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„Wir denken, dass ein aktiver und selektiver Ansatz zu sehr auskömmlichen Renditen im Bereich EMD führen kann“

IPE D.A.CH-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Wolfgang Sussbauer, Head of Germany & Austria bei PGIM Fixed Income, über die aktuelle Situation an den Fixed Income Märkten und die Frage, wie sich institutionelle Anleger angesichts erster Zinssenkungen der Notenbanken positionieren sollten.

Wolfgang Sussbauer

IPE D.A.CH: Herr Sussbauer, ich würde gerne mit dem großen Bild anfangen. Morgen ist die letzte EZB-Sitzung vor der Sommerpause, was passt besser zum Einstieg als einen Blick auf die Notenbankpolitik zu werfen. Wie ist hier die Einschätzung Ihres Hauses?
Sussbauer: Lassen Sie uns gerne mit dem Makrobild anfangen, weil es letztendlich auch dann die Frage beantwortet, wie wir die Attraktivität im Fixed-Income-Sektor sehen. Wir sind unserer Meinung nach mit recht großer Sicherheit am Ende des Straffungszyklus angekommen. Die EZB hat den ersten Zinsschritt gemacht und wir erwarten für dieses Jahr noch zwei weitere. In den USA wird zumindest einmal ein erster Zinsschritt im September erwartet und auch vom Markt so eingepreist. Schauen wir etwas weiter, so divergiert unsere Hausmeinung etwas vom Marktkonsens, denn unserer Meinung nach wird das Zinsniveau auf einem höheren Level verbleiben, als wir es vor der Pandemie gesehen haben. Und der Markt – da gab es auch einige Volatilität in diesem Jahr, bei den Markterwartungen und auch bei den Erwartungen der Zinssenkungen – ist wahrscheinlich immer noch zu sehr geprägt von der Anomalie, die wir bis zum Beginn der Pandemie hatten.

IPE D.A.CH: Was heißt das für die Attraktivität der einzelnen Sub-Assetklassen an den Bondmärkten, auf welche Faktoren sollte man – neben den genannten Schritten der Notenbanken – genauer achten?
Sussbauer: Wenn man sich die einzelnen Faktoren ansieht, die für Fixed Income oder die Assetklassen allgemein von Bedeutung sind, sollten wir am besten mit dem Thema Inflation anfangen. Die Inflationserwartung unseres Hauses ist, dass wir uns auf einem Plateau über dem 2%-Ziel der Notenbanken verfestigen. Wir haben auch gesehen, dass die Preisschocks aus unterschiedlichen Ecken und immer häufiger kommen. Somit wird auch die Inflation recht volatil bleiben. Warum wird die Inflation unserer Einschätzung nach kaum wieder unter 2% fallen? Da gibt es einfach zu viele Faktoren, die belastend wirken. Das sind einmal die hohen Staatsdefizite. Das ist aber auch die eigentlich schon sehr gut prognostizierbare Belastung durch höhere Ausgaben durch den Green Deal, durch Aufrüstungen in den westlichen Staaten und somit wird eine hohe Emissionstätigkeit bei den Staatsanleihen erwartet und insgesamt sind es einige Faktoren, die nachhaltig für Inflation und im Endeffekt auch für etwas höhere Zinsen sprechen. Ich hatte schon angedeutet, dass wir uns mehr oder weniger mit dem Marktkonsens in einem Lager für 2024 befinden, aber insgesamt für das nächste Jahr weniger Zinssenkungen erwarten.

