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Kommentar: Festverzinsliche Wertpapiere - bei aktivem Management bieten sich überzeugende Chancen

Investment-Grade-Anleihen sind wieder wettbewerbsfähig. Ende letzten Jahres ähnelte die Bewertung von Unternehmensanleihen der nach dem Crash im März 2020, als die Märkte mit Panik auf die plötzliche Veränderung der Welt durch Covid-19 reagierten. Spreads auf diesem Niveau sahen wir zuletzt während der Euro-Schuldenkrise. Aber damals stellten die Märkte das Überleben der gemeinsamen Währung in Frage.

Gaurav Chatley

Was sich dagegen 2022 ereignete, war ein relativ solider, geordneter Ausverkauf. Trotz des derzeitigen Zinsregimewechsels leben wir im Vergleich zu den oben angesprochenen Zeiten unter „normalen“ wirtschaftlichen Bedingungen.

Jetzt könnte also ein guter Zeitpunkt sein, wieder Investment-Grade-Risiken einzugehen. In der Tat bieten die implizierten Ausfallquoten über alle IG-Ratingklassen hinweg ausreichende Renditen, um historische Durchschnitts- und Worst-Case-Ausfallquoten zu kompensieren.

Unterschiedliche neue Bewertungen
Dabei sind Unternehmensanleihen nicht einheitlich neu bewertet worden, weder weltweit noch auf den einzelnen Märkten; in Europa ist die Streuung erheblich. Hinsichtlich der Credit Spreads von BBB-Emissionen geht es dem Investment-Grade-Markt in den USA wesentlich besser als im Vereinigten Königreich und dem Euroraum.

Erstmals seit der Euro-Schuldenkriste 2011/12 werden europäische BBBs mit einem deutlich größeren Spread gehandelt als US-amerikanische. Ein Grund hierfür liegt in dem erhöhten „Angstfaktor“, insbesondere im Zusammenhang mit den Energiekosten. Die USA gelten vielen nach wie vor als Ruhepol in einer Welt der Unsicherheit.

Der Bewertungsunterschied zwischen den billigsten 25% des Marktes und den teuersten 25% ist im historischen Vergleich stark. Dabei ist das teure Marktsegment von Käufern beeinflusst, denen es nicht um den finanziellen Ertrag geht. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen ihrer quantitativen Lockerungspolitik Unternehmensanleihen nicht wegen ihres Anlagepotenzials oder interessanter Renditen erworben, sondern um die Spreads zu senken und die Wirtschaft anzukurbeln.

Sicher und teuer bedeutet nicht zwingend gut
Anleger neigen zu dem Glauben, dass eine sichere Anlage zugleich auch eine attraktive ist. Sie bevorzugen ungeachtet der hohen Preise Vermögenswerte mit einem ihrer Ansicht nach geringen Risiko. Mit diesem Verhalten tragen sie allerdings dazu bei, die Spreads noch stärker auszuweiten.

Unserer Meinung nach liegt der wirkliche Wert im „billigen“ Segment des Marktes – auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken. Derzeit sehen wir auf den europäischen Märkten bessere Bewertungen als in den USA und bevorzugen Sektoren wie Immobilien, Finanzwerte und Bankemissionen. Abgesehen von den USA würden wir dabei jedoch Anleihen meiden, die aufgrund ihrer Einbindung in die Zentralbankbilanzen teuer sind und bleiben.

Beispiel Immobiliengesellschaften
Wenn Zinssätze und Anleiherenditen steigen, müssen die Renditen von Immobilien ebenfalls angehoben werden, um im Wettbewerb bestehen zu können. Mit wachsender Rendite sinkt der Wert eines Grundstücks. Die Folge ist, dass Immobilienunternehmen bei der Refinanzierung ihrer Kredite höhere Beleihungsquoten (loan to values, LTVs) akzeptieren müssen. Damit gelten sie als größeres Kreditrisiko. Credit Spreads und Kapitalkosten schrauben sich hoch. Investoren übersehen bei ihrer Risikoeinschätzung jedoch oft, dass Immobilienunternehmen sich auch über direkte Bankkredite finanzieren können und damit nicht vollständig von dem Anleihemarkt abhängig sind.

Mit ausgedehnteren Spreads, die zum Ende des Jahres 2022 Barpreisen von 60/65 Cent entsprachen, und attraktiven Beleihungsquoten von 40-45% kann ein hoch diversifiziertes Investment im Immobiliensektor interessant sein. Selbst im Fall eines Notverkaufs, bei dem Abschläge von 50% auf das Immobilienvermögen vorgenommen werden müssten, wäre immer noch genügend Kapital vorhanden, um die Anleihegläubiger zum Nennwert oder schlimmstenfalls doch noch deutlich über den gezahlten Preisen auszuzahlen. Anleger sollten aber auf eine gründliche Anleiheanalyse und möglichst eigene Immobilienexpertisen Wert legen.

Beispiel Banken
Unserer Ansicht nach sind die Anleger in Bezug auf das Risiko europäischer Banken übermäßig kritisch. Zwar könnte die angespannte Finanzsituation von Verbrauchern und Unternehmen zu einer Zunahme an notleidenden Krediten führen. Die europäischen Banken sind aber deutlich besser kapitalisiert als noch während der Finanzkrise und haben an ihrem Risikomanagement gearbeitet. Darüber hinaus dürften die Bankinstitute dank steigender Zinssätze von höheren Nettozinsmargen profitieren.

Nachrangige Bankschuldtitel, insbesondere Lower-Tier-2-Kapital (T2), boten im letzten Jahr sowohl einen attraktiven absoluten Spread als auch eine deutliche Spread-Ausweitung gegenüber gleichwertigen vorrangigen Schuldtiteln, so dass wir sie für interessanter hielten. Angesichts der kürzlichen Markterholung gilt unsere Konzentration jetzt aber wieder den vorrangigen Titeln.

Anfang 2023 erlebten wir eine starke Marktrallye. Die voraussichtlichen Gesamtrenditen von festverzinslichen Wertpapieren sehen jedoch verglichen mit der jüngsten Vergangenheit immer noch überzeugend aus. Allerdings sind die Chancen an den verschiedenen Märkten nicht homogen, was den Wert eines aktiven Managements und einer selektiven Risikobewertung unterstreicht.

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*) Gaurav Chatley ist Senior Portfolio Manager für europäische Unternehmensanleihen bei M&G Investments