IPE D.A.CH: Herr Schröer, Sie haben sich mit der fidubonum KG selbständig gemacht und bieten eine Strategie- und Strukturberatung für hochvermögende Familien an. Was muss man sich darunter vorstellen?
Schröer: Hochvermögenden Familien stellt sich wie jedem anderen Vermögenden die Herausforderung, ihr Geld so anzulegen, dass es dem eigenen Rendite-Risiko-Empfinden entspricht. Bei ihnen kommen aber noch etliche Fragestellungen hinzu: Die Familie muss sich untereinander organisieren und klären, wer für sie die Entscheidungen über die Vermögensanlage trifft. Die mit zunehmender Familiengröße meist immer größer werdenden Fliehkräfte innerhalb der Familie müssen durch vertrauens- und gemeinschaftsbildende Maßnahmen eingedämmt werden, damit die Familie zu einer einheitlichen Willensbildung in der Lage bleibt. Und je komplexer diese familiären Anforderungen und das Vermögen sind, desto dringlicher braucht die Familie ein Family Office, bei dessen Strukturierung und Gründung ich auch helfe.
IPE D.A.CH: Das hört sich sehr vielschichtig an. Was befähigt Sie zu einer so breit angelegten Beratungstätigkeit?
Schröer: Ich habe für die Familie Merz in Frankfurt ein Family Office aufgebaut und über zehn Jahre lang geleitet. Dabei habe ich mich mit all den oben erwähnten Fragestellungen – und noch etlichen anderen – sehr eingehend auseinandersetzen dürfen. Seit ich selbständig bin, habe ich auch einige weitere Familien betreut. Zudem beschäftige ich mich auch wissenschaftlich mit diesen Themen, schreibe Aufsätze und halte Vorträge. Mein großes Netzwerk kommt mir hier ebenfalls zugute; hier höre ich oft, wie andere Familien bestimmte Herausforderungen angegangen sind. Außerdem arbeite ich mit vielen Kooperationspartnern zusammen, von denen ich einerseits lerne und die andererseits dort in die Tiefe gehen können, wo sich das mit meinem generalistischen Ansatz nicht darstellen lässt.
IPE D.A.CH: Ist in einer Welt immer größerer Spezialisierung ein solch generalistischer Ansatz denn noch gefragt?
Schröer: Unbedingt! Sie brauchen in diesen komplexen Fragen, in denen rechtliche, steuerliche, vermögensstrategische, personelle, psychologische und planerische Aspekte zusammenkommen, jemanden, der den Überblick behält. Family Offices funktionieren wie viele Organisationen – wo ein Orchester von Spezialisten spielt, muss einer dirigieren. Viele Fragen lassen sich aber auch schon vom Generalisten lösen und vor allen Dingen vermeidet er manche Irrwege. Insofern sollten sich Generalist und Spezialisten hier nicht ausschließen, sondern ergänzen. Wenn man unbedingt auf einen von beiden verzichten wollte, dann eher auf den Spezialisten als auf denjenigen, der die Familie von Anfang bis Ende durch diesen komplexen Prozess führen kann.
IPE D.A.CH: Können Sie diesen Prozess einmal in groben Zügen beschreiben?
Schröer: Am Anfang sollte immer die sogenannte Inhaberstrategie stehen. Hier muss sich die Familie über ihre Werte und Ziele und die Zwecke ihrer Vermögensbewirtschaftung klar werden. Sinnvoll ist es auch, hier die Rollen der einzelnen Familienmitglieder und Regeln für den Umgang miteinander festzulegen. Wenn noch ein Familienunternehmen vorhanden ist, sollte sich die Familie auch diesem gegenüber klar und einheitlich positionieren. Das Ganze legt man dann am besten in einer Familienverfassung nieder. Sie ist dann die Grundlage für die Entwicklung der Gesamtvermögensstrategie, in der bestimmt wird, mit welchem Chance-Risiko-Profil in welche Assetklassen investiert werden soll. Dabei sollten dann auch steuerliche Optimierungen, die Finanzierungsstruktur und etwaige Liquiditätserfordernisse berücksichtigt werden. Mit diesen Leitplanken kann man dann für jede Vermögensklasse eine Assetklassenstrategie und einen Investitionsplan entwickeln.
IPE D.A.CH: Damit hat man einen Fahrplan für die Vermögensanlage und für einige darüber hinaus gehende familiäre Ziele. Die Familie braucht aber wahrscheinlich auch eine passende Organisation, um diesen Fahrplan umzusetzen, oder?