IPE D.A.CH: Insgesamt also keine ganz schlechten Aussichten…
Sussbauer: Das Einzige, was letztendlich das Investitionsumfeld für Fixed-Income-Investoren etwas trübt, sind die Zinsspreads, also die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen und sonstige risikobehaftete Anlagen in Fixed Income. Diese sind eher am unteren Ende des langfristigen Bandes. Wenn wir zum Beispiel High Yield nehmen, so liegt der Spread in den USA bei nur rund 330 Basispunkten. Insgesamt sind wir, was die einzelnen Anlageklassen angeht, aber leicht positiv gestimmt, weil die Fundamentaldaten auch ein niedriges Pricing rechtfertigen. Wir haben sehr geringe Defaults, wir haben nach wie vor gute Wachstumsbedingungen. Wir sehen im Moment keine klaren Anzeichen für eine nahende Rezession. So würden wir bei einer Spread-Ausweitung in den einzelnen Sektoren eher zukaufen und damit unsere Gewichtung auch entsprechend erhöhen. Allerdings ist jetzt nicht die Zeit für Investoren, um auf Basis der aktuellen Spreads hohe Bonitätsrisiken einzugehen.

IPE D.A.CH: Wie sehen Sie das Thema Duration im aktuellen Umfeld? Wie sollte man sich da grundsätzlich positionieren?
Sussbauer: Die Versuchung ist bei Investoren im Umfeld von inversen Zinskurven natürlich sehr hoch, sich letztendlich im Cash zu positionieren. Und trotzdem ist es nahezu unmöglich, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem eine Umschichtung von Cash in langfristige Zinsanlagen angebracht ist. Aktuell sind wir an dem Punkt angelangt, wo der Lockerungszyklus durch die Zentralbank begonnen hat. Ihn exakt zu bestimmen, ist unmöglich. Auch die Zentralbanken selbst warten die Daten in den nächsten Quartalen ab. Aber, wir empfehlen Investoren auf jeden Fall, sich aus den kurzfristigen Anlagen wieder in länger laufende Zinsträger zu begeben und da letztendlich eine benchmark-ähnliche Duration zu wählen, mit den gängigen Indizes zu gehen und das auskömmliche Zinsniveau für längere Zeit einzuloggen.

IPE D.A.CH: Sie haben angesprochen, dass das wirtschaftliche Umfeld durchaus tragfähig ist für risikobehafteten Anlagen, aber die Spreads eher am unteren Ende zu finden sind. Ist das bei institutionellen Investoren angekommen? Hält man sich da eher zurück oder geht man trotzdem ins Risiko und die Risikoleiter etwas höher?
Sussbauer: Es gibt verschiedene Lager. Im Allgemeinen kann man schon feststellen, dass Investoren, gerade auch auf LDI ausgerichtete Anleger, sich insbesondere im Investment-Grade-Bereich und auch wieder bei Staatsanleihen und in Covered Bonds, also Pfandbriefen, eingedeckt haben. Sie wollen letztendlich die Situation vermeiden, in der sie im Rahmen stetig sinkender Zinsen bis hin zu null Zinsen geraten waren, dass die Verpflichtungen deutlich höher waren, als das erreichbare Zinsniveau bei Neuanlagen. Jetzt ist man in der komfortablen Situation, dass man durch Investment Grade Bonds die Verpflichtungsseite komplett abdecken kann. Das ist im großen Stil passiert, teilweise auch im Direktbestand. Das heißt, sowohl Fondsanlagen als auch die Ausweitung des Direktbestands zeigen ganz klar, dass Institutionelle hier bei Investment Grade Corporates und Staatsanleihen ihre Gewichtung erhöht haben. In den höherrentierlichen Segmenten ist das Bild eher diffus. Emerging Market Bonds hatten Abflüsse zu verzeichnen und waren bislang nicht der Profiteur. High Yield ist als Baustein bei vielen Investoren durchaus weiter nachgefragt, und es gibt auch eine weiterhin recht hohe Nachfrage im Private-Debt-Segment, beispielsweise nach Direct Lending und somit eigentlich ein recht breites Nachfragespektrum des Fixed Income-Universums mit EMD als wahrscheinlich schwächstes Glied innerhalb der Kette.

