Institutionelle Anleger müssen sich nun fragen, welche Folgen dies auf das auf dem Transaktionsmarkt zur Verfügung stehende Angebot und Nachfrage hat und welchen Einfluss diese Entwicklungen auf die wesentlichen Akteure wie Projektentwickler, Fondsmanager, KVGen und letztlich sie selbst als Anleger haben.
Neubau schlägt Bestand
Durch die Zinswende haben andere Assetklassen wie Fixed Income relativ zu Immobilieninvestitionen an Attraktivität gewonnen und gleichzeitig passt sich das Preisniveau auf dem Immobilienmarkt nur träge den Erwartungen der Käufer an. Darüber hinaus bleibt Anlegern angesichts immer höherer ESG-Anforderungen an Immobilien kaum eine Wahl bei Neuinvestitionen. In der Regel schlägt hochwertiger energieeffizienter Neubau Investitionen in den hinsichtlich des Stranding Risks unterlegenen Bestand, bei dem unklar ist, mit welchem künftigen Modernisierungsaufwand zu rechnen ist.
Die notwendige hohe Energieeffizienz der Neubauten treibt jedoch das Preisniveau, welches Bauträger und Projektentwickler nicht entzaubern können, zumal sie selbst unter dem Druck steigender Finanzierungskosten stehen und teils schon keinen Kalkulationsspielraum mehr haben.
Bauträger und Projektentwickler unter Druck
Und hier beginnt das Henne-/Ei-Problem, was zu einem spürbaren Angebotsvakuum im Markt führt.
Ein Beispiel: Während Wohnprojektentwicklungen in deutschen B-Städten vor 18 Monaten noch ohne größere Diskussionen zu einer Bruttoanfangsrendite von 3,5% von der Käuferseite akzeptiert wurden, findet das gleiche Angebot heute keinen Abnehmer mehr, weil der Preis angesichts des Rendite-/Risikoprofils zu Vergleichsanlagen zu hoch ist.
Der Projektwickler kann ein solches Objekt jedoch aus folgenden drei Gründen nicht zum günstigeren Preis abgeben:
(1) Hohe Einkaufspreise: Sofern das Grundstück innerhalb der „heißen“ Marktphase gesichert wurde, hat es einen Preis, der durch das Projekt wieder „reingeholt“ werden muss.
(2) Steigende Finanzierungskosten: Der für Projektentwickler wichtige 3-Monats-Euribor ist von -0,5% Anfang 2022 auf aktuell 3,8% gestiegen.
(3) Höhere Erstellungskosten: Gestiegene Lohnkosten im Baugewerbe und nach wie vor steigende Materialkosten drücken die Projektentwicklungsmarge massiv. Im Juli teilte das Statistische Bundesamt mit, dass die Baukosten für Wohngebäude im Mai 2023 um 8,8% gegenüber Mai 2022 gestiegen sind.
Gleichzeitig hat sich die Nachfrage durch institutionelle und private Anleger gegenüber dem Abnehmermarkt von vor zwei Jahren deutlich eingetrübt. Neben der zunehmenden Unsicherheit leiden auch Käufer unter massiv gestiegenen Fremdkapitalkosten.
In der Folge liegen sektorübergreifend durchaus zahlreiche startreife Neubauvorhaben in den Schubladen der Projektentwickler. Offen bleibt allerdings, ob und wann diese auf den Markt kommen.
Die Anzahl der Baugenehmigungen in Deutschland ist stark rückläufig, wie kürzlich das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. Allein im Bereich der Mehrfamilienhäuser lag die Anzahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2023 um 27% unter dem Wert des Vorjahres-Vergleichszeitraumes.
Diese Indikation passt zu den Medienberichten der letzten Wochen über teils renommierte Immobilien-Projektentwicklungsunternehmen, die zunehmend unter wirtschaftlichen Druck geraten.
Reduziert sich die Anzahl der Marktteilnehmer, kommt zu Konsolidierungs- und ggf. Konzentrationsprozessen. Kleine Gesellschaften sind ebenso betroffen wie große, insbesondere wenn sie über keine weiteren Einnahmequellen wie z.B. laufende Erträge aus der Bestandshaltung verfügen.
