IPE D.A.CH: Welche Art von Projekten im Bereich Family Offices mögen Sie besonders?
Schröer: Besonders herausfordernd sind natürlich die Konstellationen, in denen eine größere Familie ein signifikantes Vermögen neben dem Familienunternehmen hat und erkennt, dass es dieses deutlich professioneller managen sollte. Wenn dann auch noch eine nächste Generation vorhanden ist, die Verantwortung übernehmen will oder an diese herangeführt werden soll, wird es noch spannender. Das sind Konstellationen, in denen das gesamte Instrumentarium der familienstrategischen Beratung zur Anwendung kommen kann: Auf der Inhaberseite kann man dann mit der Familie herausarbeiten, zu welchem Zweck, mit welchen Vorgaben das gemeinsame Vermögen verwaltet werden soll und welcher familiären Strukturen es dafür bedarf. Auf der Vermögensseite geht es auch um Governance-Strukturen und daneben um die Festlegung einer die familiären Erwartungen erfüllenden strategischen Asset Allocation. Als Klammer darum und zur Organisation der von der Familie erwarteten und für das Vermögen erforderlichen Leistungen bietet sich dann meist noch die Gründung eines Family Offices an. Das hat ganz viele Aspekte, von der Definition seiner Aufgaben über die Festlegung, inwieweit sie intern erbracht oder extern zugekauft werden sollen, die Auswahl der Mitarbeiter und Dienstleister bis hin zur Definition der Prozesse. Aber es muss nicht immer diese gesamte Palette der familienstrategischen Beratungsleistungen sein. Auch wenn die Familie ihre Vorstellungen schon in einer Familienverfassung geschärft hat, kann es sehr reizvoll sein, die dazu passende Vermögensstrategie zu entwickeln. Und selbst wenn es nur um die Gründung eines Family Offices geht, ist es eine spannende Herausforderung, aus den zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten hierzu die für die Familie am besten passende herauszufiltern. Es macht viel Freude, hier gezielt bei der Implementierung zu unterstützen.
IPE D.A.CH: Was ist das Besondere an dieser Art von Projekten?
Schröer: Ganz klar: Die ungeheure Komplexität. Auf jeder der drei beschriebenen Ebenen gibt es ganz unterschiedliche Fragestellungen, die ökonomischer, psychologischer, rechtlicher, steurrechtlicher, kommunikativer und organisatorischer Art sein können. Alles greift ineinander und beeinflusst sich gegenseitig. Die Komplexität steigt weiter dadurch, dass an dem Prozess ganz unterschiedliche Personen mehrerer Altersgruppen mit völlig verschiedenen Hintergründen beteiligt sind und für alle eine tragfähige Balance zwischen den so unterschiedlichen Systemen Familie und Ökonomie gefunden werden muss. Die Familie durch dieses Dickicht zu führen, dabei niemanden zu verlieren und gleichzeitig stringent und effizient auf Ergebnisse hinzuarbeiten, ist eine echte Herausforderung, die diese Projekte immer zu etwas Besonderem macht. Denn so ähnlich die Fragestellungen in den meisten Familien sind, so unterschiedlich sind die Lösungen, weil die Bedürfnisse der Familienmitglieder und die Voraussetzungen auf der Vermögensseite in jeder Familie ganz individuell sind. Angesichts der Fülle und der Verwobenheit der zu lösenden Fragestellungen bedarf es für die Projektsteuerung einiger Erfahrung. Der Prozess wird am besten durch einen Familienfremden gesteuert, der idealerweise selbst lange Jahre Verantwortung in einem Family-Office-Umfeld getragen hat. Er wird dann auch bei der ganz wichtigen Frage, wann wer aus der Familie wie und für welche Fragen eingebunden werden soll, gute Ratschläge geben können. Auf der Lösungsseite sollte er die verschiedenen Alternativen kennen und ansprechen, aber die Diskussion dann auch effizient auf das fokussieren, was zur Familie passt. Wichtig ist auch, dass er Spezialisten dort einbindet, wo es nötig ist, und diese dann effizient steuert.
IPE D.A.CH: Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für Family Offices in 2024?
Schröer: Allgemeingültig für alle Family Offices wird man hier wahrscheinlich nur die aufgrund der gegenwärtigen geo- und steuerpolitischen Entwicklungen verstärkte Notwendigkeit nennen können, immer wieder zu fragen, ob die Vermögensallokation noch zu den eigenen Zukunftsszenarien passt und ob das Vermögen sowohl lokal als auch personell noch an der richtigen Stelle allokiert ist. Vielleicht ist auch die Verbesserung des Schutzes vor Cyberangriffen eine Herausforderung, die alle Family Offices betrifft. Alles Weitere ist bei den verschiedenen Familien sehr unterschiedlich: So kann aus dem Gesellschafterkreis heraus das Bedürfnis für andere, z.B. digitalere Strukturen kommen. Oder es besteht der Wunsch nach weniger Abhängigkeit vom Kapitalmarkt und nach mehr privaten unternehmerischen Beteiligungen, was die Notwendigkeit größerer Professionalisierung im Family Office und/oder die Suche nach Kooperations- sowie Co-Investitions-Partnern nach sich ziehen kann. Und dann gibt es natürlich die Familien, in denen die Beteiligung der jüngeren Generation oder deren Übernahme von Verantwortung ansteht, was sowohl auf der Vorbereitungs-, als auch auf der Folgenseite Herausforderungen für das Family Office bedeuten kann.
IPE D.A.CH: Sie sind ja in der Family Officer-Szene immer wieder mit interessanten Vorträgen und Artikeln sehr präsent: Auf was dürfen wir uns in dieser Hinsicht in näherer Zukunft freuen?
Schröer: Ich bereite gerade mit Prof. Swen Bäuml wieder die Jahrestagung Family Office vor, die am 19./20. September bereits zum siebten Mal stattfindet, auch in diesem Jahr wieder auf dem Petersberg bei Bonn. Da werden wir wieder ein sehr interessantes und vielseitiges Programm haben aus den Bereichen Gesamtvermögensstrategie, einzelne Assetklassen, Inhaberstrategie und Family Office-Interna. Wir wollen die Teilnehmerzahl in diesem Jahr begrenzen und sind jetzt schon, bevor überhaupt eine Agenda veröffentlicht wurde, zur Hälfte ausgebucht. Darüber hinaus treibt mich das Thema der Finanzplanung für Family Offices weiter um. Ich habe damit jetzt schon in der Beratung so viele positive Erfahrungen gesammelt, dass ich dieses noch unterbelichtete Thema weiter bekannt machen möchte. Hierzu habe ich gerade verschiedene Artikel in der Pipeline. Nicht zuletzt werde ich am 10. Juni ein Webinar für das Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. ein Webinar halten, in dem es um die Finanzplanung nur am Rande geht, der Schwerpunkt aber auf einem anderen mir sehr wichtigen Thema liegt: Die verschiedenen Entscheidungsbedarfe und Prozessschritte bei der Gründung eines Family Office.
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info@markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de
Dr. Henning Schröer hat für die Familie Merz in Frankfurt ein Family Office aufgebaut und über 10 Jahre geleitet. Mit fidubonum (www.fidubonum.de) berät er vermögende Familien in Strategie- und Strukturfragen, wozu auch die Beratung beim Aufbau passgenauer Family Office-Strukturen gehört.
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