Mit Prognosen für mehr als 200 Anlageklassen und Strategien in 19 Basiswährungen liefert die Analyse eine fundierte Grundlage für Investitionen über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren. Dabei stehen vier zentrale Faktoren im Fokus, die in den kommenden Jahren die Wirtschaft und die Märkte prägen werden: starke private Investitionen, fiskalischer Aktivismus, wirtschaftlicher Nationalismus und der technologische Fortschritt, insbesondere durch Künstliche Intelligenz (KI).
Stärkeres Wachstum, moderate Inflation, solide Renditen
Insgesamt rechnen wir makroökonomisch mit einem stärkeren Wachstum und einer moderaten Inflation. Dieses Umfeld führt zu höheren zyklusneutralen Zinsen. Für den Euroraum prognostizieren wir einen Anstieg des zyklusneutralen Leitzinses auf 2,2 Prozent. Die durchschnittlichen Geldmarktrenditen dürften über den Prognosezeitraum bei 2,4 Prozent liegen.
Ein stärkeres Wachstum stützt auch die Unternehmensgewinne und sorgt für stabile Aktienrenditeerwartungen, die trotz bereits anspruchsvoller Bewertungen nur geringfügig sinken. Unsere langfristige Renditeprognose von 5,1% für ein globales 60/40-Aktien-Anleihen-Portfolio in Euro sinkt gegenüber dem Vorjahr um 20 Basispunkte, was dem langfristigen Durchschnitt entspricht.
Unsere Prognose für US Large Caps fällt um 30 Basispunkte auf 6,7% Rendite p.a. in US-Dollar über die nächsten 10 bis 15 Jahre. Die hohen Bewertungen schmälern die Rendite um jährlich 1,8% über den Anlagehorizont hinweg. Wir sind der Meinung, dass die hohen Qualitätsmerkmale und der Sektormix des US-Marktes – einschließlich eines starken Technologiesektors – den Bewertungsaufschlag rechtfertigen, den US-Aktien im Vergleich zu ihren Konkurrenten in den nächsten 10 bis 15 Jahren haben. Euro-Investoren müssen jedoch aufgrund der starken Überbewertung des US-Dollars noch mit einem jährlichen Abschlag von 1,2% rechnen.
Attraktive Chancen in alternativen Anlagen
Alternative Anlageklassen wie Sachwerte und Private Equity bieten zunehmend interessante Möglichkeiten. Nach einer Phase der Neubewertung bieten Sachwerte nicht nur Diversifikation, sondern auch Schutz vor Inflation. Besonders im globalen Immobilienmarkt zeichnen sich langfristige Chancen ab, die auf deutlich angepassten Bewertungen basieren. Für europäische Core-Immobilien erwarten wir eine langfristige Rendite von 6,4%.
Auch Private Equity bleibt vielversprechend. Die Renditeprognosen liegen bei 8,7%, und eine Belebung des IPO-Marktes nach zwei schwachen Jahren dürfte ein wichtiger Katalysator sein. Hedgefonds profitieren in diesem Umfeld von den gestiegenen Zinsen, da diese positiv mit Überschusserträgen korrelieren.
Im Bereich der Devisen gehen wir weiterhin davon aus, dass der US-Dollar im Verlauf unseres Prognosehorizonts abwerten wird – allerdings in einem langsameren Tempo als zuvor angenommen.
Vier prägende strukturelle Faktoren für die Kapitalmärkte
Die Kapitalmärkte der nächsten Jahre werden maßgeblich durch vier strukturelle Faktoren geprägt: starke private Investitionen, fiskalischen Aktivismus, wirtschaftlichen Nationalismus und technologische Fortschritte durch KI.
Starke private Investitionen: Die Pandemie und die Energiekrise haben die Bereitschaft zu Investitionen erheblich gesteigert. Unternehmen setzen verstärkt auf Infrastruktur, Automatisierung und Künstliche Intelligenz, um Produktivität zu steigern. Diese Investitionen fördern nicht nur das Wirtschaftswachstum, sondern wirken langfristig auch inflationsdämpfend.
Fiskalischer Aktivismus: Regierungen setzen zunehmend auf Investitionen, um Wachstum zu stimulieren. Dabei ist entscheidend, dass die Ausgaben produktivitätssteigernd wirken und nicht lediglich die Nachfrage ankurbeln. Investitionen in resiliente Lieferketten, nachhaltige Energienetze und KI-gestützte Technologien können langfristig das Wirtschaftswachstum stärken. Sollten die Staatsausgaben zu starke Ausmaße annehmen, könnten Anleihen ihre Rolle als „globale Wirtschaftspolizei“ zurückerlangen. Dies könnte wiederum für höhere Volatilität bei Staatsanleihen sorgen.
Wirtschaftlicher Nationalismus: Die Pandemie hat die Schwächen globaler Lieferketten offengelegt. Dies hat einen Trend zu stärkerer wirtschaftlicher Eigenständigkeit ausgelöst, der jedoch nicht mit vollständiger Deglobalisierung gleichzusetzen ist. Diese Entwicklung führt zu erhöhter Inflationsvolatilität, was die Bedeutung von inflationsresistenten Anlagen wie Rohstoffen und Sachwerten unterstreicht.
Technologische Fortschritte durch KI: Die Einführung von KI hat gerade erst begonnen, birgt aber enormes Potenzial. Wir prognostizieren einen jährlichen Anstieg des Wachstums der entwickelten Volkswirtschaften um 20 Basispunkte durch KI – was noch konservativ geschätzt sein dürfte. Wir erwarten ein stärkeres Wachstum des Kapitalstocks im Zusammenhang mit KI-Investitionen und eine verbesserte Produktivität durch Effizienzgewinne mit KI-Technologie. Besonders US-amerikanische Unternehmen dürften von Effizienzsteigerungen und neuen Umsatzmöglichkeiten profitieren, was ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig stärkt.
Auswirkungen auf die Portfolio-Konstruktion
Das Umfeld von stärkerem Wachstum und höheren Zinsen bietet eine stabile Grundlage für viele Anlageklassen, birgt jedoch Herausforderungen durch erhöhte Inflationsvolatilität.
Mit Blick auf die Portfolio-Konstruktion sehen wir eine größere Volatilität in den kurzfristigen Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen. Auch dürfte die Spanne der Korrelationen breiter werden. Zudem rechnen wir mit höheren nominalen Renditen bei Kernanleihen, wodurch die Auswirkungen von Wachstumsschocks auf ein breiteres Portfolio effektiv ausgeglichen werden können. Insgesamt dürften Anleihen im Laufe der Zeit einen signifikanten Anteil für einen Portfolio-Gesamtertrag liefern. Eine Schlüsselrolle kommt aktivem Management und alternativen Anlageklassen zu, um Inflationsrisiken zu verringern sowie potenzielle risikoadjustierte Erträge zu steigern.
Fazit
Zwar bieten langfristige Prognosen Orientierung, doch es bleiben Unsicherheiten über den Ausgangspunkt und den Weg dorthin. Portfolio-Strategien sollten sich daher auf ein paar Grundannahmen stützen: Anleihen können bei Wachstumsrisiken helfen, alternative Anlageklassen können Inflationsrisiken mindern, und aktives Alpha kann dafür sorgen, dass ein Investor auch wirklich sein Anlageziel erreicht.
---
*) John Bilton ist globaler Leiter für Multi-Asset-Strategie bei J.P. Morgan Asset Management in London
Tilmann Galler ist globaler Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt