IPE D.A.CH: Wird die Rezession zum großen Rückgang der Rohstoffpreise führen?
Marti: Bekanntlich ist der Markt ja immer etwa neun Monate voraus. Die Industrie hat durch die ganze Wertschöpfungskette die Lager reduziert, was immer passiert in Antizipation von tieferen Absätzen. Ebenfalls haben die Spekulanten ihre Positionen liquidiert. Die physischen Märkte sind sehr viel knapper als allgemein angenommen, sonst lägen die Preise schon lange viel tiefer.
IPE D.A.CH: Die Notenbanken sind sehr restriktiv. Wird das nicht zu einem größeren Zusammenbruch führen?
Marti: Die Leute im Westen machen den Fehler, sich als alleinige Protagonisten zu sehen auf der Welt. Dies ist schon lange nicht mehr der Fall. Es gibt immer Notenbanken welche expansiver sind als andere. Die Verknappung der globalen Liquidität ist schon lange vorbei.
IPE D.A.CH: Im Zusammenhang mit den Rohstoffmärkten wird oft vom neuen Supercycle gesprochen. Was ist damit gemeint?
Marti: Die Leute assoziieren Phasen von steigenden Rohstoffpreisen mit dem Narrativ, dass aus einem speziellen Grund die Nachfrage explodiert. So sei zum Beispiel die Entwicklung von China für den Bullenmarket von 2000 bis 2010 verantwortlich gewesen. Oder eben jetzt die Energiewende. Dies ist jedoch falsch. Die Entwicklung von China fand nicht von 2000 bis 2010 statt, sondern begann schon viel viel früher. Historisch war nach dem zweiten Weltkrieg nie ein großer Sprung in der Nachfrage ersichtlich. Die Nachfrage wuchs stetig und sehr konsistent mit dem globalen BSP. Dasselbe wird auch in dieser Dekade passieren. Die Welt kann ja nur verbrauchen, was ihr zur Verfügung steht. Die Zyklen der Rohstoffpreise kommen von der Angebotsseite. Phasen von Unter- und Überinvestitionen. Die letzte Dekade war gezeichnet von massiven Unterinvestitionen. Die alte Geschichte von der Produktion von Butter oder Kanonen. Diese Dekade ist geprägt vom Fehlen der “Butter”.
IPE D.A.CH: Viele Länder erhöhen die Steuern. Was sind die Auswirkungen für Ihre Firmen?
Marti: Dies ist eine normale Begleiterscheinung. Genauso wie Kosteninflation. Regierungen wollen immer mehr Geld und holen es dort, wo es etwas zu holen gibt. Nur bezahlen es schlussendlich die Konsumenten, nicht die Firmen. Es verteuert das Angebot, weil es die Kosten der bestehenden Produktion, vor allem aber von neuen Projekten, erhöht. Die Firmen stoppen die Investitionen und das Angebot wird reduziert. Rohstoffe haben eine unelastische Nachfrage. Ich bezeichne es gerne als „das letzte Glas Wasser in der Wüste“. Wenn man das Angebot um 1% reduziert, so steigen die Preise nicht um 1%, sondern um ein Vielfaches. In der Wüste muss nur das letzte Glas Wasser fehlen und das absolute Chaos bricht aus.
IPE D.A.CH: Sie begleiten oft Roadshows zu dem Themenbereich Value Investing und Rohstoffe. Wo und wann kann man mehr in 2023 hören?
Marti: Dieses Jahr sind wir wieder viel unterwegs. Am 29.3. und 30.3. treten wir gemeinsam mit FAM Frankfurt Asset Management beim FondsCongress in Mannheim auf. Am 11.5. sind wir gemeinsam mit Martin Friedrich von Lansdowne Partners LPA auf einer Veranstaltung in Wien, Themen: Value Investing, Rohstoffe und Endowment Ansatz bei Stiftungen. Wir freuen uns auch wieder über den Dialog mit Ihnen in Mannheim, Wien und Frankfurt (24.5.2023). Vielleicht könnten Sie in diesem Jahr auch wieder bei der Moderation das Thema Rohstoffe und Geopolitik ansprechen. Am 2.6. werden wir auch wieder den Swiss Value Day in Zürich durchführen Save the date!
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.de