Deutsche und österreichische Vorsorgeeinrichtungen erwarten, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Stärkung nachhaltiger Finanzwirtschaft zu mehr Regulierung und höheren Kosten führen wird.
Das war der Grundtenor beim diesjährigen „Herbstdialogs“ des Altersvorsorgegipfels, der von Barbara Bertolini in Wien organisiert wird.
In der Diskussion der Vorschläge der Europäischen Kommission warnten Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, dass diese Bemühungen zwar „gut gemeint sein können, aber letztendlich nicht so gut sind“.
„Wenn uns einmal die ESMA und EIOPA sagen, was nachhaltig ist und was nicht, dann beginne ich mich zu fürchten“, sagte Christian Böhm, Geschäftsführer der Österreichischen APK, die 4,4 Mrd. Euro verwaltet.
Er warnte davor, oberflächliche Kennzahlen zur Bestimmung nachhaltiger Unternehmen anzuwenden ohne das zugrundeliegende operative Geschäft näher zu überprüfen.
Darüber hinaus rief Böhm die Politiker dazu auf, Nachhaltigkeit durch gute Umwelt- und Sozialgesetzgebung sowie Governance-Bestimmungen zu fördern.
„Was im Moment passiert, ist der Versuch, einen Teil dieser Verantwortung auf institutionelle Investoren abzuwälzen, denen dann die Schuld gegeben werden kann, wenn ein Ziel nicht erreicht wird“, zeigte sich Böhm überzeugt.
Ähnlich kritische Worte kamen von Christian Wolf, Leiter Kapitalanlagecontrolling bei der Pensionskasse für den deutschen Bankensektor, BVV, die derzeit 28 Mrd. Euro verwaltet: „Was wir nicht brauchen, ist eine sich selbst überholende Gesetzgebung.“
Wolf hielt fest, dass Vorsorgeeinrichtungen bis Mitte Januar 2019 die EbAVII-Richtlinie umsetzen müssen, die auch ESG-Bestimmungen enthält. Laut der Richtlinie hätten die Institutionen bis 2023 Zeit, die Umsetzung zu evaluieren.
Allerdings sieht der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Stärkung nachhaltiger Finanzmärkte einen wesentlich strafferen Zeitplan vor.
„Was Versorgungseinrichtungen brauchen ist eine langfristige Verlässlichkeit der Regulierung und Zeit, neue Bestimmungen umzusetzen“, so Wolf.
Markus Zeilinger, Gründer und Geschäftsführer der österreichischen Vorsorgekasse fair-finance, fügte hinzu, dass ein Teil der derzeit geltenden Gesetze in Österreich nachhaltige Investitionen tatsächlich verhindern:
„Wir haben den Begriff der ‚Nachhaltigkeit’ nicht in unserem Regelwerk und einige Investmententscheidungen, die wir treffen, könnten vom Regulator hinterfragt werden.“
Zeilinger begrüßt zwar einige der Vorschläge der Europäischen Kommission, er erwartet jedoch Probleme in der tatsächlichen Umsetzung: „Ich fürchte mich vor dem Trojanischen Pferd, das nur mehr Aufwand bringt und Kosten.“
Er wünscht sich von der EU mehr Transparenz und einen einfacheren Zugang für Investoren zu Datenbanken, um informierte Entscheidungen treffen zu können.
Martin Koch, Policy Offer und Director General der FISMA, verteidigte die Bemühungen der Europäischen Kommission. Er sagte den Diskussionsteilnehmern, dass z.B. mit dem Vorschlag einer einheitlichen Taxonomie „nur ein Referenzsystem geschaffen werden soll“.
„Wir schreiben niemandem vor, was grün zu sein hat, sondern liefern nur eine Definition, was wir als ökologisch sehen“, erläuterte Koch.
Darüber hinaus, so Koch, seien die Schaffung von mehr Transparenz in der nachhaltigen Berichterstattung und in Ratings sowie die Überprüfung geltender Gesetze auf Hürden für nachhaltige Investitionen ganz oben auf der Agenda der Europäischen Kommission.
Volker Weber, Vorstandsvorsitzender des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) und Eurosif, steht dem ganzen Taxonomie-Vorschlag skeptisch gegenüber: „Man muss Produkte anhand ihrer eigenen Benchmark messen, um Greenwashing zu definieren.“
Weber rief die EU auch dazu auf, ihre Bemühungen zwischen den einzelnen Abteilungen besser zu koordinieren, damit die unterschiedlichen Regularien nicht gegeneinander arbeiten.
Generell hielten die Podiumsteilnehmer fest, dass die Vorschläge der Europäischen Kommission „in die richtige Richtung gehen“. Allerdings sahen alle Vertreter der Vorsorgeindustrie die Gefahr, dass EU-Gremien und –Aufsichtsbehörden letztendlich mehr Regulierungen verlangen werden.