Schröer: Genau. Diese Organisation zu strukturieren, ist der zweite wesentliche Teil meines Beratungsprozesses. Und auch diesen Teil kann man wieder in drei Bereiche unterteilen: Die Family Governance, mit der der Zusammenhalt der Familie gewährleistet werden soll. Da geht es um gemeinsame Aktivitäten, Einrichtungen und Kommunikationsstrukturen für die Familienmitglieder, aber auch um deren Ausbildung. Auch ein Krisen- und ein Konfliktmanagement gehören dazu. Der zweite Bereich ist die sog. Corporate Governance. Damit ist eine strategiekonforme Gesellschafts- und Organstruktur gemeint, über die mittels Kontrolle und Beratung sichergestellt werden soll, dass die operativen Geschäftsführungen die inhaberstrategischen Ziele der Familie verfolgen und erreichen. Der dritte Bereich und quasi die Klammer um alles ist das Family Office. Es kann den anderen beiden Bereichen zuarbeiten, aber auch weit darüberhinausgehende Aufgaben übernehmen.
IPE D.A.CH: Gibt es Mandanten, die diesen ganzen komplexen Prozess mit Ihnen durchlaufen? Sind das Ihre Idealkunden?
Schröer: Die gibt es schon, z.B. wenn ein Vermögen bisher vom Unternehmensgründer mehr oder weniger allein verwaltet wurde und er über eine Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern nachdenkt, weil er sich langsam zurückziehen möchte. Oder im Fall eines Verkaufs eines Familienunternehmens, wonach die Familie plötzlich auf einem großen Haufen Geld sitzt und erst einmal klären muss, zu welchen Zwecken, mit welchen Zielen und vor allem wie es angelegt werden soll. In diesen Situationen alle Fragen ganz strukturiert angehen und quasi auf der grünen Wiese passgenaue Lösungen entwickeln und umsetzen zu können, ist schon ein besonderes Privileg. Aber genauso spannend kann es sein, z.B. beim Aufbau eines Family Offices zu unterstützen, wenn der strategische Rahmen schon klar ist und auch die Family und Corporate Governance-Strukturen im Wesentlichen schon bestehen.
IPE D.A.CH: Ist die Gründung eines Family Offices damit Ihr besonderes Steckenpferd?
Schröer: Zumindest kann ich aufgrund meiner jahrelangen operativen Verantwortung für ein Family Office mit sehr breitem Leistungsspektrum hierbei sehr praxisorientierten Mehrwert liefern. Es hilft durchaus, wenn man weiß, welche Prozesse in einem Family Office erforderlich sind und wie sie aussehen sollten. Dann kann man nämlich besser beurteilen, welche Kompetenzen und Kapazitäten dafür im Family Office vorgehalten werden müssen oder ob man die Leistung besser outsourct.
IPE D.A.CH: Stichwort Outsourcing – ist ein eigenes Family Office angesichts der damit verbundenen Kosten überhaupt sinnvoll, wo es doch so viele Multi Family Offices gibt, die sehr viele Familiendienstleistungen aus einer Hand erbringen?
Schröer: Da sprechen Sie ein weites Feld an. Richtig ist, dass es in den seltensten Fällen sinnvoll ist, dass ein Family Office jegliche Leistung selbst erbringt. Selbst wenn es gelänge, das dafür erforderliche Know-how an Bord zu holen, wäre es sicherlich nicht optimal ausgelastet. Idealerweise überlegt man sich für jede einzelne Leistung des Family Office, ob sie intern oder extern erbracht werden soll. Dafür gibt es gute Entscheidungsparameter. Soweit man sich dann für ein Outsourcing entscheidet, kann ein Multi Family Office die richtige Wahl sein. Möglicherweise erzielt man aber mit einer individuellen Auswahl verschiedener Dienstleister für die unterschiedlichen Aufgaben noch bessere Ergebnisse. Dann ist es wichtig, jemanden zu haben, der diese Dienstleister untereinander und mit den Bedürfnissen der Familie koordiniert. Im Extremfall beschränken Sie sogar Ihre Family.Office-Strukturen darauf und vergeben alle sonstigen Leistungen nach draußen. Dann spricht man von einem hybriden Family Office. Dies ist sehr flexibel, hat kaum Fixkosten und kommt damit auch für kleinere Vermögen durchaus in Betracht.
IPE D.A.CH: Damit nehmen Sie meine nächste Frage schon vorweg, nämlich ab welcher Vermögensgröße es Sinn macht, über die Gründung eines Family Office nachzudenken.
Schröer: Ich würde das tatsächlich nicht von der Vermögensgröße abhängig machen, sondern eher schauen, welche Leistungen das Family Office bei der Vermögensverwaltung und dem Familienmanagement erbringen soll. Im zweiten Schritt kann man dann überlegen, wie man diese Leistungen am besten und am günstigsten bezieht, um dann zu entscheiden, ob sich das Ganze lohnt.
IPE D.A.CH: Sie sind von Haus aus Jurist. Wie sind Sie zum Family Officer geworden?
Schröer: Ich bin ein gutes Beispiel für die Existenzberechtigung von Headhuntern. Eine Personalberaterin, die mich bei anderer Gelegenheit kennengelernt hatte, erinnerte sich an meine breiten Interessen und meinen großen Erfahrungsschatz, als sie mit der Besetzung der Stelle zum Aufbau des Family Office der Familie Merz beauftragt wurde. Von selbst wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich in diesen Bereich zu orientieren. Aber sie lag mit ihrer Einschätzung, dass die Funktion des Family Officers mir auf den Leib geschneidert sei, genau richtig.
