Hedgework: Herr Storr, was verstehen Sie unter „Acceleration Capital“ im Gegensatz zum „Seed Capital“?
Storr: Unter „Acceleration Capital“ verstehen wir Investitionen in junge oder kleine Hedgefonds bei gleichzeitiger Umsatzbeteiligung. Das Konzept „Acceleration Capital“ unterscheidet sich vom „Seed Capital“ dahingehend, dass kein Kapital vor der Fondsauflage zugesichert wird. Das reduziert operationelle Unsicherheiten, schränkt allerdings auch das Anlageuniversum und die Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Hedgefonds ein. Der Hedgefondsinvestor erschließt sich mit der Umsatzbeteiligung eine Renditequelle zusätzlich zur Fondsrendite. Diese Renditequelle ähnelt einem Optionsportfolio, dessen Wert von Fondsrendite und -volumen abhängt. Die Umsatzbeteiligung verbessert das Risiko-Rendite-Profil der Hedgefondsinvestition und führt zu einer besseren Interessenangleichung zwischen Hedgefondsmanager und -investor. Im Gegensatz zum sogenannten „Seed Capital“ sind die Investitionssummen beim „Acceleration Capital“ oft kleiner, typischerweise zwischen 10 und 30 Mio. US-Dollar. Der Investor erhält dann vom Fonds eine prozentuale Umsatzbeteiligung an seinen jetzigen und zukünftigen Einnahmen aus Management- und Anreizgebühren. Ein weiterer Vorteil liegt in der rechtlichen Struktur: Bei einem Acceleration-Investment werden keine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen begründet. Seed Capital-Deals beinhalten dahingegen oft langjährige gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen, einschließlich Investor-Lock-ups, also gebundenem Kapital. Beim Acceleration-Deal bleibt der Investor auf der Limited Partner-Ebene und profitiert damit von der Fondsliquidität wie jeder andere Investor auch. Und wenn es mal doch nicht so läuft wie gedacht, kann der Investor sein Geld problemlos wieder abziehen und andere Opportunitäten suchen.
Hedgework: Aus welchen Gründen räumen Hedgefonds Investoren überhaupt eine Umsatzbeteiligung ein?
Storr: Die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells und der abnehmende Grenznutzen des Geldes sind ein Grund, aus dem insbesondere die Betreiber „kleiner“ Hedgefonds zu Umsatzbeteiligungen bereit sein können. Ein weiterer Grund sind die Präferenzen verschiedener Investorengruppen zugunsten großer Hedgefonds. Ungefähr die Hälfte der Hedgefondsinvestoren kann oder will nicht in Hedgefonds mit weniger als 100 Mio. US-Dollar AuM investieren. Am anspruchsvollsten zeigen sich die Versicherungen. Die Mehrheit der Versicherungen setzt bei Hedgefonds ein Mindest-AuM von 250 Mio. US-Dollar oder mehr voraus. In der Praxis zeigt sich, dass es für Hedgefonds zwei weitere magische Schwellen gibt – die eine liegt bei einem verwalteten Volumen von 50 Mio. US-Dollar und die zweite bei einem Volumen von 100 Mio. US-Dollar. Erst wenn Hedgefonds die zweite Schwelle durchbrochen haben, werden sie generell für institutionelle Investoren interessant und größere Tickets winken. Die bekannte 80/20-Regel ist in der Hedgefondsindustrie eher eine 90/10-Regel. Hier gilt, dass ca. 90% der Hedgefonds weltweit einen Anteil von weniger als 10% des gesamten von Hedgefonds verwalteten Vermögens verwalten. Und umgekehrt konzentrieren etwa 10% aller Hedgefonds 90% des verwalteten Kapitals auf sich. Doch um sich in die Gruppe der 10% vorzuarbeiten, ist es oft ein harter und steiniger Weg. Deshalb sind kleine Fonds sehr bemüht, Kapital einzusammeln und dafür auch gerne bereit, zukünftige Profite mit den Investoren über eine Umsatzbeteiligung zu teilen.
Hedgework: Welche Ertragschancen sind damit für Investoren verbunden?
