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Kommentar: Überwiegend robuste Basis bei Europas Banken

Die Bankenstudie 2022 des unabhängigen Schweizer Bonitätsinstitut Independent Credit View AG (I-CV) konzentriert sich auf den Bankensektor des Alten Kontinents. Die umfangreiche Analyse inklusive Stresstest umfasst 40 Kreditinstitute aus 13 Staaten und weist ein überwiegend positives Bild aus. Anleihen von defensiven und bonitätsstarken Banken sollten angesichts des aktuellen und zu erwartenden Umfelds in den Anlegerfokus rücken.

Michael Dawson-Kropf

Guido Versondert

Die europäischen Banken gehen mehrheitlich robust und gut aufgestellt herausfordernden Zeiten entgegen. Nur wenige Kreditinstitute weisen strukturelle Probleme auf, beispielsweise deutsche und italienische Banken sowie die Schweizer Großbank Credit Suisse. Überwiegend sind eine stabile Entwicklung in 2022 und tragbare Belastungen in 2023 zu erwarten, die sich aber abhängig von unterschiedlichen Konjunktur-Szenarien verschärfen können.

Eine robuste Basis bedeutet: Banken verfügen über nachhaltige Ertragskraft und Kapital auf einem ordentlichen oder guten Niveau. Dazu kommt, historisch betrachtet, eine niedrige Quote an Problemkrediten. Die Risikokosten werden allein aus makroökonomischen Gründen steigen und Banken mit großer Kapitalmarktabhängigkeit werden erhebliche Rückgänge der Erträge gegenüber dem sehr guten Jahr 2021 zu verzeichnen haben. Unterstützung kommt seit langer Zeit wieder vom Zinsergebnis, jedoch variierend zwischen den Banken, abhängig vom Geschäftsmodell, Bilanzstruktur und Refinanzierungsmix. Zudem erwarten wir, dass die hohen Kapitalkennziffern lediglich moderat zurückgehen werden.

Der Aufbau der I-CV Bankenstudie 2022 umfasst vier übergeordnete Kernbereiche. Zuerst wurde die Ausgangslage aller Banken auf Herz und Nieren geprüft anhand sämtlicher gängiger Parameter für eine Ratingerstellung. Da die Immobilienpreise in 2021 ein neues Rekordjahr verzeichneten, wurde konkret untersucht, ob die Kreditbücher auch bei einer Korrektur halten. Dritter Punkt ist die Zinswende und die Frage, welche Banken am stärksten von ihr profitieren sollten. Und viertens interessierte uns speziell, welche Faktoren die Bonität der Banken zukünftig beeinflussen werden und ob beispielsweise ESG und MREL/TLAC-Puffer die neuen Ratingtreiber sind. MREL (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities) und TLAC (Total Loss Absorbing Capacity) sind regulatorische Mindestanforderungen an Banken.

Bessere Kreditqualität als vor der Pandemie
Wider Erwarten hat die pandemiebedingte Rezession die Kreditqualität auf den ersten Blick nicht materiell belastet. Eine Vielzahl von Instituten weist eine bessere Kreditqualität aus als 2019. Denn die Jahre 2020 und 2021 waren durch die Covid-19-Rezession und eine schnelle, fiskal- und geldpolitisch unterstützte Erholung geprägt. Der Blick über einen längerfristigen Zeitraum (acht Jahre) trennt die Banken in zwei Lager: in profitable Banken in robusten Volkswirtschaften mit konzentrierten Bankensystemen, die über solide Franchisen verfügen. Und in unprofitable Banken in schwächeren Volkswirtschaften oder fragmentierten Märkten, die Geschäftsmodelle in Transformation oder schwache Franchisen aufweisen. Mit Blick auf Rentabilität und Kapital fallen deutsche und italienische Banken ab. Die Kapitalsituation präsentiert sich mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise Deutsche Bank oder Commerzbank, in guter Verfassung. Aufgrund von Regulation, Aktionärspflege und Konjunktur werden sich die Kapitalquoten im Trend jedoch abschwächen.

Angesichts steigender Zinsen und der Rezessionsgefahr, haben wir die überhitzten Immobilienmärkte in Nord- und Zentraleuropa zum Anlass genommen, einen Stresstest innerhalb der Bankenstudie 2022 durchzuführen. Die Banken im Universum überstehen diesen Stresstest – einige jedoch nur knapp. Angesichts der geringen Transparenz über Kreditstandards und Portfoliozusammensetzung sind die Ergebnisse des Tests nur in einer Gesamtbetrachtung einer Bank zu berücksichtigen.

Es verbleiben erhebliche Risiken im geopolitischen und makroökonomischen Bereich, die unsere Erwartungen für eine stabile Entwicklung der Finanz- und Risikoprofile kippen können, während das Upside für den Sektor begrenzt ist und sich auf wenige einzelne Namen reduziert. Spreads und Renditen für Anleihen aus sämtlichen Schichten der Kapitalstruktur der Banken (Senior Preferred, Senior Non-Preferred, Tier 2, Additional Tier 1) wie auch die Risikodifferenzierung sind interessant geworden. Wir empfehlen Anleihen entlang der gesamten Bilanzstruktur defensiver und bonitätsstarker Banken und würden in dieser Gruppe Banken mit defensiven Geschäftsmodellen und hohen MDA (Maximum Distributable Amount) Puffern bevorzugen, beispielsweise UBS, SEB (Skandinaviska Enskilda Banken) oder die belgische KBC Groep.

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*) Michael Dawson-Kropf ist seit 2016 als Senior Credit Analyst für Independent Credit View AG tätig. Davor war er in Frankfurt als Country Head für deutsche Banken bei Fitch Deutschland GmbH beschäftigt. Dawson-Kropf studierte nach seiner Banklehre Betriebswirtschaft an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und verfügt über einen Abschluss als Diplom-Kaufmann.

Guido Versondert ist seit 2011 als Senior Credit Analyst für Independent Credit View AG tätig. Davor war er in London als Senior Analyst der Financial Institutions Group von Moody’s Investors Service für die Bonitätsanalyse von Banken in der Schweiz, Liechtenstein, Deutschland und Österreich verantwortlich. Versondert studierte Volkswirtschaft und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln sowie Corporate Finance an der Ecole des Hautes Etudes Commerciales (HEC) in Paris und verfügt über einen Abschluss als Diplom-Volkswirt.