Für schwer abbaubare Industrien wie die Zementindustrie, die für ein Fünftel der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich ist, könnte dieses Instrument ein Weg sein, sich glaubhaft zu einem Netto-Nullverbrauch bis 2050 verpflichten zu können. Durch die Kohlenstoffabscheidung könnte den Ländern der Spagat zwischen dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und dem Erhalt von Arbeitsplätzen in den Bergbaugemeinden gelingen. Und ganz allgemein bietet sie eine weniger wirtschaftsschädigende Möglichkeit, den Planeten zu retten. Es gibt weltweit nur relativ wenige Anlagen zur CO2-Abscheidung und -speicherung und keine, die Kohlenstoff aus Rauchgasen von Zement- und Müllverbrennungsanlagen abscheiden. Somit ist die Technologie umstritten: für die einen ein Allheilmittel, für die anderen ein Placebo. Hält sie tatsächlich, was sie verspricht? Sind die negativen Emissionen wirklich negativ? Ist die Kohlenstoffspeicherung sicher und dauerhaft? Kann diese Technologie das Kohlenstoffgleichgewicht wirklich verändern und das Klima der Erde stabilisieren?
Ein Blick unter die technologische Haube
Die Funktion der „Carbon Capture and Utilization“ (CCU), also der Kohlenstoffabscheidung und -nutzung, schließt Technologien der Speicherung ein, um den Kohlenstoff später industriell weiter zu verwenden. Der Sammelbegriff CCUS – kurz für „Carbon Capture, Utilization and Storage“ – steht für Technologien, mit denen Kohlendioxid (CO2) am Ort seiner Emission (z. B. in Kraftwerken und Fabriken) abgeschieden und entweder genutzt oder gespeichert wird. Der Prozess wird in Abb. 1 beschrieben und beginnt damit, dass das CO2 abgeschieden, komprimiert und dann per Pipeline oder Schiff an einen anderen Ort transportiert wird. Das komprimierte CO2 wird dann wiederverwendet oder dauerhaft gespeichert, indem es in geologische Formationen an Land oder tief in den Ozean injiziert wird. Pipelines sind die billigste Art, CO2 in großen Mengen zu transportieren, während der Transport per Schiff in großem Maßstab noch weitgehend unerprobt ist. CO2 kann auch per Bahn oder Lkw transportiert werden, beides flexiblere, aber teurere Transportmöglichkeiten.
Risiken der Technologie
Es gibt noch viele offene Fragen zur geologischen Speicherung, einschließlich des Leckrisikos, möglicher induzierter Seismizität (Erdbeben) sowie des Regelungs- und Haftungsrahmens. Obwohl die Weiterverwendung von CO2 bereits seit den frühen 1970er Jahren in der Ölindustrie eingesetzt wird und breite Verwendung in der Lebensmittelindustrie findet, befindet sich die Technologie noch im Anfangsstadium. Zusätzlich birgt jede geologische Formation unterschiedliche Eigenschaften, Eignungen und dementsprechend auch Herausforderungen für die dauerhafte Kohlenstoffspeicherung.
Derzeit gibt es weltweit nur 27 kommerzielle CCS-Anlagen, obwohl die Kohlenstoffabscheidung über ein großes Potenzial verfügt. Die Kohlenstoffabscheidung ist teuer und riskant. Die Identifizierung und Untersuchung einer Speicherressource erfordert enorme Vorabinvestitionen – Geld, das vollständig riskiert wird, wenn sich der Standort letztlich als ungeeignet erweist. Außerdem nimmt die Kohlenstoffabscheidung einen sehr langen Zeitraum in Anspruch: Von der Konzeptstudie über die Durchführbarkeit, die Planung und den Bau bis hin zum Betrieb vergehen in der Regel zwischen sieben und zehn Jahren. In einer kürzlich durchgeführten Studie wurde festgestellt, dass mehr als 80% der vorgeschlagenen CCS-Projekte scheitern, und es wurde hervorgehoben, dass politischen Maßnahmen der wichtigste Faktor sind, der über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
Ist eine Investition riskant oder lohnenswert?
