IPE D.A.CH: Herr Dreide, das Thema Energie bzw. Energieinfrastruktur scheint angesichts der äußeren Umstände an den Märkten angekommen zu sein, um zu bleiben…
Dreide: Das ist richtig, wir sprechen hier über ein Thema, das uns bis mindestens Ende des Jahrzehnts intensiv beschäftigen wird – wenn nicht sogar länger. Die Aufmerksamkeit ist durch die neue Bundesregierung und insbesondere auch die Entwicklungen in der Ukraine natürlich exponentiell gestiegen, aber sie kommt nicht überraschend. Ich beschäftige mich bereits seit 2009 mit dem Thema, als mir die langfristige Bedeutung und auch die Investmentchancen bewusst wurden, aber jetzt sprechen wir natürlich von einem Katalysator sonders gleichen.
IPE D.A.CH: Wie stellt sich der Markt im Einzelnen für Sie dar. Wo sind die großen Investments nötig und wo liegen die Chancen für Anleger?
Dreide: Zuerst einmal: die eine Lösung des Dilemmas gibt es nicht. Die Politik ist hier sicher auch ein Stück weit blauäugig an die Sache herangegangen. So wird uns beispielsweise LNG alleine nicht aus der Energiekrise führen. Eine derartige Anlage aufzubauen kostet zwischen sechs und zehn Milliarden Euro bei einer Bauzeit von mindestens fünf Jahren. Ferner muss 24/7 der Zufluss an Gas sichergestellt sein und auch die Schiffe für den Transport. Insgesamt wollen Betreiber meist eine Abnahmegarantie über 15 Jahre, damit sich so etwas rechnet. Jetzt kommt die deutsche Politik ins Spiel, die LNG als Brückentechnologie für die nächsten Jahre sieht, aber keinesfalls langfristig hier einsteigen will. Sie merken, hier passt etwas nicht zusammen. Der Konflikt, dass wir dann bis weit nach 2040 LNG abnehmen müssten, ist vielen noch nicht klar.
IPE D.A.CH: Global dürfte LNG aber die nächsten Jahrzehnte eine erhebliche Rolle spielen?
Dreide: Ganz sicher ja, Chevron baut zum Beispiel in den USA neue Terminals, die von der US-Regierung auch massiv gefördert werden. Wir sprechen definitiv von 20 Jahren, entsprechend wird der Gasverbrauch weltweit auch eher steigen als fallen.
IPE D.A.CH: Was passiert mit den beiden anderen fossilen Brennstoffen, Kohle und Öl?
Dreide: Kohle ist energietechnisch zwar gut, umwelttechnisch allerdings sehr schlecht. Hier sprechen wir von einer echten Übergangslösung, die irgendwann auslaufen wird. Der Zeitstrahl hat sich aber auch für Kohle gerade weiter nach rechts verschoben, wir werden die nächsten Jahre nicht davon abkommen. Öl ist für Transport oder die Chemieindustrie wichtig, aber nicht für die Energieerzeugung. Ölbefeuerung von Kraftwerken macht auf dem aktuellen Preisniveau schlicht keinen Sinn, es läuft wie gesagt eher vieles auf einen stärkeren Gasverbrauch zu.
IPE D.A.CH: Wie steht es um die regenerativen Energien?
Dreide: Wasserkraft hat sicher seine Limitierung und wird über ein gewisses Prozentmaß nicht hinauskommen. Solar und Wind sind dagegen die Energiequellen, die uns in die Zukunft bringen müssen. Man muss hier sicher schauen, wo welche Energie mehr Sinn macht. Wind ist beispielsweise in Deutschland mit einem geänderten Flächennutzungsplan deutlich ausbaubar, dauert in der Konstruktion aber auch einige Jahre. Solar dagegen geht deutlich schneller, aber auch hier ist es wichtig geeignete Flächen zu finden. Südeuropa ist hier beispielsweise bei den Sonnenscheinstunden klar im Vorteil. Sie merken in Summe, wir kommen kurzfristig nicht wirklich vom russischen Gas in Deutschland weg.
IPE D.A.CH: Dennoch führt mittelfristig kein Weg an den alternativen Energieträgern vorbei, wie Sie ja auch ausgeführt haben. Was heißt das für den Netzausbau?
Dreide: Ein ganz wichtiger Punkt! Je mehr Sie auf regenerative Energien setzen, umso stärker müssen Sie den Netzausbau voranbringen, hier hat es in der Vergangenheit ja auch oft gehakt. Hier muss der Staat künftig deutlich aktiver eingreifen und auch Interessen durchsetzen. Aber wie gesagt, das wird einige Jahre dauern.
IPE D.A.CH: Wo sollte man nun auf der Investmentseite seine Schwerpunkte legen?
Dreide: Erneuerbare Energien sind sicher ein Riesenmarkt mit viel Zukunftspotential, man muss sich die dahinterstehenden Unternehmen bzw. Aktien allerdings genau anschauen. Nehmen Sie beispielsweise den Windmarkt. Ein boomender Markt, aber die Hersteller der Anlagen haben sich lange gegenseitig bei den Angeboten unterboten, es gab keine Preisdisziplin bei mittlerweile stark steigenden Produktions- und Logistikkosten. Nicht das, was man als Aktionär möchte. Ähnliches im Solarbereich, wo die Chinesen alles unterboten haben. Hier sehen wir allerdings bereits eine deutliche Änderung bei den Preisen.
IPE D.A.CH: Was bleibt übrig?
Dreide: Wir setzen in unserem Portfolio insbesondere auf die Themen Energieproduktion und Stromnetze. Hier gibt es durchaus interessante Unternehmen, die über die nächsten zehn Jahre über ein deutliches Potenzial verfügen. Dazu kommen Spezialwerte wie beispielsweise im Bereich Ladeinfrastruktur für E-Autos. Ich warne aber davor, ein Portfolio zu stark auf Zukunftstechnologien auszurichten, kein Mensch kann genau sagen, was sich hier in Zukunft neben den etablierten alternativen Energieträgen noch durchsetzen wird.
IPE D.A.CH: Wie stellt sich Ihr Portfolio dann regional dar?
Dreide: Die meisten unserer Werte sind international tätige Konzerne, insofern ist ein regionaler Bias nur schwer festzumachen. Vom Potenzial und der politischen Umsetzbarkeit ist der US-Markt sicher interessanter als beispielsweise Europa.
IPE D.A.CH: Besten Dank für diese Einblicke!