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„Wir wissen nicht, wo die Kerninflation in zwei Jahren sein wird“

Dr. Benjamin Dietrich, Co-Head Global Fixed Income bei Lazard Asset Management, erklärt im Interview mit IPE D.A.CH wieso der Anleihenmarkt zwar wieder interessanter ist, aber dennoch mit Vorsicht zu genießen ist.

Dr. Benjamin Dietrich (Bildquelle: Lazard AM)

„Wir sind in einem ganz neuen Zinsumfeld“, unterstreicht Dietrich einleitend bekannte Tatsachen. Anders als andere Analysten geht er jedoch nicht davon aus, dass das Anleihenmanagement für die nächsten Jahre einfach sein wird.

„Die Inflationsraten fallen gerade, aber wir wissen noch nicht, wo wir enden werden“, so Dietrich. Er gibt zu bedenken, dass auch Zentralbanken in den letzten Monaten manchmal „zu früh den Sieg über die Inflation verkündet haben“ und dann nochmals mit Zinsschritten nachbessern mussten – so geschehen jüngst in Australien.

Deshalb rät er Investoren im derzeitigen Umfeld, sich „noch nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen“ bzw. zu viel Risiko zu nehmen. Die Spreu trenne sich in einigen Segmenten gerade erst vom Weizen und da gelte es bei Neuinvestitionen genau hinzusehen.

„Jede harte Landung fängt mit einer weichen Landung an“, so Dietrich. Das heiße nicht unbedingt, dass eine harte Landung komme, zumindest nicht in allen Regionen, aber wichtig zu betonten sei, dass eine harte von einer weichen Landung „am Anfang schwer auseinanderzuhalten“ sei.

Chancen im Ausland
Definitiv Chancen sieht Dietrich bei den US-TIPS, wo die Realrendite bei den 5-jährigen derzeit bei 2,4% liege: „Das ist ein sehr gutes Basisinvestment, weil es eine sehr hohe Sicherheit bietet, egal was an der Inflationsfront passiert.“

Für die USA spreche auch, dass viele langfristige Refinanzierungen gesichert seien, weil die meisten Amerikaner Hypotheken über 30 Jahre oder mehr abgeschlossen haben. „Heftig unter Druck“ sei in den USA allerdings das Segment der Gewerbeimmobilien, wo, aufgrund von variablen und kürzeren Verzinsungen, „ganz andere Zinssensitivitäten“ zu verzeichnen seien.

Eine Rezession, die sich in solchen Bereichen abzeichne, könnte ein Indikator sein, dass sie sich in andere Bereiche – mit Verspätung – weiterzieht. Generell glaubt Dietrich, dass das Q3-Wachstum der USA mit 4,9% ein „lokales Maximum“ sei, und, dass dieses Level „nicht gehalten werden kann“.

Interessant zu beobachten bleibe auch die Rekord-Ausgabe von neuen US-Treasuries, vor allem, weil „das neue Marktgleichgewicht nur bei deutlich höheren Renditen gefunden wurde und sie nun wieder attraktiver erscheinen. Zum ersten Mal seit langem weisen US-Staatsanleihen nach Währungssicherung zudem wieder höhere Renditen als deutsche Staatsanleihen auf“.

Zurückhaltende Nachfrage
Als Vertreter eines aktiven Asset-Management-Hauses mit langer Tradition im Fixed-Income-Bereich betont Dietrich natürlich auch, dass es in einem solch unsicheren Umfeld wichtig sei, in seinen Investitionen „agil zu bleiben“.

Unter deutschen institutionellen Anlegern sieht er jedoch im Moment noch eine „zurückhaltende Nachfrage“ nach externen Managern für das Anleihensegment. „Sie machen derzeit viel in-house“, so Dietrich. Das sei verständlich, weil viele noch vorsichtig seien, in neue Regionen oder Sparten zu gehen. Aber er ist überzeugt, dass es sich „jetzt wieder für Anleger lohnt, aus Europa heraus und globaler zu investieren“. Er betont, dass viele ETF-Angebote mit zugekauftem passiven Währungshedging „viel an Rendite liegen lassen“.

Trends unter den Anlegern seien derzeit einerseits die gestiegene Nachfrage nach „buy-to-maintain“-Lösungen. So könne man flexibel bleiben und „trotzdem die Stabilität des Anlagevermögens nutzen“. Das sei „im derzeitigen Marktumfeld attraktiv“.

Wieder stark nachgefragt seien andererseits „Covered Bonds“, denn Besicherungen seien „wertvoll“. In den letzten Jahren hätten sich Verträge oftmals in Richtung Schuldner verschoben, Anleiheprospekte seien laxer geworden. „Daher gehen unbesicherte Exposures mit erhöhten Risiken einher."

Allerdings sieht Dietrich den Covered Bonds-Markt „wahrscheinlich nie wieder auf dasselbe Liquiditätsniveau zurückkehren“ wie vor der Krise 2008, da die Handelsaktivitäten der Banken in diesem Bereich abgebaut worden seien. Interessant sei der Markt aktuell vor allem deshalb wieder, „weil die EZB nicht mehr als Käufer auftritt“.

Generell würde Dietrich „eine gewisse Demut an den Tag legen“ in Bezug auf die US-Zinsentwicklung: „Selbst bei eingehender Betrachtung der Daten kann aktuell niemand absehen, wo genau die Inflation hingehen wird. Wir diskutieren diese Entwicklung natürlich fortwährend im monatlichen Team-Meeting aller Lazard-Anleiheexperten und kommen so zu unserer taktischen Meinung.“

Wie andere Anleger auch hat Lazard Asset Management „in allen Bereichen des Anleihensegments“ die Duration in den letzten Wochen erhöht, „aber wir haben die Schleusen noch nicht voll geöffnet und die Duration der Benchmark noch nicht erreicht“.