Das Jahr 2020 sorgte für viele negative Schlagzeilen, ausgelöst durch die Covid-19-Pandemie. Die allumfassende Krise ist in erster Linie eine globale menschliche Tragödie. Damit einher gingen Belastungen von Wirtschaft und Gesellschaft in bislang kaum gekannten Umfang sowie markttechnische Extreme und (zwischenzeitliche) Wertvernichtungen an den Börsen.
Die Frage lautet daher: Gibt es beim Ausblick auf die Finanzmärkte 2021 Grund für Optimismus? Werden sich die meisten Volkswirtschaften – schneller als erwartet – wieder berappeln? QC Partners nennt sechs (un)denkbare Entwicklungen für das Börsenjahr 2021, die zuversichtlich stimmen. Dem stellt die Frankfurter Asset Management Gesellschaft ebenfalls sechs (un)mögliche Risikoszenarien gegenüber.
Die alljährliche Liste ist – wie QC Partners betont – nicht als offizieller Marktausblick zu verstehen, die Thesen sind nach Eintrittswahrscheinlichkeit eingestuft.
Positiver Ausblick – These Nr. 1: Gigantisches Russisches Hilfspaket
Während die ganze Welt auf die stockenden Verhandlungen zwischen Demokraten und Republikanern über das US-Hilfspaket schaut, schafft Russland Tatsachen. Russland profitiert dabei von seiner niedrigen Staatsverschuldung, die Ende 2020 bei gerade einmal 19% des BIP lag. Jetzt legt Russland ein Hilfspaket auf, das auch die Pakete aus Japan, den USA und Deutschland weit übertrifft. Die Börse in Moskau reagiert mit einem Freudensprung.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 30%
Positiver Ausblick – These Nr. 2: Frieden und Kursgewinne in Israel
Schon unmittelbar nach seiner Amtseinführung gibt Joe Biden außenpolitisch Vollgas. Unter seiner Vermittlung schließen Israel und Palästina ein Friedensabkommen. Das lockt auch viele neue Anleger an die Börse von Tel Aviv. Der dortige Leitindex TA-35 legt 30% zu, markiert ein neues Allzeithoch und wird 2021 zu einem der stärksten Indizes weltweit.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 25%
Positiver Ausblick – These Nr. 3: Brasilien, Sojabohnen und Veganer
Vegane Ernährung wird zum Megatrend. Brasilien - schon zuvor weltgrößter Exporteur von Sojabohnen - baut seine Vormachtstellung noch weiter aus. Brasilien verdoppelt seine Sojabohnen-Exporte und bedient damit 66% des Weltmarktes. In der zuletzt gebeutelten Wirtschaft am Zuckerhut führt dies zu einem willkommenen Boom. Der Real erholt sich, der Aktienmarkt fliegt geradezu über sein Allzeithoch aus dem Jahr 2019.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 20%
Positiver Ausblick – These Nr. 4: Outperformance in Vietnam
Vietnam kam mit vergleichsweise wenigen Fällen durch die Covid-19 Pandemie. Dieser Vorteil gegenüber anderen asiatischen Staaten wird jetzt genutzt. Frühzeitig wird in die Wirtschaft investiert. Vietnam jagt anderen asiatischen Staaten große Marktanteile ab und wird zum weltweit größten Exporteur von Schuhen. Bei Textilien arbeitet sich Vietnam auf Platz fünf vor. Die Folge ist ein beeindruckender Wirtschaftsboom. Der Vietnam Stock Index klettert 50% nach oben und pulverisiert damit sein Allzeithoch aus dem Jahr 2018.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 15%
Positiver Ausblick – These Nr. 5: Kroatien als Urlaubs- und Börsenland
Auch 2021 verzichten noch viele Urlauber auf Flug- und Fernreisen. Kroatien ist als Reiseziel so stark in Mode wie nie zuvor. Das verleiht der kroatischen Wirtschaft einen kaum für möglich gehaltenen Schwung. Die kroatische Wirtschaft übertrifft bereits 2021 ihr Vorkrisen-Niveau. Die Börse in Zagreb erlebt ein wahres Kursfeuerwerk. Das Plus von 30% reicht für ein neues Allzeithoch.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 10%
Positiver Ausblick – These Nr. 6: Britischer Erfolg
Nach der Last-Minute Einigung zwischen der EU und Großbritannien zu den künftigen Beziehungen kehrt die britische Wirtschaft zu früherem Glanz zurück. Arbeitsplätze, die Brexit-bedingt zunächst verlegt wurden, kehren jetzt zunehmend nach London zurück. Die Wirtschaft boomt, die Inflation zieht an und die Währung wertet deutlich auf. Als erste Notenbank stoppt die Bank of England ihre Anleihekäufe und erhöht sogar die Zinsen.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 5%
Risikothese Nr. 1: Börseneinbruch trotz Gewinnsteigerung
Die Gewinne der Unternehmen erholen sich nach der Pandemie, allerdings etwas langsamer als von Anlegern und Analysten erwartet. Die ohnehin schon hohen Bewertungen sind nicht mehr zu rechtfertigen. Besonders hart trifft dies die Small- und Mid-Caps. Das Forward-KGV des deutschen Nebenwerte-Index MDAX sinkt nur sehr langsam vom aktuellen Rekordhoch bei 161. In den USA stagniert das Forward-KGV des Russell 2000 auf dem aktuell teuren Wert von 73. Die Anleger reagieren erschreckt und trennen sich in Scharen von Small- und Mid-Cap-Papieren. Die Panikwelle greift auch auf Blue-Chips über. Es kommt zum nächsten großen Crash am Aktienmarkt.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 60%
