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„Moderna war und bleibt ein enorm erfolgreiches Investment“

Jenseits der Impfstoffe gegen Covid-19 fristete die Biotechbranche an den Finanzmärkten zuletzt ein Schattendasein, meint Dr. Daniel Koller, Head Investment Team von BB Biotech bei Bellevue Asset Management, im Gespräch mit IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger. Zu Unrecht, denn etliche bahnbrechende Therapieansätze stehen vor dem großen Durchbruch.

Daniel Koller

IPE D.A.CH: Herr Dr. Koller, wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Portfolio im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021?
Koller: Die Rotation vieler Investoren weg von Wachstumswerten hin zu Value- Aktien vor dem Hintergrund der anhaltenden Inflation und der angekündigten Zinsschritte hat die Biotechaktien undifferenziert getroffen. Insbesondere Mid Caps mit klarem Wachstumspotential, selbst profitable Unternehmen oder solche mit klarer Aussicht auf zukünftige Profite, wurden mit dem gesamten Biotechsektor abgestraft. Darunter litt auch das Portfolio von BB Biotech. Darüber hinaus haben der Branche als Ganzes die großen Erfolgsmeldungen gefehlt, wenn man den Erfolg der mRNA-Vakzine im Kampf gegen Covid-19 einmal außen vorlässt.

IPE D.A.CH: Welchen Investment Case hat Covid-19 noch in Ihrem Portfolio?
Koller: Der Stellenwert von Impfstoffen und Therapien gegen Covid-19 hat sich deutlich verringert. Moderna war und bleibt jedoch ein enorm erfolgreiches Investment. In seiner Pipeline testet das Unternehmen seine führende mRNA-Technologie vor allem in prophylaktischen Impfstoffen gegen etliche Infektionskrankheiten.

IPE D.A.CH: Sie waren in Moderna früh aufgrund der mRNA-Technologieplattform des Unternehmens investiert – ist mRNA der große Treiber in der Biotechnologie für die kommenden Jahre, gerade auch im Hinblick auf Krebstherapien?
Koller: Der große Vorteil der mRNA-Technologie ist die hohe Flexibilität aufgrund der sich fast beliebigen Zusammensetzung von Nukleinsäuren und die in der Pandemie bewiesene hohe Sicherheit der Verabreichung. Das eröffnet ein weites Feld an Anwendungen in unterschiedlichsten Krankheitsfeldern. In den nächsten Jahren erwarten wir die meisten klinischen Fortschritte bei anderen Infektionskrankheiten. Mittel- bis langfristig werden mRNA-Therapien aber möglicherweise auch bei der Behandlung von Krebs und erblich bedingten Stoffwechselkrankheiten eine wachsende Rolle spielen.

IPE D.A.CH: Wo stehen wir Ihrer Einschätzung nach aktuell in der Forschung in Bereichen wie Alzheimer oder Krebserkrankungen, was sind hier interessante „Forschungsprojekte“?
Koller: In der Alzheimerforschung bleiben wir nach der umstrittenen Zulassung von Aduhelm und der enttäuschenden Markteinführung skeptisch, was bahnbrechende Erfolge in naher Zukunft angeht. In der Krebsmedizin werden in diesem Jahr mit Spannung die klinischen Wirksamkeitsnachweise von Nektar Therapeutics in der Immunonkologie erwartet. In Bereich der Genom-Editierung, also dem direkten Eingriff auf das Erbgut sollten Vertex Pharma uns CRISPR Therapeutics in der zweiten Jahreshälfte als erste Firmen überhaupt Zulassungsdaten und einen Zulassungsantrag einreichen. Der Wirkstoff CTX001 behandelt Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie, zwei seltene Bluterkrankungen, für die es bislang keine adäquaten Behandlungsoptionen gibt.

IPE D.A.CH: Welche Rolle spielen „Biotechs“ gegenüber den großen Pharmakonzernen aktuell in der Forschungspipeline insgesamt?
Koller: Biotechfirmen sind in neuen Therapieansätzen wie Gentherapien, Genom-Editierung und mRNA-basierten Arzneien die treibende Kraft. Hier werden wir in den nächsten Jahren eine wachsende Zahl von Produktzulassungen sehen. Zugleich haben die Pharmakonzerne das kommerzielle Potenzial dieser neuen Therapien erkannt, indem sie Kooperationen eingehen oder hohe Übernahmeprämien zahlen. Obwohl deutlich weniger Übernahmen in den letzten 12 Monaten zu verzeichnen waren, sind die jüngsten Akquisitionen der auf Krebs-Immuntherapien spezialisierten Amunix Pharma und des mRNA-Spezialisten Translate Bio durch Sanofi gute Beispiele.

IPE D.A.CH: Wie sehen Sie das Thema (durchsetzbare) Medikamentenpreise?
Koller: Der Fokus der nationalen Gesundheitssysteme ist darauf ausgerichtet, die Patientenbehandlungen effektiv, bezahlbar und zugleich qualitativ immer hochwertiger zu gestalten. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen bei neuen Therapien, die Krankheiten besser behandelbar machen oder in Einzelfällen eine vollständige Heilung versprechen, weiterhin eine große Preissetzungsmacht haben.

IPE D.A.CH: Wo setzen Sie bei aktuellen Neuinvestments die Schwerpunkte?
Koller: Nach dem Abverkauf sind die Bewertungen bei den Biotech Small und Mid Caps niedrig bewertet. Hier halten wir verstärkt Ausschau nach Investment-Opportunitäten. Insbesondere bei Unternehmen, die in der Onkologie forschen, sind in diesem Jahr sehr viele klinische Ergebnisse zu erwarten.

IPE D.A.CH: Wie gehen Sie mit dem Thema Diversifikation um?
Koller: Bei den Krankheitsfeldern sind die Onkologie und die seltenen genetisch bedingten Erkrankungen deutlich übergewichtet, weil wir hier in den nächsten Jahren bei Neuzulassungen das größte Kommerzialisierungspotenzial erwarten. Im Hinblick auf die Marktkapitalisierung der in unserem Portfolio enthaltenen Unternehmen haben wir Small und Mids Caps deutlich übergewichtet, weil diese nach unserer Einschätzung ein attraktives Risiko-Rendite-Profil bieten. Zugleich orientieren wir uns an keiner Benchmark und können den Portfolioanteil von einzelnen Kernbeteiligungen auch über die Schwelle von 10% hochfahren, welche bei Investmentfonds als Obergrenze gilt.

IPE D.A.CH: Wie sehen Sie aktuelle die Entwicklung von Biotechnologieunternehmen außerhalb der USA – schafft BioNtech gerade in Deutschland ein neues Gründer-/VC-Klima?
Koller: Es bleibt zu hoffen, dass der große Durchbruch von BioNTech die Biotechnologiebranche in Deutschland und Europa wieder stärker in den Fokus der Investoren rückt. Dass BioNTech wie auch andere europäische Biotechs sich für den Börsengang an der Nasdaq entschieden, zeigt jedoch, dass bei den Biotech-Investments der US-Kapitalmarkt weiterhin hohe Wichtigkeit genießt. Zugleich gewinnt die europäische Biotechindustrie an Reife, wie die Produktzulassung unserer aktuellen Kernbeteiligung ArgenX aus den Niederlanden zeigt.

IPE D.A.CH: Vielen Dank für diese Einblicke.