Storr: Investoren bekommen Zugang zu zwei Renditequellen. Einerseits ist das der Renditestrom eines gut ausgewählten jungen und dynamischen Hedgefonds. Aber es kommt noch etwas oben drauf: Zusätzlich gibt es mit der Umsatzbeteiligung noch eine Private-Equity-artige Beteiligung am Unternehmenserfolg. Damit kann der Investor nicht nur von der generierten Performance, sondern auch von den Gebühreneinnahmen des Hedgefonds profitieren. Die hohen Gebühren, die Hedgefonds oft zu Recht vorgeworfen werden, drehen sich hier ins Gegenteil. Mit einer Umsatzbeteiligung ist der Acceleration-Capital-Investor sogar an hohen Gebühreneinnahmen interessiert. Zusätzlich liefern Renditen aus Umsatzbeteiligungen bei Hedgefonds wünschenswerte Diversifikationseigenschaften. Zum einen sind sie optionsähnlich – entweder positiv oder null. Zum anderen werden sie durch das Fondswachstum bedingt, welches wiederum nur schwach mit den Renditen traditioneller Anlageklassen korreliert ist, da es unter anderem von der industrieweiten Nachfrage nach Hedgefonds und der Vermarktungsaktivität des jeweiligen Hedgefonds abhängt. Aus Diversifikationssicht ist insbesondere die Beteiligung an Umsätzen aus Management Fees attraktiv, da diese Gebühr ungeachtet von Fondsrendite und Marktumfeld vereinnahmt wird. Die Beteiligung an Management-Fee-Umsätzen liefert einen stetigen und planbaren Renditebeitrag.
Hedgework: Wie lässt sich wiederum der Hedgefonds dies honorieren?
Storr: Der Hedgefonds profitiert im Wesentlichen von drei Dingen: Zum einen kann er auf das im Zuge der Umsatzbeteiligung investierte Kapital Gebühren vereinnahmen. Dies hilft gerade kleinen Managern, die üblichen operationellen Fixkosten abzudecken und sorgt damit für Business-Stabilität. Des Weiteren gewinnt er mit dem Acceleration-Investor einen typischerweise reputationsstarken Investor. Potenzielle Investoren wissen, dass im Rahmen des Deals bereits jeder Stein umgedreht und der Fonds auf Herz und Nieren überprüft wurde. Das erzeugt Vertrauen bei potenziellen Neuinvestoren. Und zu guter Letzt kann der Acceleration-Investor dem Fonds oft mit einigen Tipps und Perspektiven aus der Investorenseite weiterhelfen, was Marketing oder das Business betrifft.
Hedgework: Was sind die besonderen Charakteristiken von Hedgefonds mit Umsatzbeteiligung?
Storr: Hedgefondsfirmen, die zu Umsatzbeteiligungen bereit sind, weisen wie schon gesagt oft ein geringes verwaltetes Vermögen (AuM) auf. Typischerweise werden 100 Mio. US-Dollar als Schwelle genannt. Zudem sind das üblicherweise Fonds, die noch nicht allzu lange am Markt sind, deren Portfoliomanager aber bereits mehrjährige Erfahrung in seiner Nische besitzt. Kleine und junge Fonds mit kurzem Track Record bieten überdies vier entscheidende Vorteile:
• Kleine Fonds können sich schneller und flexibler an den Finanzmärkten bewegen, da die Entscheidungswege kürzer sind. Für Hedgefonds ist dies sehr wichtig.
• Kleine Fonds haben keine Liquiditätsprobleme und können beispielsweise auch in Aktien oder Anleihen mit kleiner Marktkapitalisierung investieren, ohne deren Preise advers zu beeinflussen.
• Die jungen Fonds bieten Investoren typischerweise günstigere Konditionen an.
• Die Marktnischen oder Ineffizienzen, welche der Strategie zugrunde liegen, sind noch nicht abgegrast wie bei großen Fonds.
Hedgework: Wie lassen sich solche Fonds am Markt ausmachen?
Storr: Das ist in der Tat eine der größten Herausforderungen im gesamten Prozess. Mit mir im Team arbeiten Strategie-Experten, deren Aufgabe es ist, das weltweite Universum von Hedgefonds bestimmter Anlagestrategien zu screenen. Das können je nach Strategie einige Hundert auch über Tausend Fonds sein. Aber nur die wenigsten dieser Fonds kommen für ein Umsatzbeteiligungsmodell in Frage, da neben Alter und Größe des Fonds natürlich auch Qualitätskriterien wie beispielsweise der Track Record, die Strategie, die Geschäftspartner das Setup und weitere Aspekte eine wesentliche Rolle spielen. Nur wenn alles zusammenpasst, wird dem Fonds ein Angebot zum Investment gegen Umsatzbeteiligung unterbreitet. Dabei greifen die Experten auf drei Kanäle zurück. Einerseits sind das die Industriekontakte, die wir als FERI uns seit fast 30 Jahren in der Hedgefondsindustrie aufgebaut haben. Andererseits gibt es aber auch spezialisierte Konferenzen, auf denen sich junge Hedgefonds-Manager präsentieren können. Und schließlich haben wir auch Zugang zu den führenden Hedgefonds-Datenbankanbietern und können so auch systematisch nach gewissen Kriterien screenen.
