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Gastbeitrag: Büroinvestments – Berlins neue Hotspots bieten Potenziale

Berlin beweist wirtschaftliche Stärke. Während Unsicherheiten in traditionell strukturstarken Regionen wie etwa Baden-Württemberg, Teilen Hessens oder der Pfalz für Verunsicherung und Leerlauf sorgen, zeigt sich in der Hauptstadt, die lange Jahre als „arm, aber sexy“ galt, eine Beschleunigung der Wirtschaftsleistung. Für 2024 dürfte das BIP-Wachstum der Hauptstadt bei 1,3% liegen, für das laufende Jahr erwarten die Volkswirte der Investitionsbank Berlin (IBB) ein Plus von 1,5%. Zum Vergleich: Für Hamburg gehen die Fachleute vom HWWI aktuell von einem Wirtschaftswachstum 2025 in Höhe von lediglich 0,5% aus.

Stefan Klingsöhr

Im Jahr 2024 verzeichnete Berlin insgesamt 42.071 Gewerbeanmeldungen, das entspricht einem Plus von 2,1% gegenüber dem Vorjahr. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Abmeldungen um 3,2%. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass die Digitalisierung in der Hauptstadt – anders als oft im Rest der Bundesrepublik wahrgenommen – große Fortschritte macht und die Berliner Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stärkt. So bietet der Digitale Wirtschaftsservice der Senatsverwaltung (DIWI) bereits 83 behördliche Dienstleistungen für die Wirtschaft digital an. Bis Ende 2025 soll die Zahl der digitalen Dienstleistungen, darunter auch zahlreiche Prozesse der Ankerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen, auf mehr als 300 steigen.

Dienstleistungen sorgen für Wachstum und Zuzug
Stichwort Dienstleistungen: Genau dieser Wirtschaftszweig dürfte die Wirtschaftsentwicklung 2025 nach Auskunft der Volkswirte der IBB besonders positiv beeinflussen. Der Umsatzindex für die wichtigen unternehmensnahen Dienstleistungsbereiche hatte sein Wachstumstief im Juni 2024 überwunden und stand zuletzt bei +5,1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum (Deutschland insgesamt: –0,4%). Insbesondere die Branche Information & Kommunikation verzeichnete in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres ein kräftiges Wachstum von 7,4%. Auch der Bereich der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen legte mit 12,7% deutlich zu.

Anders als München, Hamburg oder Düsseldorf verbindet Berlin wirtschaftliche Dynamik mit vergleichsweise moderaten Gewerbe- und Lebenshaltungskosten. Die Stadt zieht Unternehmen und Talente an, hat ein lebendiges Start-up-Ökosystem und profitiert von ihrer internationalen Anziehungskraft.

Neukölln erfindet sich neu
Ein Beispiel für Berlins wirtschaftliche Transformation ist Neukölln. Einst einer der wichtigsten Industriebezirke und in der Folge über Jahre hinweg als Problembezirk abgestempelt, entwickelt sich Neukölln zunehmend zum Standort für zukunftsweisende Unternehmen, überwiegend aus dem Dienstleistungssektor. Ein Beispiel dafür ist FoundEver, ein 1994 gegründeter Anbieter von Lösungen im Bereich Customer Experience (CX) mit rund 150.000 Beschäftigten weltweit, der im vergangenen Jahr seine Deutschland-Zentrale von Düsseldorf nach Berlin-Neukölln verlegte: Am Ufer des Neuköllner Schifffahrtskanals, direkt am Wasser und unweit der innerstädtischen Ringbahn und des S-Bahnhofes Sonnenallee sind in Berlins drittjüngstem Stadtteil im Projekt „The SHED“ insgesamt vier Gebäude mit Büros, Laboren und Werkhallen für Leichtindustrie entstanden. Ein weiterer Mieter, der sich dort angesiedelt hat, ist die SRH University, die erste Privatuniversität in Neukölln, die rund 65 Studiengänge anbietet, darunter Informatik, Medienwissenschaften, Design und Wirtschaft, und dafür rund 13.000 qm angemietet hat. Aber auch die weltweit tätige Nichtregierungsorganisation Amnesty International hat sich vor Kurzem im „The SHED“ angesiedelt und 2.000 qm langfristig angemietet.

