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Koalitionsvertrag auf dem Prüfstand: Was bedeuten die Pläne der neuen Regierung für Investoren?

„Mehr Fortschritt wagen“ lautet der Titel des Vertrags der neuen Ampel-Koalition. Ein Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit soll es werden. Die Parteien übernehmen nicht nur die Verantwortung für die anhaltende Covid-19 Pandemie, sondern setzen es sich zum Ziel, die Klimakrise aktiv zu bekämpfen, um der nachfolgenden Generation eine lebenswerte Welt zu hinterlassen – für die Branche der erneuerbaren Energien ein gutes Zeichen.

Thomas Seibel

Für Investoren liest sich der Koalitionsvertrag grundsätzlich sehr positiv. Die Parteien der neuen Regierung sehen es als ihre gemeinsame Aufgabe, den Ausbau der erneuerbaren Energien „drastisch“ zu beschleunigen. Im gesamten Vertrag fällt das Wort „Klima“ ganze 198-mal, „Energie“ wird 105-mal genannt, das Thema hat also eindeutig Priorität. Das erklärte Ziel: Im Jahr 2030 sollen 80% der verbrauchten Energie aus regenerativen Quellen stammen. Positiv anzumerken ist hierbei, dass die Ampel bereits den kontinuierlich steigenden Strombedarf einkalkuliert hat. So wird damit gerechnet, dass der Brutto-Strombedarf in Deutschland in den nächsten neun Jahren auf rund 680-750 TWh im Jahr steigt. Eine realistische Einschätzung, denn aufgrund neuer Technologien wie etwa autonomes Fahren, 5G, Smart Cities und Smart Home, Cloud-Lösungen, Streaming, Big Data und Kryptowährungen wird der Stromhunger sowohl von Privatpersonen als auch von der Industrie immer größer. Gleichzeitig läutet der Vertrag das Ende fossiler Technologien in allen Sektoren ein, denn die Parteien sehen den „Weg zur CO2-neutralen Welt als große Chance für den Industriestandort Deutschland“.  Der Ausstieg aus der Kohleverstromung etwa soll möglichst von 2038 auf 2030 vorgezogen werden.

Ambitionierte Zubaupläne für Solar- und Windenergie
Um diese Ziele zu erreichen, braucht es einen massiven Zubau an erneuerbaren Erzeugungskapazitäten in Deutschland sowie einen umfassenden Ausbau der Netze. Auch hier gibt die Ampel sich ambitioniert: So sollen allein die Photovoltaik-Kapazitäten von derzeit 54 GW bis 2030 auf 200 GW steigen. Konkret bedeutet das einen jährlichen Nettozubau von rund 16 GW bis 2030. Zum Vergleich: Der bisherige Rekordwert stammt mit 7,9 GW aus dem Jahr 2012. Allerdings ist noch unklar, wie hoch der genaue Zubauanteil sein wird, der auf investierbare Freiflächenanlagen fällt. Der Koalitionsvertrag sieht nämlich auch eine Förderung von Solarenergie auf geeigneten Dachflächen vor. Bei gewerblichen Neubauten zum Beispiel sollen PV-Anlagen verpflichtend werden.

Auch die Windenergie wird massiv vorangetrieben. Die Kapazität der Windanlagen auf See soll vervierfacht werden. Für Windkraft an Land fehlt im Papier zwar ein genaues Zubauziel, jedoch soll zwei Prozent der Landesfläche für Onshore-Anlagen ausgewiesen werden. Darüber hinaus ist geplant, Genehmigungsprozesse zu vereinfachen. Dies ist aus Branchensicht längst überfällig, denn in den letzten Jahren herrschte beim Ausbau der Onshore Windkraft ein regelrechter Genehmigungsstau. Allerdings lassen sich die Parteien auch hier nicht auf genaue Aussagen und konkrete Maßnahmen, wie die Prozesse effizienter gestaltet werden sollen, festnageln. Um das Flächenziel voll auszunutzen, müssen beispielsweise die Abstandsregelungen entschärft werden. In der Praxis birgt dieses Vorhaben allerdings vor allem in Bundesländern wie Bayern politisches Konfliktpotenzial.

Keine Sorge vor dem Blackout: Kapazitätsmarkt stärken
Doch so notwendig und richtig der Ausbau regenerativer Energien auch ist: Es gibt keine Garantie für ein regelmäßiges Wind- und Sonnenaufkommen. In Kombination mit niedrigen Erdgasreserven und der Abschaltung von Atomkraft- und Kohlekraftwerken birgt der wachsende Anteil der Erneuerbaren am Strommix ein gewisses Risiko für einen größeren Stromausfall. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Speichermöglichkeiten ausgebaut und verbessert werden. Begrüßenswert wären zum Beispiel auch klare Regelungen für Speicherinvestitionen. Darüber hinaus muss die Bereitstellung von Energiekapazität vergütet und so Anreize zum Beispiel für Gaskraftwerke geschaffen werden, jederzeit verfügbar zu sein und einspringen zu können, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.

Erneuerbare Energien bleiben zukunftsfestes Investment
Auch wenn der Koalitionsvertrag an einigen Stellen gern etwas konkreter hätte sein können, so sendet er doch grundsätzlich sehr positive Signale für Investoren. Der geplante massive Ausbau von Wind- und Solarkraft erfordert einen hohen Kapitalbedarf und wird attraktive Investitionsmöglichkeiten in Deutschland schaffen. Auch die Speichertechnologien sind – langfristig gesehen – ein Bereich mit Potenzial. Auch für Investoren, die noch nicht investiert sind, ist der Einstiegszeitpunkt immer noch günstig. Der Stromhunger in Deutschland und auch im Rest der Welt macht regenerative Energien zu einem zukunftssicheren Investment, das zudem unkorreliert zu klassischen Assets wie Aktien oder Anleihen ist. Ein klarer Vorteil gerade in unruhigen Pandemie-Zeiten.

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*) Thomas Seibel ist Geschäftsführer des international tätigen Investmentberaters für Erneuerbare Energien re:cap global investors ag.