Hedgework: Wie sind diese Fonds in der Vergangenheit im Schnitt gegenüber der Konkurrenz gelaufen?
Storr: Junge Fonds schneiden im Durchschnitt sowohl absolut als auch risikoadjustiert besser ab als große Fonds, die oft von der Historie und ihrer Reputation leben, aber sich in der Realität dann doch oft nicht so verhalten, wie die Vergangenheit suggeriert hat. Die akademische Forschung deckt sich hier mit unseren Erfahrungen aus der Praxis: Jüngere Fonds haben im Durchschnitt höhere Renditen und das bei weniger Marktabhängigkeit, gemessen am sogenannten Beta-Faktor. Wer in einen großen und älteren Fonds investiert, kauft im Prinzip die historische Rendite und bekommt zusätzlich auch ein Stück emotionale Sicherheit bezüglich der Investorenreputation mitverkauft. Wer in junge und kleine Fonds investiert, kauft die zukünftige Rendite und kann davon profitieren, dass die Fonds sehr flexibel und liquide sind und sich in attraktiven Marktnischen bewegen können. Wenn dann noch obendrauf eine Umsatzbeteiligung kommt, wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein besseres Resultat erzielt, als es mit einem Industrie-Dinosaurier möglich gewesen wäre. Mit unserem „Future Stars“-Produkt, einem Acceleration-Capital-Fonds, konnten wir beispielsweise seit Auflage alle relevanten Hedgefondsindizes schlagen.
Hedgework: Welchen Investoren würden Sie ein Investment in Acceleration Capital empfehlen?
Storr: Dieses Produkt ist besonders für Investoren geeignet, die eine mittel- oder langfristige Investitionsdauer anstreben und zusätzlich zum Renditestrom der Hedgefonds noch die Renditen aus den Umsatzbeteiligungen mitnehmen wollen. Mit Acceleration Capital bietet sich die Möglichkeit, sowohl das Alpha der Hedgefonds also auch einen Teil der unternehmerischen Gewinne der Hedgefondsfirmen zu vereinnahmen – und das bei im Vergleich zu Private-Equity-Produkten sehr attraktiver Liquidität.
Hedgework: Umgekehrt gefragt – in welchen Fällen würden sie trotz Umsatzbeteiligung von einem Investment abraten?
Storr: Das ist einfach zu beantworten: Immer dann, wenn bei der Operational Due Diligence oder Investment Due Diligence irgendwelche Warnlampen angehen, würden wir nicht investieren. Das können strukturelle Dinge sein, wie beispielsweise die Strategie. Wovon wir abraten, sind beispielsweise Strategien, die gleichzeitig Illiquidität und Fremdverschuldungshebel aufweisen. Das können aber auch wirtschaftliche Punkte in der Unternehmensführung sein. Der Portfoliomanager mag noch so gut sein, er ist auf Marketing- und Sales-Experten angewiesen, um seinen Fonds an den Mann zu bringen. Nur wenn diese Positionen kompetent besetzt sind, wird es sich lohnen, mittel- und langfristig an der Erfolgsstory des Fonds zu partizipieren.
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*) Marcus Storr arbeitet seit 2005 im Investment Management der FERI. Als Head of Alternative Investments zeichnet er verantwortlich für die Positionierung und den Ausbau des Alternative-Investment-Geschäfts der FERI. Managerselektion und Due Diligence von Hedgefonds / Private-Market-Fonds sowie Kundenkommunikation sind hierbei essentiell. Seine Karriere begann er 1994 als Berater für vermögende Privatkunden. 1998 ging er nach London, wo er im Investment Banking von Robert Flemings Ltd. (heute JPMorgan) als Aktienanalyst tätig war. Bis 2003 war er als Abteilungsdirektor im Aktienresearch von Dresdner Kleinwort Wasserstein in London tätig. Marcus Storr verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Capital Markets, Corporate Transactions und Asset Management und publiziert regelmäßig über Hedgefonds und Alternative Investments in anerkannter Fachliteratur und wissenschaftlichen Journals. Er erwarb den Grad des Dipl. Kfm. mit der Spezialisierung in Finance/Capital Markets, sowie International Management an der Humboldt Universität in Berlin. Zusätzlich hat er eine zweijährige Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.