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„Der Inflationsdruck nimmt massiv zu und das ist gut für ABS“

Asset Backed Securities haben seit der Finanzkrise 2009 ein schlechtes Image. Dabei sind die heutigen europäischen ABS nicht vergleichbar mit denen aus den USA. Warum und für wen sich ein Investment in ABS lohnen kann und warum die Papiere sicherer geworden sind, erklärt Frank Meijer, PhD, Global Head of Alternative Fixed Income and Structured Finance, Aegon Asset Management, im Gespräch mit IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger.

Frank Meijer, PhD

IPE D.A.CH: Viele halten ABS für eine toxische Anlageklasse. Was entgegnen Sie solchen Skeptikern?
Meijer: Man muss doch nur genau hinschauen: Allein die Bezeichnung ABS sagt schon das genaue Gegenteil aus, denn ABS bedeutet nichts anderes als Asset Backed Securities oder Wertpapiere, die durch einen Pool von Vermögenswerten gesichert sind. ABS ist also eine Form der besicherten Kreditvergabe. Wie bei allen Formen der besicherten Kreditvergabe hängt das Risiko von den zugrunde liegenden Sicherheiten ab. Aber besicherte Kredite - oder ABS - sind natürlich nicht per se toxisch.

IPE D.A.CH: Dann hängt das Risiko von ABS-Anleihen vom zugrunde liegenden Sicherheitenpool ab?
Meijer: Ja, wenn Ihre Sicherheiten aus einem Pool von US-Subprime-Hypotheken bestanden, hatten Sie ein Problem und mussten 2008/2009 wahrscheinlich mit einem Ausfall Ihrer ABS-Anleihe rechnen. Wenn die Sicherheiten jedoch aus einem Pool deutscher Autokredite oder niederländischer Hypotheken bestanden, waren die Verluste bei den Sicherheiten gering und die ABS-Anleihen hatten mehr als genug Sicherheiten, um diese ABS-Anleihen ohne Verluste zurückzuzahlen. Rückblickend haben wir nur bei einigen ABS-Sicherheiten Verluste verzeichnet, und die Ausfallraten waren insgesamt recht niedrig, insbesondere bei europäischen ABS-Anleihen. In unseren europäischen ABS-Fonds gab es zum Beispiel nie einen Ausfall.

IPE D.A.CH: Wie haben sich die ABS während der zwei Jahre Corona-Pandemie gehalten?
Meijer: Die meisten europäischen ABS-Anleihen sind durch einen Pool von Wohnbauhypotheken besichert. Auf der einen Seite haben wir in ganz Europa hohe Immobilienpreise gesehen und auf der anderen Seite keinen großen Anstieg der Beschäftigungsraten. Die Verluste bei Pools von Wohnbauhypotheken waren also trotz Corona sehr gering. Bei ABS-Anleihen, die mit Wohnhypotheken besichert sind - eigentlich bei jeder Art von Sicherheit - gab es keine Probleme. Als Faustregel gilt, dass eine mit BBB bewertete ABS-Anleihe eine Finanzkrise im Jahr 2009 in Bezug auf Arbeitslosigkeit und Hauspreisrückgang überstehen kann, ohne auszufallen. Die Corona-Phase war dank der Maßnahmen der Regierung und der Zentralbanken weit weniger schwerwiegend.

IPE D.A.CH: Demnach haben Sie während der Corona-Krise gut schlafen können?
Meijer: Aus fundamentalen Gründen würde ich sagen: ja! Aus unseren Stresstests und Szenarioanalysen der ABS-Anleihen in unserem Portfolio ging klar hervor, dass Ausfälle im ABS-Portfolio sehr unwahrscheinlich sind. Wie bereits erwähnt, schien die Situation viel weniger besorgniserregend als 2009, als die Zentralbanken und Regierungen den Verbrauchern und Märkten Unterstützung anboten. Aber wie in jeder Krise wird es eine gewisse Volatilität bei den Marktwerten geben. Im März 2020 waren wir im Vergleich zum Vormonat 4 % im Minus, haben uns aber seitdem wieder erholt. Die Marktvolatilität bei ABS war geringer als auf vielen anderen Märkten.

IPE D.A.CH: Gibt es einen Grund dafür, dass ABS jetzt wieder vermehrt das Interesse auf sich ziehen?
Meijer: Es gibt drei gute Gründe, warum ABS besonders attraktiv sind. Der erste ist die Rendite. Die EZB hat massiv in den Markt eingegriffen und fast die Hälfte des Marktes für Staatsanleihen und Covered Bonds sowie einen großen Teil des Marktes für Unternehmenskredite aufgekauft. Der traditionelle Fixed-Income-Markt ist daher sehr überlaufen und die Renditen dementsprechend gering. Die EZB hat nur etwa 5 % des ABS-Marktes aufgekauft. Dies ist ein wichtiger Grund, warum ABS einen höheren relativen Wert haben und mehr Rendite abwerfen.

IPE D.A.CH: Was ist der zweite Grund?
Meijer: Der zweite Grund ist die Regulierung. ABS sind für Versicherungsgesellschaften aufgrund der Solvency-II-Vorschriften nur wenig attraktiv, da sie eine sehr hohe Kapitalanforderung nach sich ziehen. Die Kapitalrendite, die Versicherer mit einer Investition in ABS erzielen können, ist daher recht gering. Folglich tendieren Versicherungsunternehmen dazu, eher in traditionelle festverzinsliche Wertpapiere oder in illiquide und private Schuldtitel zu investieren, um eine attraktive Kapitalrendite zu erzielen. Und das wiederum bedeutet, dass der ABS-Markt weniger überlaufen ist: Die EZB kauft nur in begrenztem Umfang und die Versicherungsunternehmen nur in sehr geringem Umfang.

