IPE D.A.CH: ESG stößt als Thema derzeit auf ein starkes Interesse. Sie und Ihr Kollege Dirk Schmelzer hatten im Dezember noch eine Paneldiskussion zum Thema Nachhaltigkeit und Insurance-Linked Securities (ILS) auf der Branchen-Plattform ARTEMIS initiiert. Die Großen der Branche waren auch mit von der Partie. Wie kam es zu dieser Idee?
Rischmann: Wir hatten zur Diskussion eingeladen, weil wir den Eindruck gewonnen hatten, dass die ILS-Branche in den letzten drei Jahren beim Thema „Transparenz der Versicherungsbücher“ keine Fortschritte gemacht hat. Im ersten Schritt versuchen wir den Zedenten und Versicherungsbrokern gegenüber aufzuzeigen, dass nicht ESG-konformes Verhalten zu einem erheblichen Rückgang der CAT Bond-Nachfrage führen wird, denn ca. 45% der ILS/CAT Bond-Nachfrage stammt aus Europa. Wir möchten unsere Branche ausdrücklich auf die Gefahr aufmerksam machen, dass man in Zukunft möglicherweise Investoren verlieren kann. Unser Roundtable war der Beginn einer Reihe von Themen, die wir noch abarbeiten müssen, um einen allgemein anerkannten Best Practice-Standard in einer Anlageklasse zu etablieren, die nicht der herkömmlichen Analysemethodik von ESG entspricht. An dieser Stelle möchte ich sowohl an die Mitglieder der Wertschöpfungskette des CAT Bond-Geschäfts als auch an unsere Mitbewerber appellieren, gemeinsam diesen Standard zu setzen.
IPE D.A.CH: Was waren für Sie die wesentlichen Erkenntnisse der damaligen Diskussion?
Rischmann: Erfreulich war, dass unsere Branche das Thema ernst nimmt. Das ist nicht so einfach, da wir mehrheitlich US-Risiken versichern beziehungsweise amerikanische Zedenten absichern, die nicht börsengelistet sind. Auch hat uns sehr positiv gestimmt, dass die Swiss Re aktiv darum bemüht ist, Nachhaltigkeit im Risikotransfermarkt zu implementieren. Auch die Versicherungsbroker scheinen sich zu bewegen.
IPE D.A.CH: Inwiefern besteht konkreter Handlungsbedarf für die verschiedenen Anbieter von ILS und bei Fondsmanagern, die diese Produkte einsetzen?
Rischmann: Der konkrete Handlungsbedarf ist groß. Nicht nur, weil die entsprechenden Gesetzte nun umgesetzt werden, vielmehr geht es um die Deutungshoheit beziehungsweise um die Frage, wie man den Anforderungen des Gesetzgebers entsprechen kann. Auch sehen wir im Markt die Möglichkeit eines Aufeinanderprallens von „Forms over Substance“ und „Explain or Comply“. Was will ich damit sagen? Wir sehen Investoren, die CAT Bonds analysieren indem sie den Emittenten beziehungsweise den Sponsor in das Zentrum der ESG-Analyse rücken – so als ob man hier in eine Aktie oder Anleihe des Versicherers investiert wäre. Da die ESG-Analyseagenturen kaum Informationen über das Versicherungsbuch verfügen, wird Schwerpunkt-mäßig die Aktivseite der Versicherungsbilanz analysiert. Formal betrachtet entspricht diese Vorgehensweise der herkömmlichen ESG-Sichtweise. Auf das Halten reiner Rückversicherungsverträge übertragen, erscheint uns die Anwendung dieser Methode nicht zielführend. Man bräuchte dringend einen allgemein anerkannten Best Practice-Standard für CAT Bonds. Das ist derzeit die große Baustelle, denn die Offenlegungsverordnung mit ihrer Kategorisierung in Artikel 8 oder 9 wird diese Diskussion befeuern. Entweder kommt die sogenannte „Generalamnestie“ für CAT Bonds oder es muss die Anwendung der RTS im übertragenen Sinne akzeptiert werden, um der speziellen Ausprägung von CAT Bonds gerecht zu werden. Denn keiner spricht dieser Anlageklasse den hohen gesellschaftlichen Beitrag ab, den man mit einem Investment zur Absicherung von Naturkatastrophenereignissen erreicht. Ich gehe nicht davon aus, dass der Gesetzgeber eigene RTS speziell für die ILS-Industrie entwickeln wird.