Das Hauptrisiko für kohlenstoffintensive Anlagen besteht heute darin, dass sie „stranden“, d. h. dass der Ausstiegswert dieser Investitionen erheblich sinken könnte, weil der Markt immer weniger Interesse an emissionsintensiven Anlagen hat. Eine Minderung dieses Risikos für Investoren verspricht die CCS-Technologie. Zu den Investitionsmotiven der Industrie gehören die Verringerung der Auswirkungen einer Kohlenstoffsteuer auf die Investitionserträge sowie die Erfüllung der Kohlenstoffreduktionsziele des Portfolios. Darüber hinaus wird es für kohlenstoffintensive Anlagen immer schwieriger, Zugang zu Versicherungs- und Fremdfinanzierungen zu erhalten, was die Technologie der Kohlenstoffabscheidung ändern könnte. Infrastrukturinvestoren haben jedoch generell ein wachsendes Interesse an nachhaltigen und wirksamen Anlagen, und die Kohlenstoffabscheidungs-Anlagen können unter diese Klassifizierung fallen. Obwohl die Anlagen physisch Infrastrukturanlagen ähneln, können ihre Investitionsmerkmale dennoch sehr unterschiedlich sein. In der nachstehenden Tabelle 2 sind die Merkmale aufgeführt, die nach unserer Ansicht wichtig sind, um eine Investition als Infrastrukturanlage zu betrachten.
Obwohl sich weltweit bereits einige Anlagen zur Kohlenstoffabscheidung in Betrieb befinden, in denen Kohlenstoff dauerhaft und sicher gespeichert wird, gibt es ebenso zahlreiche Projekte, die nicht wie geplant funktionieren oder gar nicht erst in Angriff genommen wurden. Wenn diese Technologie ein Kinderspiel wäre, gäbe es heute viel mehr operative Kapazitäten zur Kohlenstoffabscheidung.
Scheitern ist keine Option
Ein Scheitern ist keine Option, wenn es darum geht, das globale Kohlenstoffbudget auszugleichen. Die Treibhausgasemissionen müssen auf Netto-Null reduziert werden. Aber nur weil es schwierig ist, ist es nicht unmöglich. Die Pandemie hat gezeigt, dass Wissenschaft, Technologie, Geld und Regierungen komplexe globale Probleme lösen können. Wir sind der Meinung, dass die Kohlenstoffabscheidung mit eben diesen Faktoren eine wichtige Rolle dabei spielen wird, die Welt auf ein Netto-Nullniveau zu bringen. Dies wird jedoch nicht ohne eine erhebliche staatliche Incentivierung geschehen, die besteuerte globale Kohlenstoffpreise, Anreize für Forschung und Entwicklung, stabile rechtliche Rahmenbedingungen und in einigen Fällen die Bereitschaft der öffentlichen Hand, für risikoreiche Projekte zu bürgen, umfassen muss.
Wir fordern ein politisches Eingreifen nicht leichtfertig; wir sind seit langem davon überzeugt, dass die Märkte die effizientesten Kapitalverteiler sind. Der Klimawandel weist jedoch auf eine Reihe von Marktversagen hin, darunter externe Effekte von Treibhausgasen, mangelnde Informationen über Emissionsreduzierung, Netzwerkeffekte und fehlende Innovationsanreize, die ein Eingreifen rechtfertigen. Regierungen auf der ganzen Welt werden aktiv. Vor allem Norwegen und die Vereinigten Staaten handeln, um Technologien und private Kapitalflüsse für den Auf- und Ausbau der globalen Kohlenstoffabscheidungsindustrie freizusetzen. Ein besonderer Anreiz besteht für Investoren, die kohlenstoffintensive Anlagen besitzen und versuchen, das Stranded-Assets-Risiko durch die Technologie der Kohlenstoffabscheidung zu mindern. Wir gehen davon aus, dass sich mit der Zeit auch andere Investoren auf diesen Anlagentyp konzentrieren werden, wenn sich die Technologie weiter etabliert hat, weniger riskant ist und sich im Spektrum der Infrastrukturinvestitionen weiter in Richtung Kerngeschäft bewegt (obwohl wir zugeben, dass dies wahrscheinlich noch eine Weile dauern wird).
Die Technologie zur Kohlenstoffabscheidung ist eine echte Chance. Sie muss es einfach sein, denn die Menschheit kann es sich nicht leisten, dass sie es nicht ist. Bislang sind die Fortschritte langsam, die Misserfolge zahlreich und die Lektionen wiederkehrend. Die öffentlichen und privaten Investitionen müssen jedoch weiter fließen, um die Kapazitäten aufzubauen, die zur Eindämmung der globalen Erwärmung erforderlich sind.
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*) Jane Baseby ist Sustainability Officer bei Whitehelm Capital.