorausstzungen
+Alle, selbst Moody’s, Fitch und Standard & Poors, müssen ihre Methoden offenlegen.
+Rating Agenturen dürfen Kunden nicht mehr zugleich bewerten und beraten. Somit wird unterbunden, dass eine Agentur Kunden hilft, Produkte so zu strukturieren, dass die das beste Rating AAA bekommen.
+Rating Agenturen dürfen einen Analysten nicht mehr zeitlich unbeschränkt an einem Mandat arbeiten lassen. Einem Rotationsprinzip folgend, müssen Zuständigkeiten von Analysten gewechselt werden. Eine Rotation der CRAs ist derzeit nicht vorgesehen.

Seit Anfang Juni dürfen Ratingnehmer nur Ratings von ESMA registrierten CRAs verwenden. Zu diesem Zeitpunkt waren erst 6 von 24 Antragstellern registriert (z.B. Euler Hermes). Zwei zogen ihre Anträge zurück. Die Startkosten sind hoch. Schätzungen reichen von 300 bis 500 Mio. Euro in den ersten fünf Jahren. Die <link http: www.banklupe.de news us-ratingagenturen-haben-in-europa-einen-schweren-stand-18908>Consulter von Roland Berger, die sich selbst für eine Lizenz interessieren, schätzen ihre  möglichen Anlaufkosten auf 300 bis 400 Mio. Euro.

Interessant: Moody´s, S&P und Fitch befanden sich nicht unter den 6 registrierten CRAs. Deren Antragspaket ist unvollständig, weil nicht ausreichend Daten eingereicht wurden. Laut <link http: www.ftd.de politik international :gegen-fitch-moody-s-und-s-p-eu-erklaert-usa-den-ratingkrieg>ESMA-Chef Steven Maijoor gingen sie fälschlicherweise von einer quasi-automatischen Registrierung ob ihrer Marktstellung aus (<link http: en.wikipedia.org wiki credit_rating_agency>ca. 94% des <link http: en.wikipedia.org wiki credit_rating_agency>Weltmarktes). Konsequenzen? Keine. Würde die ESMA die Gültigkeit der big three Ratings aufgehoben haben, hätten sich tausende Unternehmen in Europa ohne gültiges Rating zu höheren Zinssätzen refinanzieren müssen. Lösung? Eine Übergangsphase wurde gestattet. Ratings der big three dürfen in der Zwischenzeit weiterverwendet werden. Too big to ignore …

Vorteile der ESMA Regelung
+ eine einzige Anlaufstelle für registrierte Rating Agenturen
+ eine EU-weit kohärentere Anwendung der Regeln für Rating Agenturen
+Effizienzgewinne durch ein straffes Registrierungs- und Aufsichtsverfahren

Zusammenfassung
Obwohl formal aufgesetzt, ist die Behörde erst im Entstehen. Weder Manpower, finanzielle Ausstattung, noch stabile Achsen zu nationalen Pendants sind ausreichend gegeben, um von einer starken Durchsetzung der formal weitreichenden Befugnisse sprechen zu können. Mit Steven Maijoor wurde aber ein <link http: www.telegraph.co.uk finance markets afm-director-steven-maijoor-to-head-eu-super-regulator.html>Experte an die <link http: www.telegraph.co.uk finance markets afm-director-steven-maijoor-to-head-eu-super-regulator.html>Spitze <link http: www.telegraph.co.uk finance markets afm-director-steven-maijoor-to-head-eu-super-regulator.html>gesetzt<link http: www.telegraph.co.uk finance markets afm-director-steven-maijoor-to-head-eu-super-regulator.html>, dessen CV auf eine aktive Auslegung des Mandates schließen ließe. Die ESMA sollte in der Lage sein, den nationalen „beggar-your-neighbour Wettlauf“ der Regulierungsbehörden in der Aufsicht von Rating Agenturen zu beenden. Auch könnte sie indirekt im Aufbrechen des Interessenskonflikt-beladenen Geschäftsmodells der Rating Agenturen wirken. Denn es gibt durchaus Alternativen zur „Wessen Brot ich ess´, dessen Lied ich sing´”-Mentalität bei Ratings. Eine konsequente Durchsetzung der regulatorischen Vorschriften mittels der ESMA würde eher zu einem Aufbrechen des Oligopols führen, als der Aufbau einer staatlich befürworteten, Europäischen Rating Agentur. Selbst bei einer Finanzierung via Stiftungsmodell müsste man mir erklären, wo der Vorteil von einem Oligopol bestehend aus dann 4 statt 3 Anbietern zu finden ist.


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*) Markus Schuller (<link>mhschuller@panthera.mc) ist Managing Director bei Panthera Solutions, einer Alternative Investment Consultancy im Fürstentum Monaco. Panthera ist spezialisiert auf Strategic Asset Allocation Consulting für Institutionelle Investoren. Der verwendete Strategieansatz zur Allokationsbestimmung bezieht seine Robustheit aus dem Folgen von stabilen Megatrends. Der Ansatz nimmt bewusst Abkehr von Markowitz und anderen stark limitierenden Methoden und konzentriert sich auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in der Trend & Allokationsforschung (<link http: www.panthera.mc>www.panthera.mc).