IPE D.A.CH: Wer investiert denn dann in ABS?
Meijer: Die Zuflüsse kommen zum einen von Pensionsfonds, insbesondere britischen aber auch von einigen niederländischen, deutschen und skandinavischen. Pensionsfonds haben ein großes Interesse, weil sie keine Kapitalkosten oder ähnliches zu tragen haben. Sie können sich einfach für den relativen Wert von ABS entscheiden. Zum anderen kommen die Zuflüsse von Family Offices und Privatbanken, die diese Anlagen auch aus der Perspektive des relativen Werts gegenüber Unternehmensanleihen schätzen.

IPE D.A.CH: Was der dritte Grund, der aktuell für eine Investition in ABS spricht?
Meijer: Das ist die Inflation. Der Inflationsdruck nimmt massiv zu und das ist gut für ABS, denn die Coupons sind variabel verzinst, das heißt, sie sind an den Euribor gekoppelt. Das unterscheidet diese Assetklasse von den traditionellen festverzinslichen Wertpapieren, die alle einen festen Coupon haben. Wenn die Zinssätze steigen, sinkt der Kurs dieser Anleihen - die Gesamterträge sind also negativ, wenn die Zinssätze steigen. Bei ABS steigen die Gesamtrenditen, wenn die Zinsen steigen. Das ist also ein großes Verkaufsargument für ABS zu diesem Zeitpunkt des Zinszyklus.

IPE D.A.CH: Wie groß ist die Gefahr, dass eine steigende Inflation das Ausfallrisiko erhöht?
Meijer: Eine hohe Inflation kann für die Konsumenten zum Problem werden, weil sie dann mehr Geld für Energie und Lebensmittel aufwenden müssen. Diese Mehrbelastung könnte natürlich auch zu mehr Zahlungsausfällen führen, aber für die Konsumenten steht die Begleichung der Hypothek immer noch ganz oben auf der Prioritätenliste. Das Einzige, was wahrscheinlich stark leiden wird, sind die diskretionären Ausgaben wie Urlaubsreisen oder der Kauf eines neuen Autos. Für die Unternehmen ist die Inflation wahrscheinlich ein größeres Problem, weil sie höhere Finanzierungskosten haben, höhere Löhne zahlen und mit hohen Energiepreisen umgehen müssen. Wenn sie die Preissteigerungen nicht an den Endverbraucher weitergeben können, wird ihre Gewinnspanne schrumpfen. Dann geraten sie unter Druck und müssen irgendwann vielleicht Mitarbeiter entlassen, um die Kosten zu senken. Das führt zu höheren Arbeitslosenzahlen, vielleicht zu einer Rezession. Das könnte sich dann wiederum irgendwann auf die ABS auswirken, weil die Arbeitslosigkeit steigt. Aber das ist ein Worst-Case-Szenario. Wie bereits erwähnt, sind ABS-Anleihen mit Investment-Grade-Rating so strukturiert, dass sie Schocks bei den Immobilienpreisen und der Arbeitslosigkeit, wie wir sie 2008/2009 erlebt haben, widerstehen können.

IPE D.A.CH: Sehen Sie den Spread dennoch recht stabil? Was können die Anleger am langen Ende erwarten?
Meijer: Obwohl das grundsätzliche Ausfallrisiko bei Investment-Grade-ABS-Anleihen unseres Erachtens gering ist, wird sich das Niveau der ABS-Spreads nicht vollständig von anderen Finanzmärkten abkoppeln lassen. Wenn sich Aktien oder Unternehmensanleihen schlecht entwickeln, z. B. durch eine Verschlechterung der Lage in der Ukraine oder eine Rezession in China, werden sich die ABS-Spreads wahrscheinlich ebenfalls etwas ausweiten. 


IPE D.A.CH: Erkennen Sie innerhalb des ABS-Marktes irgendwelche „Sweet Spots“ oder auf der anderen Seite Sektoren, die Sie gar nicht mögen?
Meijer: Der relative Wert auf dem ABS-Markt ändert sich im Laufe der Zeit. Derzeit gefallen uns jedoch ABS-Sektoren, die nicht von der EZB gekauft wurden und weniger überlaufen sind und daher einen guten relativen Wert bieten. Dazu gehören CLOs, die durch einen Pool von Hunderten von Bankkrediten besichert sind. Dazu gehören auch ABS-Anleihen, die durch britische Sicherheiten wie britische Wohnhypotheken gesichert sind - die EZB kauft nur ABS-Anleihen, die durch kontinentaleuropäische Vermögenswerte gesichert sind. Ein Bereich, der uns etwas mehr Sorgen bereitet, sind Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS). In Anbetracht von Corona und unserer neuen Arbeitsweise sind wir vielleicht nicht immer so oft im Büro, und das könnte bedeuten, dass die Preise für Büroflächen stärker unter Druck geraten. Daher bleiben wir bei CMBS-Anleihen mit AAA-Rating, die einen starken Rückgang der Immobilienpreise verkraften können, und halten uns von CMBS-Anleihen mit niedrigerem Rating fern. 


IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meijer.