IPE D.A.CH: EMD ist ein gutes Stichwort, über die Assetklasse sprechen wir jetzt schon länger als möglichen Turnaround-Kandidaten. Aber das Interesse unter institutionellen Anlegern hierzulande ist eher gering. Woran liegt es Ihrer Ansicht nach und was könnte ein Katalysator für die Assetklasse sein?
Sussbauer: Ich denke, man muss ein Stück weit auch in die Vergangenheit gehen und konstatieren, dass EM Bonds innerhalb der Phase des Niedrigzinsumfelds eine der wenigen verbliebenen Renditeoasen waren. Deshalb wurden die Gewichtungen hochgefahren. Nun, nachdem IG Corporates in den USA mit ca. 5% in US-Dollar sowie Euro IG Corporates mit rund 3,5% recht auskömmliche Renditen bieten, ist letztendlich die Frage für den europäischen Anleger, welchen Mehrwert EMD aktuell liefern kann und zu welcher Volatilität und mit welchem Risikobudget. Weitere Belastungsfaktoren waren zuletzt ganz klar der starke US-Dollar, der bei EM-Bonds historisch stets zu Abflüssen geführt hat und letztlich das Umfeld geopolitischer Risiken. Aber zur Frage, was wieder Zuflüsse auslösen bei EM Bonds auslösen könnte: Es sind genau diese geopolitischen Risiken, die ja auch Chancen eröffnen. Allerdings erfordern EM Bonds derzeit einen sehr selektiven Ansatz. Wir haben ohne Frage ein Umfeld, in dem es Gewinner und Verlierer geben wird. Und diese Gewinner und Verlierer kann man eigentlich ganz gut identifizieren. Natürlich können wir nicht den Wahlausgang in einzelnen Ländern vorhersehen. Aber es gibt langfristige Trends. Länder wie Mexiko haben beispielsweise durch Investitionen von US-Unternehmen starke Industrialisierungsfortschritte gesehen. Gleiches sehen wir auch beispielsweise in osteuropäischen Ländern oder in Nordafrika, hier in Zusammenarbeit mit der EU. Und man kann sagen, dass der globale Süden von dieser fragmentierten Welt durchaus auch profitieren kann, wenn es Länder schaffen, sich klug auszurichten, einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden und beispielsweise Partnerschaften eingehen für Infrastrukturinvestitionen bei Lieferketten für Rohstoffen. Somit denken wir, dass ein aktiver und sehr selektiver Ansatz zu sehr auskömmlichen Renditen im Bereich EMD führen kann.

IPE D.A.CH: Bei welchem Spread werden wir auch grundsätzlich wieder mehr deutsche Investoren in Emerging Markets sehen, um die Volatilität bzw. das Risiko kompensieren zu können?
Sussbauer: Was wir sehen, ist weniger eine absolute Spread- oder Rendite-Erwartung, sondern vielerorts eine Risikobegrenzung, teilweise durch maximale Drawdowns kommuniziert, oder eine gewisse Verlusttoleranz. Häufiger sehen wir auch eine Aufteilung des EMD-Universums in Investment Grade und Non-Investment Grade. Aufgrund der Solvency-Vorgaben bei Versicherern sind viele dazu übergegangen, dass sie bei EMD nur noch innerhalb des Investment Grade Universums investieren. Und dann wiederum gibt es verschiedene Favoriten bei den Sub-Assetklassen, manchmal Hard Currency, manchmal Blend mit Lokalwährungen. Und was wir im Ausland sehr stark sehen ist ein Blend-Ansatz, der Sovereigns und auch Corporates eint.

