IPE D.A.CH: Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Rohstoffe? Was fasziniert Sie an diesem Thema?
Marti: Ich entstamme noch aus einer Zeit, wo der zukünftige Berufswunsch Kranführer und Ähnliches war. Wir spielten noch mit Eisenbahnen, ferngesteuerten Flugzeugen und der Dorfkönig war derjenige mit dem bestfrisierten Moped. Eine gewisse Faszination für Technik, große Schiffe, Trucks, Bauwerke war wohl schon immer bei mir vorhanden. Generell scheint man kaum mehr eine Vorstellung zu haben, was es alles braucht, bis wir ein Kilo Gold, einen gefüllten Tank oder genügend Strom „real“ haben und nutzen können. In der Finanzwelt wurde mir noch gelehrt, dass man möglichst antizyklisch agieren sollte und unterbewertete Assets kaufen muss um an der Börse etwas verdienen zu können. Während des Internetbubble war die Rohstoffindustrie die Antipode. Als Portfoliomanager begann ich dann später zu investieren in Wasserkraftwerke, Minen und Ölproduzenten.
IPE D.A.CH: Welche Rohstoffe verfolgen Sie intensiver? Wie bilden Sie sich eine Meinung zum Markt?
Marti: Wir verfolgen die Kapitalinvestitionen der Sektoren. Rohstoffe haben in etwa 10-Jahreszyklen. Es sind Angebotszyklen, sprich lange Schweinezyklen. In den letzten zehn Jahren wurde aufgrund tiefer Preise in vielen Bereichen viel zu wenig investiert. Die Erhältlichkeit vieler Rohstoffe wird sinken.
IPE D.A.CH: Sie sind Portfoliomanager und führen viele Gespräche mit Fondsselektoren und institutionellen Investoren. Haben Sie aus den Gesprächen den Eindruck, dass die Bedeutung von Rohstoffen bei der Asset Allocation von Ihren Gesprächspartnern richtig eingeschätzt wird?
Marti: Von vielen meiner Gesprächspartner habe ich diesen Eindruck schon. Es gibt einige Spezialisten, mit denen ich mich austausche. Zusätzlich ergibt sich oft interessantes Feedback bei Investorenpräsentationen, in Einzelgesprächen oder auf Veranstaltungen. Es ist wohl der am meisten vernachlässigte Sektor. Was ja immer der Fall ist, wenn etwas auf dem Tiefpunkt ist, ähnlich wie vor zwanzig Jahren. Eine Sache ist mir in diesem Zusammenhang aufgefallen. Family Offices, Unternehmer und viele vermögende Private als Investoren erscheinen offener, interessierter am Thema Rohstoffe. Dafür kann es verschiedene Erklärungen geben. Eine Hypothese könnte sein, dass dieser Investorenkreis beim Aufbau des eigenen Vermögens ohnehin stärker im Themenkreis Real Assets („Realwirtschaft versus Finanzwirtschaft“) zu verorten ist. Zudem gibt es in diesem Segment einen ganz anderen, wichtigen Aspekt beim Investitionsverhalten. Unternehmer, private Investoren und auch Family Offices besitzen in der Regel sehr kurze Entscheidungswege. Eigenverantwortung, „Skin-in-the-Game“ und Ownership Approach sind hier die hervorstechenden Merkmale bei der Auswahl von Investments. Bei institutionellen Investoren nehmen wir immer noch eine gewisse Reserviertheit gegenüber dem Thema Rohstoffe wahr. Ein Grund könnte hier einfach in den Strukturen liegen, oft wird in Gremien entschieden, die Due Diligence-Prozesse erscheinen zeitintensiver. Beide Vorgehensweisen haben ihre Berechtigung, man muss sich darauf einfach einstellen.
IPE D.A.CH: Value Investing und die Anlage in Rohstoffen, gibt es eine Verbindung zwischen diesen Themenkreisen?
Marti: Eine gute Frage. Erstaunlicherweise korrelieren die Zeitperioden, da Value outperformt mit steigenden Rohstoffpreisen. Auf den ersten Blick scheint es ja nicht wirklich eine Verbindung bei diesen Themenkreisen zu geben. In Zeiten von stark sinkenden Zinsen ist oftmals „Growth“ versus „Value“ am outperformen. Dies aufgrund dessen, dass die Diskontraten für Cash-flows sinken. Je weiter die Cash-flows in der Zukunft liegen, desto mehr steigt ihr „Netpresent-Value“. Oftmals sind die positiven Cash-flows unendlich weit in der Zukunft liegend. Rohstoffe sind wohl die Antipode. Man hat Depletion, die Industrie verliert jährlich ungefähr drei Prozent der Produktion ohne Investitionen. Wenn man nichts investiert, gibt es nach 20 bis 30 Jahren kaum mehr etwas zu produzieren. Hier kann man nicht ein unendliches Wachstum extrapolieren beziehungsweise eine bestehende Plattform skalieren. Es ist „real life“. Man muss riesige Beträge investieren – es ist schwierig, die Mutter Erde ist launisch. Aber aus diesem Grund steigen dann auch die Preise und es gibt sehr gute Cash-flows, Dividenden und tiefe Bewertungen. Der Rohstoffsektor war in seiner Historie noch nie so tief bewertet wie heute.
IPE D.A.CH: Rohstoffe und Portfoliomanagement sind Ihre Profession, Ihre Leidenschaft. Welche anderen Themen beschäftigen Sie aktuell? Welches Buch lesen Sie zurzeit?
Marti: In meiner Freizeit fahre ich gerne Ski und Rad. Ziemlich erschüttert bin ich von der sonstigen Entwicklung der Gesellschaft und der Politik. Es scheint man bringt erfolgreich jeder gegen jeden auf. Rechts versus Links, Alt versus Jung, Schwarz versus Weiß, Ost versus West, Arm versus Reich, Süd versus Nord, Stadt versus Land und so weiter. Das dürfte nicht besser werden, wenn sich die Verteilkämpfe intensivieren. Die Politik sieht die Bürger beziehungswiese die Wirtschaft oft nur noch als „Melkkuh“, zugegebenermaßen etwas polemisch formuliert. Das Ganze ist schon lange nicht mehr finanzierbar und funktioniert nur noch über die Notenpresse. Aktuell lese ich die Biographie des deutschen Industriellen Hugo Stinnes (1870-1924). Warum finde ich seine Lebensgeschichte interessant? Rückblickend ist es immer wieder interessant, wie auch in der Vergangenheit Themen wie Zentralbankpolitik, Inflation und Real Assets wirtschaftlich gesehen eine interessante Dynamik entwickelt haben. Natürlich hinkt der Vergleich mit der aktuellen Situation der Märkte in Teilaspekten, grundsätzliche Ähnlichkeiten kann man jedoch entdecken, wenn man etwas genauer hinsieht.
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
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