Wie Sie wissen, haben wir vor drei Jahren begonnen, das Thema Nachhaltigkeit und CAT Bonds mit der notwendigen Ernsthaftigkeit in eine Form zu gießen. Wir haben uns damals entschieden, den Weg mit dem FNG-Siegel zu gehen. Es war ein sehr wichtiger Prozess für uns, um zu lernen, welche Sprache die Nachhaltigkeitsbranche spricht. Wir hörten immer wieder die Argumente aus unserer Branche, dass CAT Bonds per se nachhaltig sind. Grundsätzlich ist diese Aussage richtig. Aber man hilft unserer Branche damit nicht, da Investoren im Rahmen ihrer „Check-the-Box“-Due Diligence Antworten auf ihre Fragen benötigen. CAT Bonds sind immer noch kein Mainstream. Um in diese Richtung zu kommen, muss mehr Aufklärung stattfinden. Dies, weil wir davon überzeugt sind, dass eine genaue Kenntnis über den kapitalmarktbasierten Transfer von Versicherungsrisiken das notwendige Verständnis erzeugt, um zu erkennen, dass CAT Bonds nachhaltige Anlagen darstellen. Dazu gehört auch die Diskussion um den Impact von CAT Bonds. Die Swiss Re hat mit ihrer Diskussion um die iSDG (Integrated Sustainable Development Goals) einen ersten und wichtigen Schritt getan. Ferner sind wir überzeugt, dass es nun an der Zeit ist, dass sich die ILS-/CAT Bond-Branche weltweit im Sinne eines Verbandes organisiert. Denn der ILS-/CAT Bond- Markt hat sich zwischenzeitlich zu einer wesentlichen Säule der Rückversicherungswirtschaft im Bereich Naturkatastrophenrisiken entwickelt.
IPE D.A.CH: Wann und wie sind Sie eigentlich persönlich auf das Thema CAT Bonds gestoßen?
Rischmann: Die Plenum Investments AG war Anfang 2000 der auf alternative Investments ausgelagerte Fondsmanagement-Arm der damaligen Plenum Gruppe. Unser Kerngeschäft war damals das Fund-of-Hedge Fund-Geschäft und wir waren auch in sogenannte „Event-linked“-Strategien investiert. Während der Finanzkrise waren wir überrascht, dass diese Anlageklasse kaum beeinträchtigt wurde. Für mich war danach klar, dass Vermögensverwaltung mehr sein muss als nur mit Volatilitäten umzugehen. Uns wurde vor Augen geführt, dass die Systemrisiken enorm waren. Apropos Systemrisiken, diese sind heute nicht weniger geworden. Beim Thema Verschuldung wurde inzwischen nochmals eine Schippe draufgelegt. Lange Rede kurzer Sinn: Wer in der Vermögensverwaltungsindustrie die Tail-Risiken nicht oder nur unzureichend erfasst, wird es schwer haben, seine Glaubwürdigkeit gegenüber seinen Kunden aufrechtzuerhalten. Nach der Krise ist vor der Krise. Und ob der Vermögensverwaltungskunde die letzte Finanzkrise schon vergessen hat, darf bezweifelt werden. Also stand ich vor der Frage, wer kompetent mit Tail-Risiken umgehen kann: Die Rückversicherungsindustrie. Mir war schnell klar, dass die Versicherer etwas haben, wovon der Kapitalmarkt nur träumen kann. Stabil tiefe Korrelationen der im Portfolio befindlichen Positionen erlauben es, das Portfoliorisiko markant zu reduzieren, ohne auf Rendite zu verzichten. Denn das ist das Grundproblem des Kapitalmarktes: Wenn er gestresst wird, zeigen die Korrelationen mehrheitlich in die falsche Richtung. Das nennt man Schönwetterdiversifikation. Kunden sind immer seltener bereit, für eine solche Dienstleistung Geld auszugeben. Kurz nach der Finanzkrise entschieden wir uns, die Plenum Investments AG neu auszurichten, indem wir uns auf Insurance-Linked Securities/CAT Bonds spezialisiert haben. Wir mussten das gesamte Team auswechseln und neue Experten finden. Die große Frage war, mit welchen Risikomanagementkonzept steigen wir in den CAT-Bond-Markt ein.