IPE D.A.CH: Wie sehen Sie ganz grundsätzlich das Thema Diversifikation? Hat das im Rahmen der geopolitischen Risiken abgenommen und man investiert wieder mehr vor der eigenen Haustüre? Oder ist es eher das Gegenteil?
Sussbauer: Man hört sehr oft das Wort Komplexitätsreduktion bei Investoren. Das heißt, man ist eigentlich in der Zeit des Niedrigzinsumfelds in Segmente gegangen, die einen geringen Wohlfühlfaktor hatten, wenig transparent waren, hohe Kostenintensität mit sich gebracht haben und das hat sich ein Stück weit umgekehrt. Das heißt, wenn ich mit sehr geringen Gebühren und Personalkosten die Verpflichtungsseite abdecken kann, dann ist sicherlich nicht die Zeit für eine Aufstockung der Hedgefonds-Allokation, genauso wie wir im Moment wenig Nachfrage sehen nach Benchmark-neutralen Ansätzen wie Absolute Return/Total Return.

IPE D.A.CH: Sie haben vorhin schon einmal das Stichpunkt Private Markets erwähnt. Wie sehen Sie da die weitere Entwicklung?
Sussbauer: Niemand von uns hat eine Glaskugel. Aber im Moment deutet alles darauf hin, dass Private Markets gekommen sind, um zu bleiben. Wir haben in den letzten 12 bis 24 Monaten eine Phase gehabt, in der viele Investoren überallokiert waren. Der vielzitierte Denominator-Effekt. Aber es hat sich an den Ausgangsbedingungen mit Ausnahme des Basiszinses wenig verändert. Das heißt, man profitiert genauso von einem höheren Basiszins plus den Spreads und Illiquiditätsprämien. In den USA sehen wir, dass die Unternehmen bislang mit den hohen Finanzierungskosten erstaunlich gut wirtschaften können. Das heißt, die große Frage wird sein, ob wir mittelfristig in ein Umfeld kommen, in dem diese hohen Kapitalkosten für die Unternehmen wirklich zum Problem werden. Das wird sicherlich sektorübergreifend nicht überall der Fall sein. Eine gewisse Marktbereinigung wird aber mit ziemlicher Sicherheit folgen.

IPE D.A.CH: Was sehen Sie ansonsten als größtes Risiko für die Märkte?
Sussbauer: Wir versuchen natürlich soweit, alle Szenarien durchzuspielen. Es gibt nicht das eine Szenario, auf das wir alle Entscheidungen und die Ausrichtung der Portfolios basieren können, dafür ist die ist die Welt zu komplex. Insgesamt gehen wir davon aus, dass das Umfeld weiterhin sehr unterstützend für Fixed Income wirkt. Dazu kommt die Frage nach den Alternativen. Die hohen KGVs am Aktienmarkt wurden dadurch gerechtfertigt, dass man ein niedriges Zinsumfeld hatte. Diese Argumente tragen nicht mehr und die Dividendenrendite – beispielsweise des S&P 500 – liegt mittlerweile deutlich unter den Renditen, die man bei den Staatsanleihen im US-Dollar erzielen kann. An sich sprechen wir also über sehr hohe Bewertungsniveaus, getragen von sehr wenigen Titeln im Aktien-Segment und bei Privatmarkt-Anlagen ist die Frage durch den eingebauten Leverage bei Immobilien und Private Equity, ob die hohen Renditen der Vergangenheit so weiter erzielbar sind. Sollte unsere Prognose des „Higher for Longer“ bei der Zinsbetrachtung greifen, dann sprechen wir bei Fixed Income über eine sehr interessante Anlageklasse.

IPE D.A.CH: Wo liegen dort am Ende Risiko-adjustiert die besten Chancen für Anleger?
Sussbauer: Wir mögen nach wie vor langfristig AAA und AA CLOs. Die Bewertungen dort sind sehr attraktiv, auch für deutsche Investoren. Wir sehen mehr Interesse für die Assetklasse aber sie sind in der Breite noch nicht in den Portfolios angekommen. Zudem nehmen wir gerne längere Laufzeiten bei Municipal Bonds in den USA. Und wir werden bei höheren Spreads stufenweise das Risiko in den Portfolios erhöhen, beispielsweise indem wir im HY-Segment zukaufen.

IPE D.A.CH: Vielen Dank für diesen Ein- und Ausblick.