Foundation | Welcome

Menu


„Schauen Sie sich die Bewertungen an und versuchen Sie, das Portfolio angemessen zu diversifizieren, aber nicht zu stark“

Christian Böhm verabschiedete sich Mitte des Jahres in den wohlverdienten Ruhestand.

Christian Böhm

Christian Böhm ist am 30. Juni dieses Jahres als Vorstandsvorsitzender der österreichischen APK Pensionskasse AG ausgeschieden und hat seinen Ruhestand angetreten. Er hat dabei im letzten Jahr seismische Veränderungen beobachtet. In seinen letzten Monaten als Vorstandsvorsitzender hat er nicht nur miterlebt, wie sich die Anlagestrategien von Pensionskassen und Vorsorgekassen rapide geändert haben, sondern auch die weiteren Auswirkungen des Krieges in der Ukraine beobachtet.

„Es war ein schwieriges Jahr“, sagt Böhm. „Wir denken, dass die Diversifizierung immer noch funktioniert, aber wir glauben auch, dass sie nicht mehr so effektiv ist wie in der Vergangenheit. Die jüngsten Entwicklungen auf dem Markt zeigen etwas völlig anderes als das, was ich in meiner Karriere gesehen habe.“

Normalerweise wirkt sich eine Korrektur bei Aktien positiv auf das Anleihenportfolio von Pensionskassen aus, und umgekehrt, was derzeit nicht der Fall ist. Die dringende Notwendigkeit besteht darin, Anlageklassen zu finden, die nicht mit dem aktuellen Umfeld korrelieren. Die Anlagestrategie der APK Pensionskasse hat sich so radikal über die Jahre verändert. Als Böhm Ende 1989 seine berufliche Laufbahn begann, investierte die APK stark in Anleihen, insbesondere österreichische Staatsanleihen mit hohen Nominal- und Realzinsen. Die Pensionskasse hat im Verlauf der Zeit den Aktienanteil sukzessive ausgeweitet.

Am Ende des letzten Jahrhunderts war das Aktienengagement relativ hoch. „Aufgrund extrem gestiegener Aktienkurse haben wir Gewinne aus dem Portfolio realisiert, da einige Aktien überbewertet waren", erinnert sich Böhm. „Jetzt ist unser Portfolio nicht mehr in diesem Umfang in Staatsanleihen allokiert. Der größte Teil des Anleihenportfolios ist im Unternehmensbereich von Investment Grade bis High Yield investiert.“ Investitionen in Anlagevermögen mit hohem Risiko waren vorher aufgrund der hohen Realrenditen im Anleihensegment nicht in diesem Umfang nötig.

APK hat nun auch einen höheren Anteil des investierten Vermögens in Privatmärkten, Private Equity bis Private Debt. Dies war ein notwendiger Schritt, weil die Volatilität an den Aktienmärkten zugenommen hat. Darüber hinaus neigen öffentliche Märkte dazu, auf negative und positive Situationen zu heftig zu reagieren, während Private Equity als Vermögensanlage weniger volatil ist.

„Die Regeln, die ich aus der Vergangenheit gelernt habe und die auch jetzt noch wichtig sind, lauten: Schauen Sie sich die Bewertungen an und versuchen Sie, das Portfolio angemessen zu diversifizieren, aber nicht zu stark. Andernfalls investieren Sie in Unternehmen oder Länder, in die Sie Ihr Geld normalerweise nicht investieren würden.”

Die Jahre 2000 bis 2002 und 2008/2009 waren von ausgedehnten Krisen geprägt. Böhm betont zwei Hauptunterschiede zwischen der aktuellen Lage und den Krisen, die er in der Vergangenheit erlebt hat: „Der Ausgangspunkt war in letzter Zeit ein extrem tiefes Zinsumfeld und daher ist die Sensitivität gegenüber steigenden Zinsen in den Rentenportfolios höher als in der Vergangenheit. Früher hatten wir einen höheren Schutz vor steigenden Zinsen, jetzt ist der Ausgangspunkt bei Null und daher ist die Empfindlichkeit extrem hoch.”

Die aktuelle Periode sieht nach Ansicht Böhms anders als bereits Gesehenes aus, weil die Inflation überraschend schnell gestiegen ist. Nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert ist und die Europäische Union entschieden hat, unabhängig von russischen Energieimporten zu werden. Das Argument, dass die Unabhängigkeit von russischen Energiequellen unweigerlich zu erneuerbaren Energien führen wird, ist gültig, aber der Übergang dauere. „Europa wird seine Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas erlangen müssen, aber wir müssen anerkennen, dass Europa weiterhin Energie importieren muss. Es ist unmöglich, dass Europa in kurzer Zeit unabhängig sein wird.“


Das vollständige Gespräch mit Christian Böhm finden Sie auch im aktuellen IPE DACH Jahrbuch Asset Management 2022.