All diese Beispiele zeigen, dass Mieter von Gewerbeimmobilien am Standort Berlin das Thema Infrastruktur und Anbindung hoch gewichten. Die derzeit entstehende Anschlussstelle Neukölln an die ursprünglich als Ringautobahn konzipierte A100 ist deshalb ebenso ein wesentlicher Standortvorteil wie die Bushaltestelle direkt auf dem Grundstück und die Radschnellverbindung „Y-Trasse“, deren Machbarkeitsuntersuchung bereits abgeschlossen ist. Sie wird auf rund 20 Kilometern unter anderem in ihrem zweiten Abschnitt von Neukölln bis zum Südstern in Berlin-Kreuzberg führen.

Mut zur Lücke erweist sich als strategischer Vorteil
Was die Renditeentwicklung im Bürosegment in Berlin betrifft, hat sich nach Angaben von CBRE im vergangenen Jahr bei Büroobjekten in Premiumlagen der Hauptstadt eine leichte Renditekompression abgezeichnet. Ende des vierten Quartals 2024 lag die Spitzenrendite in Berliner Top-Lagen bei 4,80%, heißt es in einer aktuellen Markteinschätzung. In Stadtteilen wie Neukölln steigt der Spread, was die Potenziale verdeutlicht.

Das für Berlin typische Fehlen einer gewachsenen zentralen Stadtmitte erweist sich in diesem Zusammenhang als wesentlicher Vorteil. Nicht zuletzt deswegen, weil die Mieten in dieser sich rasch entwickelnden Ecke von Berlin mit guter Anbindung zum Flughafen BER um einiges niedriger sind als in Berlin-Mitte oder Charlottenburg. So werden in Neukölln nach Angaben von Colliers aktuell Mieten im gut ausgebauten Bestand von durchschnittlich 25,30 Euro je Quadratmeter bezahlt. Das haben auch Unternehmen wie Viessmann Climate Solutions, Iron Mountain oder der Chiphersteller ASML erkannt, die dort Komponenten wie Wafertafeln, Clamps, Reticle Chucks und Mirrorblöcke fertigen.

Wohnen mitdenken
Die mit diesen Ansiedlungen einhergehende Dynamik macht allerdings deutlich, dass das Thema Wohnraum in Berlin weit oben auf der Agenda der politischen Entscheidungsträger bleiben muss. Eine temporäre Aussetzung der Grunderwerbsteuer könnte Impulse setzen, um den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten und die Stadt für Fachkräfte attraktiver zu machen. Ein Beispiel, was auch in dieser Hinsicht in Neukölln möglich ist, ist übrigens das Wohnquartier „Greenpark“. Insgesamt 220 Mio. Euro investieren Bauwens und Goldbeck in Kooperation mit der Berliner Sparkasse in das Vorhaben und errichten 860 Wohnungen auf dem Gelände des bei vielen Berlinern mit Kindheitserinnerungen verbundenen Spaßbades „Blub“. Davon sind etwas mehr als 100 Wohnungen mietpreisgebunden. Auf rund 1.400 qm werden zudem Gemeinschaftsflächen geschaffen, unter anderem für eine Kita, einen Fitness- und Yogabereich und ein Kino.

Berlin hat das Potenzial, München als wirtschaftlich stärkste Stadt Deutschlands zu überholen. Doch um dieses Wachstum zu sichern, ist eine Neubauoffensive nötig, die Wohnungen und Büroimmobilien gleichermaßen miteinschließt.

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*) Stefan Klingsöhr, Geschäftsführender Gesellschafter Klingsöhr Projektentwicklung GmbH