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Kommentar: Verhalten positive Bonitäts-Entwicklung bei europäischen Banken

In der I-CV-Bankenstudie 2017 untersuchten wir einen krisenerprobten Sektor. Dabei wurden 39 europäische Institute aus zwölf Staaten anhand einer umfassenden Analyse inklusive Stresstest unter die Lupe genommen. „Weniger Glanz, weniger Elend“ lautet die Devise, die der verhalten positiven Entwicklung der eigenständigen Bonität europäischer Banken Rechnung trägt. Generell ist für langfristig orientierte Anleiheinvestoren die Lage nicht einfacher geworden.

Guido Versondert (oben) und Michael Dawson-Kropf

Die Studienergebnisse zeigen eine moderate Verbesserung der durchschnittlichen Ratingentwicklung. So weisen die Jahresabschlüsse 2016 europäischer Großbanken auf breiter Front Fortschritte bei operativem Ergebnis, Kreditqualität und Kapital auf. Die Entwicklungen sind ein relativ genaues Abbild der Wirtschaftslage in Nord- und Westeuropa und der Verbesserungen in Süd- und Osteuropa sowie der steigenden regulatorischen Erfordernisse und individueller Maßnahmen.

Das leicht positive Resümee kommt zustande trotz einiger deutlich negativer Jahresabschlüsse, die der Bereinigung von Altlasten dienten und moderate operative Fortschritte übertönten. Zins- und Kommissionsergebnisse sind vielfach immer noch unter Druck und operative Kosten halbwegs stabil, sodass zyklisch niedrige Risikokosten und Auflösungen von Wertberichtigungen wesentlich die Ergebnisse stützen. Dagegen leiden Banken mit namhaftem Kapitalmarktgeschäft neben strategischen Schwächen weiter unter Kosten früherer Missetaten – wohl auch noch in 2017.

Schwedische Banken bleiben Maß aller Dinge
Von den 39 ausgewerteten Banken in der aktuellen I-CV-Studie bleiben die schwedischen Banken das Maß aller Dinge. Die Swedbank (AA-) und SEB sowie Svenska Handelsbanken mit einer Stufe darunter sind die am besten platzierten Banken in der Rangliste. Die LBBW und BayernLB bleiben solide im vorderen Mittelfeld, während die Norddeutsche Landesbank und die Credit Suisse kleine Downgrades erfahren haben.

Den insgesamt drei Downgrades stehen sieben Upgrades gegenüber, darunter die österreichische Raiffeisen Bank International, die sich von BBB- auf Triple-B verbesserte. Mit der italienischen Unicredit SpA und deren unveränderten Bewertung BB+ wurde auch diesmal nur ein Institut im Bereich „Non-Investmentgrade“ eingestuft. Es sind immer noch gravierende Bonitätsunterschiede zwischen den Banken im Norden und Westen einerseits und im Süden andererseits vorhanden. Zudem besteht die unzulängliche Bonitätsdifferenzierung der Renditen und Credit Spreads fort und dürfte neben 2017 wohl auch noch 2018 kennzeichnen.

In der Studie wurden acht Institute aus Deutschland, sechs aus Frankreich und fünf aus Großbritannien untersucht. Die weiteren Banken stammen aus Schweden (vier), Belgien und den Niederlanden (je drei), aus der Schweiz, Österreich, Italien und Spanien (je zwei) sowie Dänemark und Norwegen (je eine). Aufgrund von mehr als 30 Bewertungsfaktoren wurde die fundamentale Stärke jedes einzelnen Instituts evaluiert. Im Anschluss wurden die Banken einem umfassenden Stresstest unterzogen und mögliche Auswirkungen von regulatorischen Eingriffen sowie Marktveränderungen untersucht. Daraus ergibt sich eine breite Spanne der Bonitätseinschätzungen von AA- bis BB+.

Empfehlung für Anleiheinvestoren und aktuelle Situation
Die aktuelle und weitgehend unerprobte Bankenregulierung impliziert gerade für Anleiheinvestoren hohe Komplexität, vielfach unzulängliche Transparenz und auch höhere Risiken. Dank ihrer besseren Vorhersehbarkeit sollten deshalb Banken mit einfachem Geschäftsmodell, granularen Aktiva und Passiva sowie robusten Erträgen den Vorzug erhalten. Chancen sehen wir zudem in den Tier 3-Instrumenten neuer Prägung sowie selektiv in Tier 2-Instrumenten, ungeachtet ihrer Nachrangigkeit. Senior unsecured-Emissionen bisheriger Prägung dürften zunehmend teurer werden (Angebotsknappheit). Trotz Fortschritten in Portugal und zum Teil auch in Italien lohnen sich Engagements dort primär weiter nur auf besicherter sowie kurzfristiger Basis – bei selektiven Ausnahmen.

Zur aktuellen Situation ist zu konstatieren, dass wichtige Fragen der Bankenabwicklung in der EU weiter offen sind - vor allem hinsichtlich der Definition von TLAC & MREL Instrumenten, deren Einbindung in nationale Gläubigerhierarchien, ihrer EU-weit einheitlichen Umsetzung und etwaiger Übergangsregelungen. Ebenso werden neue regulatorische Initiativen (Basel 4) und die Rechnungslegungsnorm IFRS 9 ab 2018 Auswirkungen haben. Das zentrale Problem im italienischen Bankensektor bleibt ungelöst: zu viel Problemkredite und zu wenig Kapital. Ohne substanzielle externe Hilfe wird eine Sanierung des Sektors nicht gelingen. Bremswirkung und Rückschlagpotenzial insbesondere für Italien bleiben hoch.

Für 2017 und das erste Halbjahr 2018 erwarten wir keine deutlich restriktivere Geldpolitik der EZB und damit auch keine Entlastung der Banken bei ihrer wichtigsten Ertragsquelle. Sofern größere geopolitische Risiken ausbleiben und es gelingt, das Problem des italienischen Bankensektors sukzessive zu entschärfen, dürfte die Kombination aus minimal tieferen Kosten, leicht höherem Risikovorsorgeaufwand und steigenden Kapitalquoten zu einer weiteren moderaten Verbesserung der eigenständigen Bonität europäischer Banken in den nächsten zwölf bis 18 Monaten führen.


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*) Guido Versondert ist seit 2011 als Senior Credit Analyst für Independent Credit View AG (I-CV) tätig und fokussiert sich auf die Analyse der europäischen Bankenlandschaft. Michael Dawson-Kropf trat 2016 als Senior Credit Analyst bei I-CV ein und ebenfalls spezialisiert auf die Analyse der europäischen Bankenlandschaft.