Vor zehn Jahren lancierten wir den Plenum CAT Bond Fund mit der Vision, Investoren eine konservative Anlagealternative zu Fixed Income Investments an die Hand zu geben. Damals wie heute prägten vor allem auf Hurrikan-Risiken konzentrierte CAT-Bond-Fonds mit höheren Renditezielen und den entsprechend hohen Tail-Risiken das Angebot. Der Anlageansatz des Plenum CAT Bond Fonds zeichnet sich durch eine ausgewogene Diversifikation und konservative Tail-Risiko-Steuerung von Rückversicherungsrisiken aus. Das was heute selbstverständlich erscheint, war vor zehn Jahren eine große Herausforderung. Denn das Hauptproblem bestand darin, die Expertise im CAT Bond-Fondsmanagement zu finden. Diese Skills waren damals schwer im Markt zu finden. Dirk Schmelzer, der damals einer von nur drei bekannten CAT-Bond-Fondsmanagern war, kam gemeinsam mit David Strasser, der ebenfalls aus einem der beiden anderen Teams im Schweizer Markt stammte, zu uns. Bis heute arbeiten beide am Erfolg unserer CAT Bond-Anlagelinie. 2020 haben wir nun unsere Expertise mit ausgewiesenen Experten ergänzt, um unser Angebot gezielt zu erweitern. Daniel Grieger, Gründungspartner eines unserer Konkurrenten, stieß gemeinsam mit Rötger Franz zu uns. Rötger ist ein sehr erfahrener Insurance Credit Analyst, der über zehn Jahre für die SocGen London arbeitete. Er kam mit dem Ziel zu uns, unseren Risikomanagement-Ansatz „Tail-to-Tier“ im CAT-Bond-Geschäft weiterzuentwickeln.
IPE D.A.CH: Worin sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für institutionelle Investoren?
Rischmann: International betrachtet sind ILS/CAT Bonds bei institutionellen Investoren noch unterrepräsentiert, wobei der Trend zu höheren Allokationen seit geraumer Zeit anhält. Institutionelle wie Pensionskassen und Versicherungen Anleger in der Schweiz, Dänemark und Holland sind da bereits weiter. In Deutschland scheint ein gewisser Kreis von institutionellen Anlegern in der Regulatorik „gefangen“ beziehungsweise eingeschränkt zu sein. Ich beziehe mich auf die versicherungsaufsichtsrechtliche Erwerbbarkeit von ILS-/CAT-Bond-Fonds für Solvency-II und auf nach der Anlageverordnung regulierte Investoren. Denn die Verwaltungspraxis der BaFin und der EIOPA sind keineswegs eindeutig. Kurzum, dieser Investorenkreis muss über ein gewisses Selbstbewusstsein verfügen, wenn es darum geht, in ILS-/CAT-Bonds zu investieren. Eine Klarstellung der BaFin wäre angebracht.
IPE D.A.CH: Die Hurrikan-Saison steht an. Wie sollten sich CAT-Bonds-Investoren positionieren?
Rischmann: Der CAT-Bond-Markt ist durch einen hohen Anteil von US-Hurrikanrisiken geprägt. Dies bedeutet, dass die Versicherer zu Beginn der Hurrikansaison im Monat Juni ihre Deckung für das laufende Jahr einkaufen. Dies bedeutet weiterhin, dass die Primärmarktemissionen bis Ende Mai naturgemäß hoch ausfallen. Während der Hurrikansaison ist die Liquidität reduziert, da kaum neue Emissionen auf den Markt kommen. Die nicht saisonalen Risiken wie Erdbebenrisiken werden in der Regel gegen Jahresende erneuert. Wer hohe Volumina im Markt platzieren will, nutzt diesen Umstand. Die Anleger sollten sich im Klaren sein, wieviel US-Hurrikanrisiken sie „laden“ wollen, denn diese Risiken weisen ein hohes Tail-Risiko auf, da das transferierte Risiko stark auf wenige Metropolen wie bspw. Miami konzentriert ist. Dieses Risiko wird zwar gut bezahlt aber wirft die Frage nach der Risikotragfähigkeit des Anlegers auf. Die Prämien im Rückversicherungsgeschäft unterliegen einem Zyklus. Je höher die Schäden, desto höher die Risikoentschädigung. Aufgrund der Tatsache, dass die Versicherungsschäden in den letzten Jahren sehr hoch ausgefallen sind, profitieren heute die Anleger vom sehr attraktiven Prämienniveau. Dies ist auch der Grund, warum wieder viel Geld in die Anlageklasse fließt. Die Spreads werden wieder enger. Wir rechnen für die laufende Erneuerungsrunde für Hurrikanrisiken nochmals mit einen kleinen Prämienanstieg. Der Einstiegszeitpunkt vor der Hurrikansaison ist meiner Meinung nach aufgrund hoher Prämien nahezu ideal.
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Mehr Informationen zu seiner Person unter www.markus-hill.com
Nico Rischmann studierte an der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck mit Studienschwerpunkt Kapitalmarktforschung. Unmittelbar nach dem Studium gründete Nico Rischmann 1993 die auf Alternative Investments spezialisierte Plenum Finanz AG.
PLENUM INVESTMENTS AG
Information zu „ESG in the ILS & Catastrophe Bond Market“ (ARTEMIS)