Risikothese Nr. 2: Chinesische Privatanleger und der Börseneinsturz
China setzt seinen Erholungskurs nach der Pandemie zunächst stetig fort. Die Privatanleger sind bestens gelaunt und investieren immer größere Beträge in den Aktienmarkt. Je größer die Gewinne werden, desto mehr Aktien werden auf Kredit gekauft. Die als Sicherheit für kreditfinanzierte Aktienkäufe hinterlegte Margin hat sich zwischen 2019 und 2020 bereits auf den höchsten Stand seit dem Crash-Jahr 2015 verdoppelt. Jetzt steigt sie weiter an und überschreitet schließlich das historische Hoch von 2015. Als es an einem turbulenten Börsentag zu einem 5% Rücksetzer kommt, werden die ersten automatischen Stopp-Verkäufe ausgelöst. Danach fallen die Limite wie Dominosteine. Praktisch alle auf Kredit gekauften Aktien werden zwangsverkauft. Die lokalen A-Shares brechen um 50% ein.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 50%
Risikothese Nr. 3: Türkei am Rande der Zahlungsunfähigkeit
Die Türkei bleibt im Krisenmodus. Der Tourismus erholt sich nur sehr langsam. Dies wiederum führt zu einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit, einer sehr langsamen Erholung des Bruttoinlandsprodukts und einem anhaltend hohen Haushaltsdefizit. Die höheren Zinsen können den Verfall der Lira zwar verlangsamen, aber nicht stoppen. In der zweiten Jahreshälfte müssen für einen Euro 11 Lira gezahlt werden. Über Importe wird gleichzeitig auch Inflation importiert. Zur Rückzahlung der im März fälligen Dollar-Anleihe werden weitere Goldreserven auf den Markt geworfen. Die Rückzahlung der beiden im Dezember fälligen Euro-Anleihen bringt die Türkei an den Rand eines IWF-Hilfsprogrammes.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 40%
Risikothese Nr. 4: Eurozone und die Deflation
Obwohl die EZB im Dezember 2020 ihre Anleihenkaufprogramme noch einmal aufgestockt hat und sich das Leben in der Eurozone mit der fortschreitenden Impfquote zunehmend normalisiert, steckt die Eurozone in der Inflation fest. Ende des 1. Quartals liegt die Inflation bei -0,6% und stellt damit die historischen Tiefs ein. Die EZB reagiert mit einer weiteren Aufstockung ihrer Kaufprogramme. Alle die maximalen Kaufquoten betreffende Limite werden abgeschafft. Die monatlichen Nettokäufe der EZB werden bis zum Jahresende in mehreren Schritten auf 120 Mrd. Euro erhöht. Die anhaltende Deflation führt zu einer immer stärkeren Aufwertung des Euro bis auf 1,55 US-Dollar. Dadurch werden Rohstoffimporte in der Eurozone immer billiger, was die Deflation noch verstärkt. Um Kreditvergabe und Konsum anzukurbeln, senkt die EZB ihren Leitzins auf -1% ab. Das veranlasst die Banken dazu, Strafzinsen bereits ab dem ersten Euro Guthaben an ihre Kunden weiterzugeben. Gleichzeitig senkt die EZB die Obergrenze für Barkäufe auf 50 Euro.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 30%
Risikothese Nr. 5: Skandinavien als Epizentrum eines neuen Bebens
Die eigentlich als solide geltenden skandinavischen Länder Norwegen, Schweden und Dänemark werden zum Problemfall und Auslöser der nächsten Krise. Nach der Pandemie bleibt die Arbeitslosigkeit über dem Vorkrisenniveau. Das wiederum bringt die hoch verschuldeten Haushalte in Bedrängnis. Während die Verschuldung der privaten Haushalte in Deutschland 87% des BIP beträgt, liegt diese in Dänemark (263%), Norwegen (223%) und Schweden (182%) um ein Vielfaches höher. Es kommt zu Kreditausfällen. Die Banken misstrauen sich gegenseitig, der Interbankenmarkt trocknet aus. Neue Kredite werden kaum noch vergeben. Skandinavien schlittert in eine tiefe Wirtschaftskrise. Schnell kommt es zu Ansteckungseffekten, zuerst bei den europäischen, dann auch bei den nicht-europäischen Banken.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 20%
Risikothese Nr. 6: Goldverkäufe der Notenbanken
Weitere internationale Notenbanken folgen dem Beispiel der Türkei und werfen Goldreserven auf den Markt. Die Motive dafür sind unterschiedlich. Ein Teil der Notenbanken will Gewinne auf die Goldreserven realisieren, um damit Verluste aus den im Bestand befindlichen negativ rentierenden Anleihen auszugleichen. Andere Notenbanken verwenden die Erlöse aus den Verkäufen für weitere Anleihekäufe. Eine dritte Gruppe reicht die Erlöse an das Finanzministerium weiter, um damit fällige Anleihen in Fremdwährung zurückzuzahlen. Der Goldpreis rutscht dadurch um ein Drittel ab und notiert mit 1.200 US-Dollar je Feinunze so niedrig wie zuletzt 2018.
Eintrittswahrscheinlichkeit: 10%