Opportunitäten trotz eingeschränktem Angebot
Anders als beispielsweise in China ist in Deutschland allerdings durch den sehr fragmentierten Projektentwicklungsmarkt nicht davon auszugehen, dass die Neubautätigkeit aus strukturellen Gründen komplett zum Erliegen kommt. Wohl aber kommen nun unternehmerische Planungsfehler aus den vergangenen Jahren zum Vorschein, wie der Kauf überteuerter Grundstücke, die nun Teil von Insolvenzmassen werden. Aber gerade solche Grundstücke könnten Opportunitäten für künftige Projektentwicklungen unter neuer Regie sein.
Interessante Kaufopportunitäten könnten sich auch aus Objekten ergeben, die für den Einzelverkauf im Eigentumswohnungssegment vorgesehen waren und in den letzten Monaten fertiggestellt worden sind. Einige Bauträger oder Projektentwickler denken darüber nach, diese aufgrund des Nachfrageeinbruchs im Globalverkauf mit Preisabschlägen an den Markt zu bringen. Käufer sollten allerdings genau prüfen, über welchen Ausstattungsstandard die Objekte verfügen.
Der Blick allein auf die Kaufpreisfaktoren etwa von Wohn-Projektentwicklungen, die nach KfW 55-Standard gebaut wurden, kann trügerisch sein: Unterstellt man, dass die Mehrkosten zum moderneren Standard KfW 40 NH ca. 600 Euro/qm betragen, bedeutet dies Mehrkosten von ca. 12%, wenn 5.000 Euro/qm für KfW 55 veranschlagt werden. Unabhängig von öffentlichen Förderungen bleibt im Businessplan fraglich, ob der Baustandard eine um 12% höhere Miete rechtfertigt.
Auch im Management trennen sich Spreu und Weizen
Für institutionelle Anleger trennt sich nun auch bei den Fondsmanagement-Gesellschaften die Spreu vom Weizen: In den letzten Jahren waren auch diese vor allem auf das Wachstum der AuM getrimmt. Die Unternehmen mussten im Wettbewerb um Kundenkapital stark in die Bereiche Transaktionsmanagement und Client Relationship investieren.
Das hat zur Folge, dass insbesondere bei manchen jüngeren Unternehmen, die erst in der Boomphase in den Markt eingetreten sind, gewisse Merkmale erkennbar werden:
Die der Transaktion nachgelagerten Unternehmens- und Wertschöpfungsbereiche, wie Asset Management und Risikomanagement, sind angesichts der aktuellen Herausforderungen weniger gut aufgestellt. Das zeigt sich in der Praxis durch Fehleinschätzungen zur weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Parameter der Fonds bzw. der Assets. Auch beim Finanzierungsmanagement werden handwerkliche Fehler sichtbar, wenn z.B. Refinanzierungsbedarf stiefmütterlich behandelt wird – teils mit fatalen Folgen. In einigen Fällen äußert sich die managerseitige Unerfahrenheit oder der fehlende Fokus auf die schwierige Marktphase auch durch Unkenntnis der fondsvertraglichen Inhalte oder durch unzureichende Anlegerkommunikation.
Was Photoshop in der Bildbearbeitung ist, ist Excel im Financial Engineering – in beiden Fällen muss man genau hinschauen, um mögliche „Optimierungen zur Realität“ zu erkennen.
Fazit für Anleger
Die beschriebenen Entwicklungen der Marktstrukturen und -teilnehmer werden sich angesichts der wirtschaftlichen Parameter noch eine gewisse Zeit fortsetzen. Für Anleger kommt es angesichts der veränderten Anforderungen an Asset Manager und Projektentwickler darauf an, die Chancen und Risiken bestehender Investments in den Immobilienfonds neu zu beurteilen.
Investitionen vor allem in Neubau bieten sich aufgrund der Güte des Produktes als bessere Alternative an, um das Anlegerportfolio unter ESG-Aspekten passend aufzustellen. Allerdings müssen Ankäufe mit Vorsicht geplant und die zugrunde liegenden Businesspläne in Bezug auf die renditebeeinflussenden Parameter mehr denn je plausibilisiert werden.
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*) Dr. Andreas Peppel, Institutional Investment Consulting Partners GmbH