IPE D.A.CH: Welche Eigenschaften sind es Ihrer Meinung nach, die einen guten Family Officer ausmachen?
Schröer: Da fallen einem natürlich sofort einige weiche Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit, Verlässlichkeit, Fairness und Sorgfalt ein, aber es geht weit darüber hinaus: Sie müssen Sachkunde oder zumindest ein sehr gutes Gefühl in so unterschiedlichen Gebieten wie Recht, Steuern, Kapitalanlage, Immobilien, Organisation, Mitarbeiterführung, Projektmanagement und Familienmanagement mitbringen. Sie sollten keine Angst vor Entscheidungen haben sowie Motivation und Mut, sich immer wieder in ganz neue Themen einzuarbeiten. Und dann ist da noch der manchmal nicht ganz einfache Spagat zwischen einem unternehmerischen Auftritt nach außen und einem eher dienenden zur Familie hin.
IPE D.A.CH: Das klingt in der Tat komplex. Finden sich da überhaupt Leute mit so breiten Veranlagungen?
Schröer: Das ist sicherlich eine Herausforderung. Kompromisse werden sich dabei auch nicht immer vermeiden lassen. Wichtig erscheint mir, dass man vor der Personalsuche genau herausgearbeitet hat, was man mit welchen Prioritäten braucht, um dann gegebenenfalls bewusst entscheiden zu können, worauf man zu verzichten bereit ist.
Hill: Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
Schröer: Angesichts der Breite des Anforderungsprofils ist es hilfreich, wenn der Family Officer auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann. Daher werden Sie in der Branche manches graue Haar sehen. Aber nicht nur. Ich konzipiere und leite in Kooperation mit Prof. Bäuml jährlich die Jahrestagung Family Office, die der regelmäßigen Fortbildung der Zertifizierten Family Officer dient, aber auch für jeden anderen Interessierten offen ist. Da sieht man auch jüngere Family Officer oder solche Personen aus Banken und Kanzleien, die es werden wollen. Die Attraktivität dieses vielseitigen Jobs ist hoch und gut bezahlt wird er meistens auch.
IPE D.A.CH: Ich habe auf Ihrer Website (www.fidubonum.de) gesehen, dass Sie sich nicht nur mit der Jahrestagung im Bereich der Fortbildung von Family Officern betätigen, sondern auch mit zahlreichen Artikeln und einer interessanten Serie über Mythen in Unternehmerfamilien. Ist es die Mission von fidubonum, mit diesen Mythen aufzuräumen?
Schröer: So weit würde ich nicht gehen. Die Mythen sind ein guter Aufhänger, um einige für meine Arbeit relevante Themen anzusprechen und dabei ein paar Anregungen zu geben. Wenn man diesen leicht überhöhten Begriff überhaupt verwenden will, würde ich als Mission von fidubonum eher die sehr strukturierte Begleitung von hochvermögenden Familien in Umbruchsituationen sehen. Hier gemeinsam mit der Familie ganz individuelle und passgenaue Lösungen strategischer und struktureller Art herauszuarbeiten, ist eine für mich sehr erfüllende Herausforderung. Für die Familie ist die externe Unterstützung in diesem Prozess ausgesprochen wichtig, weil sie zur Versachlichung und Professionalisierung der damit verbundenen Diskussionen und Entscheidungen beiträgt.
IPE D.A.CH: Ist Frankfurt – oder in Ihrem speziellen Fall Königstein – ein guter Standort für eine Family Office-Beratung wie fidubonum?
Schröer: Wegen der Nähe zu den meisten Finanzdienstleistern auf jeden Fall. Allerdings sitzen die meisten sehr vermögenden Familien eher im Süden und im Norden der Republik und dort oft auch in sehr kleinen Orten. Da hilft dann Frankfurts zentrale Lage in Deutschland.
IPE D.A.CH: Was schätzen Sie an Frankfurt noch?
Schröer: Ich bin 1992 nach Frankfurt gekommen und damals hatte die Stadt wirklich keinen guten Ruf. Das hat sich in meiner Wahrnehmung gründlich geändert: Die Skyline ist noch imposanter und schicker geworden, das damals massive Drogenproblem ist zwar nicht gelöst, aber immerhin weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden, das kulturelle Angebot ist oft großartig und mit Taunus und Rheingau gibt es in unmittelbarer Nähe zwei sehr schöne und vielseitige Naherholungsgebiete. Zur Vollkommenheit fehlen eigentlich nur das Meer oder zumindest ein größerer See in unmittelbarer Nähe, aber alles kann man eben nicht haben. Dafür darf man mitten in Hessen leben, unter Menschen, die es auch Zugereisten leicht machen, sich schnell heimisch zu fühlen.
IPE D.A.CH: Vielen Dank, Herr Schröer, für diese sehr interessanten Einblicke. Ihnen weiterhin viel Erfolg mit fidubonum.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de